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Im Jahr [[1799]] erschien Weimar ein ''Fabriken und Manufacturen- Adreßlexicon von Teutschland'', in dem auch Fürth ausführlich angeführt wird: Der größte Teil der Einwohner besteht aus Kaufleuten, Künstlern, Manufacturisten und Handwerkern, die Kompositionswaren, Karten, Knöpfe, Lederwaren, Rechenpfennige, Siegellack, Spiegel, Staniol, Tabak usw. herstellen.<ref>Johann Christian Gädicke, Fabricen und Manufacturen-Addreß-Lexicon von Teutschland und einigen angränzenden Ländern, 2. Teil, Weimar 1799, S. 158</ref> Unter Künstlern verstand man damals zum Beispiel folgende Berufe: [[Apotheker]], Chemiker, [[Buchdrucker]], Geometer, Graveur, [[Kupferstecher]], Medailleur, [[Bildhauer]], Steinschneider, Tanzmeister.<ref>[[Johann Gottfried Eger]], Adreßhandbuch, S. 54 f.</ref> Nach diesem Lexikon war die Hauptfabriken führt Spiegelfabrik. Als die weiteren wichtigsten Fürther Gewerbe werden aufgezählt: [[Uhrmacher]], die ausschließlich Taschenuhren produzierten, [[Goldschläger]], Gürtler und Drechsler, die ''alle Arten von metallenen Knöpfen in ungeheurer Menge'' herstellten, Schnallenmacher, Schlosser, die auch ''Coffee und Gewürzmühlen'' fertigten, Sattler und Riemer, Zinngießer, die Zinnfiguren herstellten, Buchbinder, Bortenwirker, Brillenfabrikanten, die auch Ferngläser und Mikroskope machten, sowie Strumpfmanufakturen mit 146 Stühlen. Über Fürths Grenzen hinaus berühmt wurden der Uhrmacher [[Johann Jakob Grosser]] und der Hofmedailleur [[Johann Christian Reich]].
 
