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In Warschau erlebte er im September 1939 den Überfall auf Polen und den Einmarsch in die polnische Stadt durch die Deutsche Wehrmacht. Während der Zeit der Besetzung wurde Spiro in den sog. Judenrat im Warschauer Ghetto berufen, dem er bis zur Liquidierung des Ghettos im April 1943 angehörte. Es folgte ein langer Leidensweg zur Zeit des Naziterrors in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter u.a. die KZ Budzyn, Flossenbürg, Hersbruck und Dachau. Im Frühjahr 1945 erkrankte Spiro im KZ Dachau schwer und überlebte die Befreiung nur knapp. Sein Bruder Abraham Spiro, der einzig überlebende seiner weitläufigen Familie, fand nach eigenen Angaben seinen Bruder mehr tot als lebendig im KZ Dachau. Abraham Spiro konnte frühzeitig emigrieren und durchlief in den 1930er Jahren in einem Stipendium am Jewish Theological Seminary in New York die Rabbinerausbildung. Mit Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg meldete sich Abraham Sprio als freiwilliger zur US-Army und versah seinen Dienst als Seelsorger in der US-Army (Chaplain) und war Teil der Landung der US-Truppen 1944 in der Normandie.
 
In Warschau erlebte er im September 1939 den Überfall auf Polen und den Einmarsch in die polnische Stadt durch die Deutsche Wehrmacht. Während der Zeit der Besetzung wurde Spiro in den sog. Judenrat im Warschauer Ghetto berufen, dem er bis zur Liquidierung des Ghettos im April 1943 angehörte. Es folgte ein langer Leidensweg zur Zeit des Naziterrors in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter u.a. die KZ Budzyn, Flossenbürg, Hersbruck und Dachau. Im Frühjahr 1945 erkrankte Spiro im KZ Dachau schwer und überlebte die Befreiung nur knapp. Sein Bruder Abraham Spiro, der einzig überlebende seiner weitläufigen Familie, fand nach eigenen Angaben seinen Bruder mehr tot als lebendig im KZ Dachau. Abraham Spiro konnte frühzeitig emigrieren und durchlief in den 1930er Jahren in einem Stipendium am Jewish Theological Seminary in New York die Rabbinerausbildung. Mit Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg meldete sich Abraham Sprio als freiwilliger zur US-Army und versah seinen Dienst als Seelsorger in der US-Army (Chaplain) und war Teil der Landung der US-Truppen 1944 in der Normandie.
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Da sein Bruder Abraham in der US-Zone in Bayern (Region Nürnberg) stationiert war, beschloss David Spiro seinem Bruder zu folgen. Er hatte während des Naziterrors seine ganze Familie verloren - Frau, Kinder, Eltern und Geschwister - und wollte so zumindest in der Nähe seines Bruders sein. So fand er den Weg nach Fürth in eines der damals großes Lager sog. Displaced Person (DP) - dem [[Camp Finkenschlag]]. Schnell avancierte der charismatische Spiro zum spirituellen Führer der dort lebenden Menschen und prägte die Gemeinde wie kein Zweiter. Gemeinsam mit [[Jean Mandel]] belebte der jüdische Gemeinde unmittelbar nach Kriegesende in Fürth. Er reaktivierte ein jüdisches Ritualbad in einem Gebäudekeller, dass er zuvor entdeckt hatte - führte die koschere Küche im DP-Lager ein und hielt regelmässig Gottesdienste und Lehrstunden im ehem. jüdischen Waisenhaus ab. Mit Spiro wurde die jüdische Gemeinde in Fürth ein neues Zentrum für Orthodoxie im Nachkriegsdeutschland und seine Beratung in allen Lebenslagen, insbesondere in der Fragestellung bei Scheidungen und Eheschließungen, war weit über die Stadtgrenze Fürths geschätzt. Insbesondere der fehlende Nachweis eines verstorbenen Ehepartners durch den Nazi-Terror erschwerte die erneute Heirat des Überlebenden im jüdischen Glauben. Spiro galt als umfassender Experte im [[wikipedia:Halacha|halachischen Wissen]], der sog. rechtlichen Überlieferung des Judentums, mit dessen Hilfe schwierige Eheentscheidungen nach dem orthodoxen jüdischen Ritus erneut möglich wurden. Dieses Wissen führte im Sommer 1946 sogar dazu das die Rabbinerkonferenz - als Teil des späteren Zentralrates der Juden in Deutschland - Spiro ganz offiziel mit dieser schwierigen Aufgabe betraute.  
