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Der Historiker [[Georg Tobias Christoph Fronmüller|Fronmüller]] merkt in seiner Chronik zum Jahr [[1700]] an, dass etliche der Drechslermeister aus Nürnberg vertrieben worden waren, weil sie sich an Frauenzimmern vergangen hatten.<ref>[[Chronik der Stadt Fürth (Buch)|Fronmüller-Chronik]], S. 114 und 118</ref> Dies zeigt, dass in Fürth deutlich liberalere Verhältnisse herrschten als in Nürnberg. Fürth nutzte seine spezifische Chance und nahm Handwerker auf, die in Nürnberg gegen die strikten Gebote ihres Handwerks verstoßen hatten und mit Berufsverbot belegt worden waren. Hier konnten sie ohne die Einengung veralteter Handwerksordnungen arbeiten, denn in Fürth waren die Ordnungen bei weitem nicht so rigoros wie in Nürnberg, wo noch wie im Mittelalter genau festgelegt war, wer, was, wie viel und wie fertigen durfte. Nur 29 Handwerke hatten eine Ordnung. Alle anderen arbeiteten dagegen frei und ohne Vorschrift. In Fürth herrschte also eine weitgehende Gewerbefreiheit. Die Fürther Bürgermeister verteidigten diese Gewerbefreiheit auch gegen die Monopolansprüche der Zünfte. Um das zu erreichen, wurden, wie in Fürth üblich, die drei Herren der Stadt gegeneinander ausgespielt. Im Jahr [[1749]] kam eine Broschüre heraus mit dem Titel ''4 Briefe, darinnen der ehemalige blühende, jetzt so verderblichen Zustand der Stadt Nürnberg''. Dort heißt es: ''Wenn zum Exempel an Messen drei Wägen in Nürnberg geladen werden, so erhalten dagegen sieben ihre Ladung zu Fürth. Der Handelsstand in Nürnberg musste den aus Nürnberg verjagten und in Fürth ansässig gewordenen Handwerkern mit der Arbeit folgen; denn Handwerkerwaren, wie man sie auswärts verlangt, sind in Nürnberg gar nicht zu bekommen.''<ref>[[Friedrich Marx]], Gewerbe- und Handelsgeschichte, S.4</ref> | Der Historiker [[Georg Tobias Christoph Fronmüller|Fronmüller]] merkt in seiner Chronik zum Jahr [[1700]] an, dass etliche der Drechslermeister aus Nürnberg vertrieben worden waren, weil sie sich an Frauenzimmern vergangen hatten.<ref>[[Chronik der Stadt Fürth (Buch)|Fronmüller-Chronik]], S. 114 und 118</ref> Dies zeigt, dass in Fürth deutlich liberalere Verhältnisse herrschten als in Nürnberg. Fürth nutzte seine spezifische Chance und nahm Handwerker auf, die in Nürnberg gegen die strikten Gebote ihres Handwerks verstoßen hatten und mit Berufsverbot belegt worden waren. Hier konnten sie ohne die Einengung veralteter Handwerksordnungen arbeiten, denn in Fürth waren die Ordnungen bei weitem nicht so rigoros wie in Nürnberg, wo noch wie im Mittelalter genau festgelegt war, wer, was, wie viel und wie fertigen durfte. Nur 29 Handwerke hatten eine Ordnung. Alle anderen arbeiteten dagegen frei und ohne Vorschrift. In Fürth herrschte also eine weitgehende Gewerbefreiheit. Die Fürther Bürgermeister verteidigten diese Gewerbefreiheit auch gegen die Monopolansprüche der Zünfte. Um das zu erreichen, wurden, wie in Fürth üblich, die drei Herren der Stadt gegeneinander ausgespielt. Im Jahr [[1749]] kam eine Broschüre heraus mit dem Titel ''4 Briefe, darinnen der ehemalige blühende, jetzt so verderblichen Zustand der Stadt Nürnberg''. Dort heißt es: ''Wenn zum Exempel an Messen drei Wägen in Nürnberg geladen werden, so erhalten dagegen sieben ihre Ladung zu Fürth. Der Handelsstand in Nürnberg musste den aus Nürnberg verjagten und in Fürth ansässig gewordenen Handwerkern mit der Arbeit folgen; denn Handwerkerwaren, wie man sie auswärts verlangt, sind in Nürnberg gar nicht zu bekommen.''<ref>[[Friedrich Marx]], Gewerbe- und Handelsgeschichte, S.4</ref> | ||