Im Jahr [[1799]] erschien Weimar ein ''Fabriken und Manufacturen- Adreßlexicon von Teutschland'', in dem auch Fürth ausführlich angeführt wird: Der größte Teil der Einwohner besteht aus Kaufleuten, Künstlern, Manufacturisten und Handwerkern, die Kompositionswaren, Karten, Knöpfe, Lederwaren, Rechenpfennige, Siegellack, Spiegel, Staniol, Tabak usw. herstellen.<ref>Johann Christian Gädicke, Fabricen und Manufacturen-Addreß-Lexicon von Teutschland und einigen angränzenden Ländern, 2. Teil, Weimar 1799, S. 158</ref> Unter Künstlern verstand man damals zum Beispiel folgende Berufe: [[Apotheker]], Chemiker, [[Buchdrucker]], Geometer, Graveur, [[Kupferstecher]], Medailleur, [[Bildhauer]], Steinschneider, Tanzmeister.<ref>[[Johann Gottfried Eger]], Adreßhandbuch, S. 54 f.</ref> Nach diesem Lexikon war die Hauptfabriken führt Spiegelfabrik. Als die weiteren wichtigsten Fürther Gewerbe werden aufgezählt: [[Uhrmacher]], die ausschließlich Taschenuhren produzierten, [[Goldschläger]], Gürtler und Drechsler, die ''alle Arten von metallenen Knöpfen in ungeheurer Menge'' herstellten, Schnallenmacher, Schlosser, die auch ''Coffee und Gewürzmühlen'' fertigten, Sattler und Riemer, Zinngießer, die Zinnfiguren herstellten, Buchbinder, Bortenwirker, Brillenfabrikanten, die auch Ferngläser und Mikroskope machten, sowie Strumpfmanufakturen mit 146 Stühlen. Über Fürths Grenzen hinaus berühmt wurden der Uhrmacher [[Johann Jakob Grosser]] und der Hofmedailleur [[Johann Christian Reich]].
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Allerdings kam es gegen Ende des 18. Jahrhunderts häufiger zu Überproduktionen. Im Jahr [[1780]] wurde die Situation so beschrieben: ''Wie ist Fürth überhäuft von Handwerksleuten … Wo 20 sein sollten, sind wohl deren 80. So nimmt einer dem anderen seine Nahrung und Brot vom Maul hinweg und trotzdem werden die Gewerbe täglich mehr überhäuft''.<ref>Zitiert nach [[Friedrich Marx]], Gewerbe- und Handelsgeschichte, S.16</ref> Als Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts Europ mit Krieg überzog und nach den Krisenjahren [[1815]] und [[1816]] eine enorme Teuerung einsetzte, brach der Handel ein und der Fürther Wirtschaft, die auf weiträumige Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut war, ging es zunehmend schlechter. In den Quellen ist von ''traurigen Verhältnissen'' die Rede<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 132, Nr. 1, 16.2.1820</ref>, von einer ''Verarmung'', die ''sich auf eine unerhörte Weise vermehrt hat''.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 64 b, Nr. 3, 24.3.1819</ref> Deutlich wird die Lage, wenn man die Liste der besten Steuerzahler in Fürth aus dem Jahr [[1824]] betrachtet. Unter den neun besten befinden sich drei Brauereibesitzer, zwei [[Gastwirt|Gastwirte]], ein Müller, aber nur drei Kaufleute und kein einziger aus dem produzierenden Gewerbe.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 13, Nr. 1</ref> [[1814]] gab es eine weitere Statistik über das Fürther Handwerk in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit. Das Adressbuch von [[1819]] von [[Johann Gottfried Eger]], das 209 Unternehmen auflistet, belegt aber auch das immer noch vorhandene wirtschaftliche Potenzial. Bei den Handwerkern führt er vor allem Drechsler, Gürtler, Goldschläger, Uhrmacher, Bortenmacher und [[Weber]] auf, die aber alle Probleme mit dem Absatz ihrer Produkte hatten.<ref>[[Johann Gottfried Eger]], Adreßhandbuch, S. 68 ff.</ref>
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Allerdings kam es gegen Ende des 18. Jahrhunderts häufiger zu Überproduktionen. Im Jahr [[1780]] wurde die Situation so beschrieben: ''Wie ist Fürth überhäuft von Handwerksleuten … Wo 20 sein sollten, sind wohl deren 80. So nimmt einer dem anderen seine Nahrung und Brot vom Maul hinweg und trotzdem werden die Gewerbe täglich mehr überhäuft''.<ref>Zitiert nach [[Friedrich Marx]], Gewerbe- und Handelsgeschichte, S.16</ref>  
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== Der Wandel im 19. Jahrhundert ==
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Als Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts Europ mit Krieg überzog und nach den Krisenjahren [[1815]] und [[1816]] eine enorme Teuerung einsetzte, brach der Handel ein und der Fürther Wirtschaft, die auf weiträumige Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut war, ging es zunehmend schlechter. In den Quellen ist von ''traurigen Verhältnissen'' die Rede<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 132, Nr. 1, 16.2.1820</ref>, von einer ''Verarmung'', die ''sich auf eine unerhörte Weise vermehrt hat''.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 64 b, Nr. 3, 24.3.1819</ref> Deutlich wird die Lage, wenn man die Liste der besten Steuerzahler in Fürth aus dem Jahr [[1824]] betrachtet. Unter den neun besten befinden sich drei Brauereibesitzer, zwei [[Gastwirt|Gastwirte]], ein Müller, aber nur drei Kaufleute und kein einziger aus dem produzierenden Gewerbe.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 13, Nr. 1</ref> [[1814]] gab es eine weitere Statistik über das Fürther Handwerk in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit. Das Adressbuch von [[1819]] von [[Johann Gottfried Eger]], das 209 Unternehmen auflistet, belegt aber auch das immer noch vorhandene wirtschaftliche Potenzial. Bei den Handwerkern führt er vor allem Drechsler, Gürtler, Goldschläger, Uhrmacher, Bortenmacher und [[Weber]] auf, die aber alle Probleme mit dem Absatz ihrer Produkte hatten.<ref>[[Johann Gottfried Eger]], Adreßhandbuch, S. 68 ff.</ref>
    