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Da sein Bruder Abraham in der US-Zone in Bayern (Region Nürnberg) stationiert war, beschloss David Spiro seinem Bruder zu folgen. Er hatte während des Naziterrors seine ganze Familie verloren - Frau, Kinder, Eltern und Geschwister - und wollte so zumindest in der Nähe seines Bruders sein. So fand er den Weg nach Fürth in eines der damals großes Lager sog. Displaced Person (DP) - dem [[Camp Finkenschlag]]. Schnell avancierte der charismatische Spiro zum spirituellen Führer der dort lebenden Menschen und prägte die Gemeinde wie kein Zweiter. Gemeinsam mit [[Jean Mandel]] belebte der jüdische Gemeinde unmittelbar nach Kriegsende in Fürth. Er reaktivierte ein jüdisches Ritualbad in einem Gebäudekeller, dass er zuvor entdeckt hatte - führte die koschere Küche im DP-Lager ein und hielt regelmäßig Gottesdienste und Lehrstunden im ehem. jüdischen Waisenhaus ab. Mit Spiro wurde die jüdische Gemeinde in Fürth ein neues Zentrum für Orthodoxie im Nachkriegsdeutschland und seine Beratung in allen Lebenslagen, insbesondere in der Fragestellung bei Scheidungen und Eheschließungen, war weit über die Stadtgrenze Fürths geschätzt. Insbesondere der fehlende Nachweis eines verstorbenen Ehepartners durch den Nazi-Terror erschwerte die erneute Heirat des Überlebenden im jüdischen Glauben. Spiro galt als umfassender Experte im [[wikipedia:Halacha|halachischen Wissen]], der sog. rechtlichen Überlieferung des Judentums, mit dessen Hilfe schwierige Eheentscheidungen nach dem orthodoxen jüdischen Ritus erneut möglich wurden. Dieses Wissen führte im Sommer 1946 sogar dazu das die Rabbinerkonferenz - als Teil des späteren Zentralrates der Juden in Deutschland - Spiro ganz offiziell mit dieser schwierigen Aufgabe betraute.  
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Auf Initiatve Spiros wurden ab 1947 zwei Talmud-Thoar-Schulen gegründet - in der ehem. städtischen Religionsschule war zunächst Platz für 12 und im Camp-Cheder für 15 Jungen. Mit der Auflösung der Camps im Jahr 1949 - und der damit einhergehenden Übersiedlung eines Großteils der Bewohner in den neu geschaffenen Staat Israel oder nach Übersee - veränderte sich auch in Fürth das aktive religiöse Leben. Die Mitgliederzahlen und Aktivitäten in der jüdischen Gemeinde gingen dramatisch zurück, selbst der Besuch der Koscheren Küche sank dramatsich. Im Gemeindeblatt der jüdischen Gemeinde war zu lesen: ''Die Gemeinde ist am Bestehen dieser idealen Einrichtung sehr interessiert; sie ist eine unbedingte Notwendigkeit für unsere Stadt. Umso unbegreiflicher ist es, dass die Küche heute so einen mangelhaften Besuch aufweist und viele unserer Leute, die nicht zuhause essen können, lieber andere Gaststätten aufsuchen.'' Spiro wurde mittels finanzieller Hilfestellung die Übersiedlung der Gemeinde angeboten, z.B. durch die Bereitstellung einer Wohnung und eines Betsaals in Isreal. Zu dieser Übersiedlung kam es allerdings nicht und auch Spiro entscheid sich zunächst in Fürth zu bleiben.  
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Auf Initiative Spiros wurden ab [[1947]] zwei Talmud-Thoar-Schulen gegründet - in der ehem. städtischen Religionsschule war zunächst Platz für 12 und im Camp-Cheder für 15 Jungen. Mit der Auflösung der Camps im Jahr [[1949]] - und der damit einhergehenden Übersiedlung eines Großteils der Bewohner in den neu geschaffenen Staat Israel oder nach Übersee - veränderte sich auch in Fürth das aktive religiöse Leben. Die Mitgliederzahlen und Aktivitäten in der jüdischen Gemeinde gingen dramatisch zurück, selbst der Besuch der Koscheren Küche sank dramatisch. Im Gemeindeblatt der jüdischen Gemeinde war zu lesen: ''Die Gemeinde ist am Bestehen dieser idealen Einrichtung sehr interessiert; sie ist eine unbedingte Notwendigkeit für unsere Stadt. Umso unbegreiflicher ist es, dass die Küche heute so einen mangelhaften Besuch aufweist und viele unserer Leute, die nicht zu hause essen können, lieber andere Gaststätten aufsuchen.''