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Spiro kam als Sohn einer orthodox jüdischen Familie im polnischen Książ Wielki zur Welt. Seine Kindheit war geprägt von der [[wikipedia:Chassidismus|chassidischen]] Ausprägung des jüdischen Glaubens, die ein Teil des sog. ultraorthodoxen Judentums darstellt. Besonders sein Großvater Mosche Nathan Spiro als auch sein Onkel Samuel Bronstein - beides ebenfalls Rabbiner - schienen David Spiro in seiner religiösen Ausrichtung als Kind und Jugendlicher geprägt zu haben. Nach Abschluss seiner Ausbildung und Studium von Talmud und Thora heiratete Spiro die Tochter Freida des Warschauer Rabbiners Chaim Jehoschua Gutschechter. Im Jahr 1936 erhielt er als jüngstes Mitglied den Ruf zur Mitgliedschaft im Warschauer Rabbinat.  
 
Spiro kam als Sohn einer orthodox jüdischen Familie im polnischen Książ Wielki zur Welt. Seine Kindheit war geprägt von der [[wikipedia:Chassidismus|chassidischen]] Ausprägung des jüdischen Glaubens, die ein Teil des sog. ultraorthodoxen Judentums darstellt. Besonders sein Großvater Mosche Nathan Spiro als auch sein Onkel Samuel Bronstein - beides ebenfalls Rabbiner - schienen David Spiro in seiner religiösen Ausrichtung als Kind und Jugendlicher geprägt zu haben. Nach Abschluss seiner Ausbildung und Studium von Talmud und Thora heiratete Spiro die Tochter Freida des Warschauer Rabbiners Chaim Jehoschua Gutschechter. Im Jahr 1936 erhielt er als jüngstes Mitglied den Ruf zur Mitgliedschaft im Warschauer Rabbinat.  
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====Warschauer Ghetto====
 
In Warschau erlebte er im September 1939 den Überfall auf Polen und den Einmarsch in die polnische Stadt durch die Deutsche Wehrmacht. Während der Zeit der Besetzung wurde Spiro in den sog. Judenrat im Warschauer Ghetto berufen, dem er bis zur Liquidierung des Ghettos im April 1943 angehörte. Mit Menachem Ziemba und Simson Stockhammmer gehörte er zu den letzten drei Rabbinern Warschaus und war der einzige, der den Nazi-Terror überstand.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 239</ref>
 
In Warschau erlebte er im September 1939 den Überfall auf Polen und den Einmarsch in die polnische Stadt durch die Deutsche Wehrmacht. Während der Zeit der Besetzung wurde Spiro in den sog. Judenrat im Warschauer Ghetto berufen, dem er bis zur Liquidierung des Ghettos im April 1943 angehörte. Mit Menachem Ziemba und Simson Stockhammmer gehörte er zu den letzten drei Rabbinern Warschaus und war der einzige, der den Nazi-Terror überstand.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 239</ref>
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====Die Zeit im KZ====
 
Es folgte ein langer Leidensweg zur Zeit des Naziterrors in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter u. a. die KZ Budzyn, Flossenbürg, Hersbruck und Dachau. Im Frühjahr 1945 erkrankte Spiro im KZ Dachau schwer und überlebte die Befreiung nur knapp. Sein Bruder Abraham Spiro, der einzig Überlebende seiner weitläufigen Familie, fand nach eigenen Angaben seinen Bruder mehr tot als lebendig im KZ Dachau. Abraham Spiro konnte frühzeitig emigrieren und durchlief in den 1930er Jahren in einem Stipendium am Jewish Theological Seminary in New York die Rabbinerausbildung. Mit Eintritt der USA in den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] meldete sich Abraham Sprio als freiwilliger zur U.S. Army und versah seinen Dienst als Seelsorger in der U.S. Army (Chaplain) und war Teil der Landung der US-Truppen 1944 in der Normandie.
 
Es folgte ein langer Leidensweg zur Zeit des Naziterrors in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter u. a. die KZ Budzyn, Flossenbürg, Hersbruck und Dachau. Im Frühjahr 1945 erkrankte Spiro im KZ Dachau schwer und überlebte die Befreiung nur knapp. Sein Bruder Abraham Spiro, der einzig Überlebende seiner weitläufigen Familie, fand nach eigenen Angaben seinen Bruder mehr tot als lebendig im KZ Dachau. Abraham Spiro konnte frühzeitig emigrieren und durchlief in den 1930er Jahren in einem Stipendium am Jewish Theological Seminary in New York die Rabbinerausbildung. Mit Eintritt der USA in den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] meldete sich Abraham Sprio als freiwilliger zur U.S. Army und versah seinen Dienst als Seelsorger in der U.S. Army (Chaplain) und war Teil der Landung der US-Truppen 1944 in der Normandie.
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====Neubeginn in Fürth====
 