Es dauerte nach Friedensschluss und Wiener Kongress noch etliche Jahre, bis eine Besserung eintrat. Positiv wirkte sich aus, dass Fürth im Jahr [[1818]] zur ''[[Stadtrecht|Stadt Erster Klasse]]'' erhoben wurde und eine Selbstverwaltung bekam. Durch Investitionen in Schulgebäude oder in ein neues [[Altes Krankenhaus|Krankenhaus]] wurde auch dem heimischen Handwerk geholfen. Um [[1830]] war die Krise weitgehend überwunden, da die preisgünstigen Fürther Waren jetzt wieder nach ganz Europa exportiert werden konnten.  
 
Es dauerte nach Friedensschluss und Wiener Kongress noch etliche Jahre, bis eine Besserung eintrat. Positiv wirkte sich aus, dass Fürth im Jahr [[1818]] zur ''[[Stadtrecht|Stadt Erster Klasse]]'' erhoben wurde und eine Selbstverwaltung bekam. Durch Investitionen in Schulgebäude oder in ein neues [[Altes Krankenhaus|Krankenhaus]] wurde auch dem heimischen Handwerk geholfen. Um [[1830]] war die Krise weitgehend überwunden, da die preisgünstigen Fürther Waren jetzt wieder nach ganz Europa exportiert werden konnten.  
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Im Jahr [[1838]] fand eine Ausstellung von Fürther Waren statt, die die große Fülle und Verschiedenheit der Produktion zeigte. Unter anderem werden dort viele Handwerksprodukte, wie Horn- und Elfenbeinkämme, Brieftaschen, Blechdosen, Zinnfiguren, Uhren, Pinsel, Nussbaum-Chatoullen (kleine Holzkästchen), Nadelbüchsen, Perlmuttknöpfe, Hornknöpfe, Metallknöpfe, Cigarrendosen, Stahl- und Hornbrillen, künstliche Blumen, Servietten und Tischtücher, chirurgische Instrumente und natürlich alle Arten von Spiegeln, aufgelistet.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 204, Nr. 15</ref> In dieser Zeit der einsetzenden [[Industrialisierung in Fürth|Industrialisierung]] entwickelten sich viele handwerkliche Manufakturen weiter zu Fabriken mit mechanischen Hilfsmitteln und Dampfmaschinen.
 