Im Jahr [[1799]] erschien Weimar ein ''Fabriken und Manufacturen- Adreßlexicon von Teutschland'', in dem auch Fürth ausführlich angeführt wird: Der größte Teil der Einwohner besteht aus Kaufleuten, Künstlern, Manufacturisten und Handwerkern, die Kompositionswaren, Karten, Knöpfe, Lederwaren, Rechenpfennige, Siegellack, Spiegel, Staniol, Tabak usw. herstellen.<ref>Johann Christian Gädicke, Fabricen und Manufacturen-Addreß-Lexicon von Teutschland und einigen angränzenden Ländern, 2. Teil, Weimar 1799, S. 158</ref> Unter Künstlern verstand man damals zum Beispiel folgende Berufe: Apotheker, Chemiker, Buchdrucker, Geometer, Graveur, Kupferstecher, Medailleur, Bildhauer, Steinschneider, Tanzmeister.<ref>[[Johann Gottfried Eger]], Adreßhandbuch, S. 54 f.</ref> Nach diesem Lexikon war die Hauptfabriken führt Spiegelfabrik. Als die weiteren wichtigsten Fürther Gewerbe werden aufgezählt: Uhrmacher, die ausschließlich Taschenuhren produzierten, Goldschläger, Gürtler und Drechsler, die ''alle Arten von metallenen Knöpfen in ungeheurer Menge'' herstellten, Schnallenmacher, Schlosser, die auch ''Coffee und Gewürzmühlen'' fertigten, Sattler und Riemer, Zinngießer, die Zinnfiguren herstellten, Buchbinder, Bortenwirker, Brillenfabrikanten, die auch Ferngläser und Mikroskope machten, sowie Strumpfmanufakturen mit 146 Stühlen. Über Fürths Grenzen hinaus berühmt wurden der Uhrmacher [[Johann Jakob Grosser]] und der Hofmedailleur [[Johann Christian Reich]]. | Im Jahr [[1799]] erschien Weimar ein ''Fabriken und Manufacturen- Adreßlexicon von Teutschland'', in dem auch Fürth ausführlich angeführt wird: Der größte Teil der Einwohner besteht aus Kaufleuten, Künstlern, Manufacturisten und Handwerkern, die Kompositionswaren, Karten, Knöpfe, Lederwaren, Rechenpfennige, Siegellack, Spiegel, Staniol, Tabak usw. herstellen.<ref>Johann Christian Gädicke, Fabricen und Manufacturen-Addreß-Lexicon von Teutschland und einigen angränzenden Ländern, 2. Teil, Weimar 1799, S. 158</ref> Unter Künstlern verstand man damals zum Beispiel folgende Berufe: [[Apotheker]], Chemiker, [[Buchdrucker]], Geometer, Graveur, [[Kupferstecher]], Medailleur, [[Bildhauer]], Steinschneider, Tanzmeister.<ref>[[Johann Gottfried Eger]], Adreßhandbuch, S. 54 f.</ref> Nach diesem Lexikon war die Hauptfabriken führt Spiegelfabrik. Als die weiteren wichtigsten Fürther Gewerbe werden aufgezählt: [[Uhrmacher]], die ausschließlich Taschenuhren produzierten, [[Goldschläger]], Gürtler und Drechsler, die ''alle Arten von metallenen Knöpfen in ungeheurer Menge'' herstellten, Schnallenmacher, Schlosser, die auch ''Coffee und Gewürzmühlen'' fertigten, Sattler und Riemer, Zinngießer, die Zinnfiguren herstellten, Buchbinder, Bortenwirker, Brillenfabrikanten, die auch Ferngläser und Mikroskope machten, sowie Strumpfmanufakturen mit 146 Stühlen. Über Fürths Grenzen hinaus berühmt wurden der Uhrmacher [[Johann Jakob Grosser]] und der Hofmedailleur [[Johann Christian Reich]]. | ||