Da sein Bruder Abraham in der US-Zone in Bayern (Region Nürnberg) stationiert war, beschloss David Spiro seinem Bruder zu folgen. Er hatte während des Naziterrors seine ganze Familie verloren - Frau, Kinder, Eltern und Geschwister - und wollte so zumindest in der Nähe seines Bruders sein. So fand er den Weg nach Fürth, wo er sich ab Anfang Juli in der [[Königswarterstraße]] gemeinsam mit einer anderen jüdischen Familie ein kleines Zimmer teilte.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 233 und 365</ref> Als bekannt wurde, dass der letzte Rabbi Warschaus noch lebte, kamen immer mehr Überlebende nach Fürth und mit dem damals großen Lager der sog. Displaced Persons (DP) - dem [[Camp Finkenschlag]] wuchs die wieder eröffnete ''Kehillah'' von Fürth auf 2000 Menschen.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 234</ref> Schnell avancierte der charismatische Spiro zum spirituellen Führer. Er prägte die Gemeinde wie kein Zweiter. Gemeinsam mit [[Jean Mandel]] wiederbelebte er die jüdische Gemeinde in Fürth unmittelbar nach Kriegsende. Er reaktivierte ein jüdisches Ritualbad in einem Gebäudekeller, dass er zuvor entdeckt hatte - führte die koschere Küche im DP-Lager ein und hielt regelmäßig Gottesdienste und Lehrstunden im ehem. jüdischen Waisenhaus ab. Mit Spiro wurde die jüdische Gemeinde in Fürth ein neues Zentrum für Orthodoxie im Nachkriegsdeutschland und seine Beratung in allen Lebenslagen, insbesondere in der Fragestellung bei Scheidungen und Eheschließungen, war weit über die Stadtgrenze Fürths geschätzt. Insbesondere der fehlende Nachweis eines verstorbenen Ehepartners durch den Nazi-Terror erschwerte die erneute Heirat des Überlebenden im jüdischen Glauben. Spiro galt als umfassender Experte im [[wikipedia:Halacha|halachischen Wissen]], der sog. rechtlichen Überlieferung des Judentums, mit dessen Hilfe schwierige Eheentscheidungen nach dem orthodoxen jüdischen Ritus erneut möglich wurden. Dieses Wissen führte im Sommer 1946 sogar dazu, dass die Rabbinerkonferenz - als Teil des späteren Zentralrates der Juden in Deutschland - Spiro ganz offiziell mit dieser schwierigen Aufgabe betraute.  
 
Da sein Bruder Abraham in der US-Zone in Bayern (Region Nürnberg) stationiert war, beschloss David Spiro seinem Bruder zu folgen. Er hatte während des Naziterrors seine ganze Familie verloren - Frau, Kinder, Eltern und Geschwister - und wollte so zumindest in der Nähe seines Bruders sein. So fand er den Weg nach Fürth, wo er sich ab Anfang Juli in der [[Königswarterstraße]] gemeinsam mit einer anderen jüdischen Familie ein kleines Zimmer teilte.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 233 und 365</ref> Als bekannt wurde, dass der letzte Rabbi Warschaus noch lebte, kamen immer mehr Überlebende nach Fürth und mit dem damals großen Lager der sog. Displaced Persons (DP) - dem [[Camp Finkenschlag]] wuchs die wieder eröffnete ''Kehillah'' von Fürth auf 2000 Menschen.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 234</ref> Schnell avancierte der charismatische Spiro zum spirituellen Führer. Er prägte die Gemeinde wie kein Zweiter. Gemeinsam mit [[Jean Mandel]] wiederbelebte er die jüdische Gemeinde in Fürth unmittelbar nach Kriegsende. Er reaktivierte ein jüdisches Ritualbad in einem Gebäudekeller, dass er zuvor entdeckt hatte - führte die koschere Küche im DP-Lager ein und hielt regelmäßig Gottesdienste und Lehrstunden im ehem. jüdischen Waisenhaus ab. Mit Spiro wurde die jüdische Gemeinde in Fürth ein neues Zentrum für Orthodoxie im Nachkriegsdeutschland und seine Beratung in allen Lebenslagen, insbesondere in der Fragestellung bei Scheidungen und Eheschließungen, war weit über die Stadtgrenze Fürths geschätzt. Insbesondere der fehlende Nachweis eines verstorbenen Ehepartners durch den Nazi-Terror erschwerte die erneute Heirat des Überlebenden im jüdischen Glauben. Spiro galt als umfassender Experte im [[wikipedia:Halacha|halachischen Wissen]], der sog. rechtlichen Überlieferung des Judentums, mit dessen Hilfe schwierige Eheentscheidungen nach dem orthodoxen jüdischen Ritus erneut möglich wurden. Dieses Wissen führte im Sommer 1946 sogar dazu, dass die Rabbinerkonferenz - als Teil des späteren Zentralrates der Juden in Deutschland - Spiro ganz offiziell mit dieser schwierigen Aufgabe betraute.  
  
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