Im Jahr [[1838]] fand eine Ausstellung von Fürther Waren statt, die die große Fülle und Verschiedenheit der Produktion zeigte. Unter anderem werden dort viele Handwerksprodukte, wie Horn- und Elfenbeinkämme, Brieftaschen, Blechdosen, Zinnfiguren, Uhren, Pinsel, Nussbaum-Chatoullen (kleine Holzkästchen), Nadelbüchsen, Perlmuttknöpfe, Hornknöpfe, Metallknöpfe, Cigarrendosen, Stahl- und Hornbrillen, künstliche Blumen, Servietten und Tischtücher, chirurgische Instrumente und natürlich alle Arten von Spiegeln, aufgelistet.<ref>Stadtarchiv Fürth, Fach 204, Nr. 15</ref> In dieser Zeit der einsetzenden [[Industrialisierung in Fürth|Industrialisierung]] entwickelten sich viele handwerkliche Manufakturen weiter zu Fabriken mit mechanischen Hilfsmitteln und Dampfmaschinen.
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Viele Handwerksbetriebe waren in den Höfen der Innenstadt angesiedelt. Interessant ist aber, dass sich Handwerk auch im damals einzigartigen Siedlungsgebäude, dem [[Langes Haus|Langen Haus]], befand. [[Paul Rieß]] schreibt dazu in seiner Chronik: ''250 Menschen wohnen in einem Haus. Was wir von der Geschichte des Langen Hauses wissen – Eine Wohngemeinschaft, in der alle Berufe vertreten waren''. Verbürgt sind zum Beispiel Büttner- und Seilermeister.
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Das 19. Jahrhundert stand im Zeichen der Veränderung vom Handwerk zur Fabrik. Viele später florierende Unternehmen wurden von Handwerkern gegründet. Man kann sagen, die industrielle Entwicklung wurzelt im Handwerk. Ein Beispiel hierfür ist [[Gerson Löwensohn]], der das Handwerk des Gürtlers erlernt hatte bevor er anschließend noch eine Lehre als [[Kupferstecher]] aufnahm. Seine [[1844]] lizenzierte Kupferdruckerei war der Ausgangspunkt für die spätere [[Bilderbücherfabrik Löwensohn]].<ref>{{BuchQuelle|Geschichte der Juden in Fürth (Buch)}}, S. 184</ref>
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Die Veränderungen brachten viele Handwerksbetriebe aber auch in Schwierigkeiten. [[1881]] wurde beispielsweise am [[Rednitz|Rednitzufer]] der [[Alter Schlachthof|Schlachthof]] fertiggestellt. Die ortsansässigen Metzger sahen darin eine Konkurrenz zu ihrem Handwerk. Dies ein Beispiel, wie neue Erkenntnisse, wie hier die Gesundheits- und Hygieneaspekte, die traditionellen Berufe veränderten.
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Dass die Zeiten zum Ende des 19. Jahhunderts für die sich stark vermehrenden Arbeitskräfte in Fürth sehr schwierig waren, drückt Stadtchronist Fronmüller aus und hofft dabei immer noch auch auf das Handwerk: ''Leider finden sich unter den zahlreichen Stromern auch viele wackere Leute, die gern arbeiten würden, wenn sie Arbeitgeber finden könnten. Hier vermögen nur bessere Zeiten für Handwerk und Fabrik Hilfe zu schaffen.''<ref>[[Fronmüllerchronik]], 1887, S. 487 - 503</ref>
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== Kriegszeiten und Wirtschaftswunder im 20. Jahrhundert ==
 
In der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre litt auch das Fürther Handwerk. [[1928]] arbeiteten ca. 250 Schneidergehilfen, [[1932]] nur noch etwa 50. Die Anzahl der Bäckereien ging um 30 Prozent zurück. Das Baugewerbe bekam keine Aufträge mehr.
 
In der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre litt auch das Fürther Handwerk. [[1928]] arbeiteten ca. 250 Schneidergehilfen, [[1932]] nur noch etwa 50. Die Anzahl der Bäckereien ging um 30 Prozent zurück. Das Baugewerbe bekam keine Aufträge mehr.
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Die Erste Ausstellung im neu geschaffenen [[Stadtmuseum|Heimatmuseum]] [[1938]] widmete dem Fürther Handwerk einen ganzen Raum und zudem noch zwei weitere zu einem der wichtigsten, der [[Metallschläger|Metallschlägerei]]. Das Adressbuch von [[1891]] nennt 180 Betriebe der Feingold- und Metallschlägerei, vorwiegend kleine Betriebe, in denen handwerklich wie im 18. Jahrhundert gearbeitet wurde. Und der gelernte Metallschläger [[Hans Böckler]] vertrat Fürth in vielen Gewerkschaftsorganisationen.
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Viele Handwerker waren auch im Fürther Magistrat oder später im Stadtrat aktiv. Ein Beispiel aus neuerer Zeit ist der Malermeister [[Kurt Strattner]]. Das Handwerk ist auch heute noch in Fürth von größter Bedeutung. Und so nehmen viele Unternehmen die Gelegenheit wahr, jährlich am [[Erntedankfestzug]]  der [[Michaelis-Kirchweih]] teilzunehmen.
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==Literatur==
 
==Literatur==