Allerdings kam es gegen Ende des 18. Jahrhunderts | Allerdings kam es gegen Ende des 18. Jahrhunderts häufiger zu Überproduktionen. Im Jahr [[1780]] wurde die Situation so beschrieben: ''Wie ist Fürth überhäuft von Handwerksleuten … Wo 20 sein sollten, sind wohl deren 80. So nimmt einer dem anderen seine Nahrung und Brot vom Maul hinweg und trotzdem werden die Gewerbe täglich mehr überhäuft''.<ref>Zitiert nach [[Friedrich Marx]], Gewerbe- und Handelsgeschichte, S.16</ref> Als Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts Europ mit Krieg überzog und nach den Krisenjahren [[1815]] und [[1816]] eine enorme Teuerung einsetzte, brach der Handel ein und der Fürther Wirtschaft, die auf weiträumige Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut war, ging es zunehmend schlechter. In den Quellen ist von ''traurigen Verhältnissen'' die Rede<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 132, Nr. 1, 16.2.1820</ref>, von einer ''Verarmung'', die ''sich auf eine unerhörte Weise vermehrt hat''.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 64 b, Nr. 3, 24.3.1819</ref> Deutlich wird die Lage, wenn man die Liste der besten Steuerzahler in Fürth aus dem Jahr [[1824]] betrachtet. Unter den neun besten befinden sich drei Brauereibesitzer, zwei [[Gastwirt|Gastwirte]], ein Müller, aber nur drei Kaufleute und kein einziger aus dem produzierenden Gewerbe.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 13, Nr. 1</ref> [[1814]] gab es eine weitere Statistik über das Fürther Handwerk in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit. Das Adressbuch von [[1819]] von [[Johann Gottfried Eger]], das 209 Unternehmen auflistet, belegt aber auch das immer noch vorhandene wirtschaftliche Potenzial. Bei den Handwerkern führt er vor allem Drechsler, Gürtler, Goldschläger, Uhrmacher, Bortenmacher und [[Weber]] auf, die aber alle Probleme mit dem Absatz ihrer Produkte hatten.<ref>[[Johann Gottfried Eger]], Adreßhandbuch, S. 68 ff.</ref> | ||
Es dauerte | Es dauerte nach Friedensschluss und Wiener Kongress noch etliche Jahre, bis eine Besserung eintrat. Positiv wirkte sich aus, dass Fürth im Jahr [[1818]] zur ''[[Stadtrecht|Stadt Erster Klasse]]'' erhoben wurde und eine Selbstverwaltung bekam. Durch Investitionen in Schulgebäude oder in ein neues [[Altes Krankenhaus|Krankenhaus]] wurde auch dem heimischen Handwerk geholfen. Um [[1830]] war die Krise weitgehend überwunden, da die preisgünstigen Fürther Waren jetzt wieder nach ganz Europa exportiert werden konnten. | ||
Adressbuch von [[1841]]: | Dies belegt das Adressbuch von [[1841]]: | ||
