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Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für eine Übernahme aller amerikanischen Militärflächen, Wohngebäude und Schulen in der Stadt Fürth schon erheblich verschlechtert, da der „Einheitsboom“ nach einer Abschwächung der Zuwachsraten des gesamtdeutschen realen, preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts von 5,1 Prozent 1991 auf 1,9 Prozent 1992 ausgelaufen und 1993 sogar ein „Minuswachstum“ von 1,0 Prozent zu verzeichnen war. In Westdeutschland hatte sich zudem die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit wieder von 1.596.450 Personen 1991 auf 2.149.466 Personen 1993 und 2.604.920 Personen 1996 und in Ostdeutschland im gleichen Zeitraum von 1.005.746 auf 1.318.622 Personen erhöht.883 Da die seit 1984 mit der Aktienmehrheit zum Philips-Konzern gehörende Firma Grundig nach dem im „Einheitsboom“ 1991 erzielten Rekordumsatz von 4,55 Mrd. DM in einen Abwärtstrend geraten war, der bis 1996 zu einem Abbau der Beschäftigtenzahl an allen Produktionsstandorten von 16.250 auf 8.580 Personen und zu einem 1996 von Philipps im Rahmen einer Umstrukturierung des Gesamtkonzerns veranlassten Verkauf der Firma Grundig an ein bayerisches Konsortium unter Leitung des Antennen- und Satellitentechnikherstellers Anton Kathrein geführt hatte,884 hatten sich krisenbedingt auch die gesamten städtischen Gewerbesteuereinnahmen verringert und eine Haushaltskonsolidierung durch zahlreiche Sparmaßnahmen ausgelöst.885 Angesichts der finanziellen Misere wurde bei der Konversion der Militärflächen nun das 1993 in das Baugesetzbuch eingeführte Planungsinstrument des Städtebaulichen Vertrages ins Gespräch gebracht, bei dem sich die Kommune mit dem Grundstückseigentümer auf eine Ausgleichszahlung für Infrastrukturmaßnahmen verständigte, die der Grundeigentümer von jedem an Dritte weiterverkauften Quadratmeter Grundfläche an die Kommune als Infrastrukturbeitrag abzuführen hatte, womit die Baumaßnahmen für die notwendige technische und soziale Infrastruktur wie Straßen, Kanäle, Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen, Spielplätze und Grünanlagen finanziert werden konnten.886 Da Oberbürgermeister Uwe Lichtenberg zur Bewältigung der Konversionsproblematik nicht nur eine referatsübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt hatte, die die Ziele und den Weg zur Umsetzung der Konversion erarbeiten sowie die Kosten für die erforderliche technische und soziale Infrastruktur ermitteln sollte, sondern auch veranlasst hatte, dass die Bundesvermögensverwaltung als Verhandlungspartnerin in die Arbeitsgruppe einbezogen wurde, kam es dazu, dass die planerischen und finanziellen Überlegungen zu städtebaulichen Verträgen vom Bund und von der Stadt auf 883Vgl. zum Anstieg der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland auch: Harm G. Schröter, Von der Teilung bis

zur Wiedervereinigung (1945-2004), in: Michael North (Hrsg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, 2. völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, München 2005, S.356426, hier: S.418: „Die Volkswirtschaft der DDR war überindustrialisiert, die neuen Länder mussten den Deindustrialisierungsprozess … schlagartig und von einem höheren Ausgangsniveau ausgehend durchführen.“ 884Vgl. den Artikel Grundig (Unternehmen), in: www.wikipedia.de, hier: Ausdrucke vom 11.06.2021. 885Vgl.: Stadt Fürth, Baureferat/Stadtplanungsamt (Hrsg.), 10 Jahre Konversion. Der Fürther Weg. Die Entwicklung auf den ehemaligen Militärflächen im Stadtgebiet Fürth von 1995 bis 2005, Fürth 2005, S.11: „Der Abzug der Amerikaner und damit die gesamte Konversionsproblematik trifft Fürth in einer schwierigen Phase der Stadtentwicklung… Geringe Gewerbesteuereinnahmen zwingen zu umfangreichen Sparmaßnahmen und Kürzungen im städtischen Haushalt.“ 886Vgl.: Ebd., S.11f. Bei einer nach der Baugesetzgebung seit 1971 vorgesehenen und ab 1993 ebenfalls möglichen städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme hätte die Kommune finanzielle Vorleistungen für den Erwerb der zu beplanenden Grundflächen und für die bauliche und technische Infrastruktur übernehmen und darauf hoffen müssen, nach Abschluss des Planungsverfahrens und der Infrastrukturinvestitionen die als Bauland ausgewiesenen und bebaubaren Flächen auch zu ihrem gesteigerten Wert verkaufen und dadurch die entstandenen Kosten decken zu können.

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