<ref>Jüdisches Gemeindeblatt, Ausgabe 1950</ref> Spiro wurde mittels finanzieller Hilfestellung die Übersiedlung der Gemeinde angeboten, z.B. durch die Bereitstellung einer Wohnung und eines Betsaals in Israel. Zu dieser Übersiedlung kam es allerdings nicht und auch Spiro entschied sich zunächst in Fürth zu bleiben.  
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1954 wurde David Spiro eine große Ehre zu Teil, in dem am 31. Oktober 1954 die Gründungsversammlung der "Vereinigung für Thoratreues Judentum" aus prominenten Vertretern der Orthodoxie aus ganz Deutschland in Fürth abgehalten wurde. Rabbiner Spiro nahm an dieser Versammlung teil und eröffnete die Veranstaltung feierlich, deren Schirmherr er auch war. Ergebnis der Versammlung war, dass „den in Deutschland lebenden Juden nach den Jahren der Vernichtung und Vertreibung ein Leben im Geist der Tradition“ zu ermöglichen sei, wobei „das Gesetz der Thora allein verbindlich (unabänderlich)“ als Grundlage zu gelten habe. Allerdings sind keine weitere Aktivitäten dieser Vereiniung bekannt, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die Organisation nie aktiv im Anschluss ihre Arbeit aufgenommen hat.  
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[[1954]] wurde David Spiro eine große Ehre zu Teil, in dem am [[31. Oktober]] [[1954]] die Gründungsversammlung der "Vereinigung für Thoratreues Judentum" aus prominenten Vertretern der Orthodoxie aus ganz Deutschland in Fürth abgehalten wurde. Rabbiner Spiro nahm an dieser Versammlung teil und eröffnete die Veranstaltung feierlich, deren Schirmherr er auch war. Ergebnis der Versammlung war, dass „den in Deutschland lebenden Juden nach den Jahren der Vernichtung und Vertreibung ein Leben im Geist der Tradition“ zu ermöglichen sei, wobei „das Gesetz der Thora allein verbindlich (unabänderlich)“ als Grundlage zu gelten habe. Allerdings sind keine weitere Aktivitäten dieser Vereinigung bekannt, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die Organisation nie aktiv im Anschluss ihre Arbeit aufgenommen hat.  
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Mitte der 1960er Jahre initiierten Emigranten in Zusammenarbeit mit David Spiro eine Talmudhochschule in der israelischen Stadt Bnei Brak, nordwestlich von Jerusalem. Die Hochschule (Jeshiwa) namens Beit David. Ende der 1960er Jahre erkrankte David Spiro unheilbar. Nach eigenen Angaben wollte er nicht im Galut (Diaspora) sterben, weshalb der kurz vor seinem Lebensende Fürth für immer verlies und nach Jerusalem umsiedlete.  
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Mitte der 1960er Jahre initiierten Emigranten in Zusammenarbeit mit David Spiro eine Talmudhochschule in der israelischen Stadt [[wikipedia:Bnei Brak|Bnei Brak]], nordwestlich von Jerusalem. Die Hochschule (Jeshiwa) namens Beit David. Ende der 1960er Jahre erkrankte David Spiro unheilbar. Nach eigenen Angaben wollte er nicht im Galut (Diaspora) sterben, weshalb der kurz vor seinem Lebensende Fürth für immer verließ und nach Jerusalem umsiedelte.  
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Am 17. Oktober 1970 verstarb der 1. und langjährige Rabbiner Fürths nach dem 2. Weltkrieg in Jerusalem. Er ist auf dem Har HaMenuchot Friedhof in Jerusalem beerdigt.  
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Am [[17. Oktober]] [[1970]] verstarb der 1. und langjährige Rabbiner Fürths nach dem [[2. Weltkrieg]] in Jerusalem. Er ist auf dem [[wikipedia:Har HaMenuchot|Har HaMenuchot]] Friedhof in Jerusalem beerdigt.  
    