Der gesammte Gewerbstand der Stadt zälte 1828 ungefähr 2150 Meister oder selbstständige Arbeiter, unter welchen l Lithographie, 3 Buchdrukereien, 1 Buchhandlung, 3 Apotheken, 15 Bildhauer, 17 Uhrmacher, 20 Lakirer, Vergolder und Maler, 1 Feingoldschlager, 1 Pappendekelfabrikant, 40 Metallschlager, 58 Gürtler, 140 Drechsler, 174 Schreiner, 32 Feld- u. Taschenspiegelmacher , 8 Bräuer, 42 Bäker, 67 Mezger, 53 Schneider, 118 Schuster, 8 Brillenfabrikanten , 60 Strumpfwirker, 4 Wagner, 6 Schmiede, 5 Sattler, 47 Weber, 2 Wagenfabrikanten und andere mehr. 2 Mülen mit 17 Malgängen, dann mit Säg-, Schleif- u. Stampfwerken versehen, 4 Gerbereien, 5 Conditoren, 3 Gasthöfe ersten, und 15 zweiten Ranges, 4 Kaffehäuser etc. | ''Der gesammte Gewerbstand der Stadt zälte 1828 ungefähr 2150 Meister oder selbstständige Arbeiter, unter welchen l Lithographie, 3 Buchdrukereien, 1 Buchhandlung, 3 Apotheken, 15 Bildhauer, 17 Uhrmacher, 20 Lakirer, Vergolder und Maler, 1 Feingoldschlager, 1 Pappendekelfabrikant, 40 Metallschlager, 58 Gürtler, 140 Drechsler, 174 Schreiner, 32 Feld- u. Taschenspiegelmacher , 8 Bräuer, 42 Bäker, 67 Mezger, 53 Schneider, 118 Schuster, 8 Brillenfabrikanten , 60 Strumpfwirker, 4 Wagner, 6 Schmiede, 5 Sattler, 47 Weber, 2 Wagenfabrikanten und andere mehr. 2 Mülen mit 17 Malgängen, dann mit Säg-, Schleif- u. Stampfwerken versehen, 4 Gerbereien, 5 Conditoren, 3 Gasthöfe ersten, und 15 zweiten Ranges, 4 Kaffehäuser etc.'' | ||
Im Jahr 1838 fand eine Ausstellung von Fürther Waren statt, die die große Fülle und Verschiedenheit der Produktion zeigte. Unter anderem werden dort viele Handwerksprodukte, wie Horn- und Elfenbeinkämme, Brieftaschen, Blechdosen, Zinnfiguren, Uhren, Pinsel, Nussbaum-Chatoullen (kleine Holzkästchen), Nadelbüchsen, Perlmuttknöpfe, Hornknöpfe, Metallknöpfe, Cigarrendosen, Stahl- und Hornbrillen, künstliche Blumen, Servietten und Tischtücher, chirurgische Instrumente und natürlich alle Arten von Spiegeln, aufgelistet.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 204, Nr. 15</ref> In dieser Zeit der einsetzenden [[Industrialisierung in Fürth|Industrialisierung]] entwickelten sich viele handwerkliche Manufakturen weiter zu Fabriken mit mechanischen Hilfsmitteln und Dampfmaschinen. | Im Jahr [[1838]] fand eine Ausstellung von Fürther Waren statt, die die große Fülle und Verschiedenheit der Produktion zeigte. Unter anderem werden dort viele Handwerksprodukte, wie Horn- und Elfenbeinkämme, Brieftaschen, Blechdosen, Zinnfiguren, Uhren, Pinsel, Nussbaum-Chatoullen (kleine Holzkästchen), Nadelbüchsen, Perlmuttknöpfe, Hornknöpfe, Metallknöpfe, Cigarrendosen, Stahl- und Hornbrillen, künstliche Blumen, Servietten und Tischtücher, chirurgische Instrumente und natürlich alle Arten von Spiegeln, aufgelistet.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 204, Nr. 15</ref> In dieser Zeit der einsetzenden [[Industrialisierung in Fürth|Industrialisierung]] entwickelten sich viele handwerkliche Manufakturen weiter zu Fabriken mit mechanischen Hilfsmitteln und Dampfmaschinen. | ||
In der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre litt auch das Fürther Handwerk. [[1928]] arbeiteten ca. 250 Schneidergehilfen, [[1932]] nur noch etwa 50. Die Anzahl der Bäckereien ging um 30 Prozent zurück. Das Baugewerbe bekam keine Aufträge mehr. | In der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre litt auch das Fürther Handwerk. [[1928]] arbeiteten ca. 250 Schneidergehilfen, [[1932]] nur noch etwa 50. Die Anzahl der Bäckereien ging um 30 Prozent zurück. Das Baugewerbe bekam keine Aufträge mehr. |