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49 – 15/16�  Altstadtverein Fürth

Unser „Stuhl“ Seit ich mich erinnern kann, steht „der Stuhl“ schon in meinem Elternhaus, der Königstraße 65. Eigentlich passt er gar nicht in dieses bescheidene Bauernhaus, ein ehemaliges Stall- oder Hofgebäude des „Rösslein-Wirtshofes“ aus dem 17. Jahrhundert. Hier ist alles verschachtelt, um- und angebautes Fachwerk, enge steile Treppenaufgänge, niedrige Türen und Decken. Eigentlich ist es ja auch gar kein Stuhl, sondern eher ein „Thron“. Bei einem Besuch im Kloster Andechs und beim Betrachten der Eingangstür der Klosterkirche, deren kunstvolle Schreiner­ arbeit mich stark an unseren „Stuhl“ erinnerte, wurde mir der Wert unseres Schmuckstücks wieder einmal bewusst. So eine kunstvolle, gediegene Holzdrechselarbeit steht in keinem gewöhnlichen Bauern haus, eher in einem Schloss oder einer Kirche. Wo mag er wohl herkommen? Auf Nachfrage bei meiner Mutter stand er schon im ehemaligen Jugendstilhaus an der Herrnstraße, das die Familie Teschner, Mutters „Onkel Peter und Tante Frieda“ bis zum Zweiten Weltkrieg bewohnte. Als sie dieses verlas-

sen mussten, weil Bomben das Haus unbewohnbar machten, zogen sie mit ihren Wertgegenständen in die König­ straße 65.

Der Uhrmachermeister Peter Teschner eröffnete hier sein neues Geschäft, Werkstatt und Wohnhaus.

War die Familie des Uhrmachermeisters so reich, dass so ein Schatz in seinem Haus üblich war? Passten die anderen Schätze dieser reichen Familie nicht in das kleine Häuschen? Waren sie durch Bomben beschädigt? War der Stuhl ein Geschenk oder erworbener Besitz? Onkel Peter und Tante Frieda hatten Kontakte zu jüdischen Freunden und Bekannten, waren gebildet und belesen – kam er aus dem Ausland? Könnte man den Stuhl fragen – bestimmt hätte er einiges zu erzählen. Da er nur durch seine Würde und Größe spricht, bleibt für uns vieles weiterhin im Dunklen. Zumindest bekommt er jetzt ein neues „Innenleben“, denn die Polsterung mit den stabilen Sprungfedern und Leinenbändern hat nun endgültig „ihren Geist aufgegeben“. Neuer Stoff ist nötig – Gobelin, Samt, Goldbrokat? Er hat ziemliche Ansprüche! Vielleicht gibt er jedem, der auf ihm sitzt, etwas von seinem Stolz und seiner Würde. Damit sich in unserem Haus jede/r einmal als „König“ in der Königstraße fühlen darf.

Uschi Steinkugler-Krüger

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