==Rabbiner-Spiro-Preis==
 
==Rabbiner-Spiro-Preis==
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==Literatur==
 
==Literatur==
   
* Sascha Freese und Kim Graf, Staatl. BOS Nürnberg, Klasse VKTB: ''Fürth - das „fränkische Jerusalem“''. Dokumentation der Arbeit, 11. Mai 2007, 17 Seiten - [http://www.staatliche-bos-nuernberg.de/images/stories/pressemeldungen/pb_bos_nuernberg_vktb.pdf PDF-Datei] [http://www.history.de/history-award/2007.html History-Award 2007]
 
* Sascha Freese und Kim Graf, Staatl. BOS Nürnberg, Klasse VKTB: ''Fürth - das „fränkische Jerusalem“''. Dokumentation der Arbeit, 11. Mai 2007, 17 Seiten - [http://www.staatliche-bos-nuernberg.de/images/stories/pressemeldungen/pb_bos_nuernberg_vktb.pdf PDF-Datei] [http://www.history.de/history-award/2007.html History-Award 2007]
   
* Michael Trüger: ''Rabbiner David Spiro sel. A. - 60 Jahre Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern''. In: Jüdisches Leben in Bayern. Mitteilungsblatt des Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, 23. Jahrgang, Nr. 106, April 2008, S. 6 - [http://ikg-bayern.de/maerz08.pdf PDF-Datei]
 
* Michael Trüger: ''Rabbiner David Spiro sel. A. - 60 Jahre Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern''. In: Jüdisches Leben in Bayern. Mitteilungsblatt des Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, 23. Jahrgang, Nr. 106, April 2008, S. 6 - [http://ikg-bayern.de/maerz08.pdf PDF-Datei]
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* Esther Farbstein: ''Hidden in Thunder. Perspectives on Faith, Halachah and Leadership during the Holocaust'', Jerusalem, 2007
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* Julius H. Schoeps (Hg.): ''Der Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde Fürth nach 1945.'' In: Julius H. Schoeps (Hg.), Leben im Land der Täter. Juden im Nachkriegsdeutschland 1945-1952, Berlin, 2001
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* Jim G. Tobias: ''Vorübergehende Heimat im Land der Täter. Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949'', Nürnberg, 2002
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* Peter Honigmann: ''Die Gründung der „Vereinigung für Thoratreues Judentum“ 1954 in Fürth.'' In: Nachrichten für den jüdischen Bürger Fürths, (NJBF), 1994
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* Monika Berthold-Hilpert: ''Die frühe Nachkriegsgeschichte der jüdischen Gemeinde Fürth (1945-54).'' In: Julius H. Schoeps (Hg.), Menora, Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte 1998
    
==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
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* [[Camp Finkenschlag]]
 
* [[Fiorda]]
 
* [[Fiorda]]
 
* [[Synagoge]]
 
* [[Synagoge]]
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