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=== Deportation und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung === | === Deportation und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung === | ||
Jakob kam direkt nach dem Überfall auf Polen am [[18. Oktober]] [[1939]] nach Toruń und wurde am [[1. November]] [[1939]] zunächst als komm. Statthalter eingesetzt. Hierzu kam eigens der Gauleiter und Freund [[Albert Forster]] nach Thorn. Er übernahm das Amt vom Erfurter Oberbürgermeister Walter Siegfried Kießling, der das Amt kommissarisch seit Anfang September inne hatte.<ref>Archiwum Państwowe w | Jakob kam direkt nach dem Überfall auf Polen am [[18. Oktober]] [[1939]] nach Toruń und wurde am [[1. November]] [[1939]] zunächst als komm. Statthalter eingesetzt. Hierzu kam eigens der Gauleiter und Freund [[Albert Forster]] nach Thorn. Er übernahm das Amt vom Erfurter Oberbürgermeister Walter Siegfried Kießling, der das Amt kommissarisch seit Anfang September inne hatte.<ref>Archiwum Państwowe w Toruńiu, ATME E 14, Rundschreiben an alle Dienststellen, Schreiben undatiert, vermutlich vom Oktober 1939, Blatt 2</ref> Ab dem [[1. April]] [[1940]] übertrug man ihm die Stelle offiziell. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit bestellte er zwei Stadtplaner (Dipl.-Ing. Hans Döllgast und Prof. Gruber) zur Umgestaltung und zum Ausbau der Stadt. Hans Döllgast berichtete im Spruchkammerverfahren gegen Jakob [[1947]] von seinen Tätigkeiten in Toruń: ''Bei allen Einschränkungen infolge der Kriegsverhältnisse wurden fast gleichzeitig ein Reihe technischer und kultureller Vorhaben in Angriff genommen: Der Ausbau der städtischen Gasversorgung, die zweite Weichselbrücke, Wohnungen in übernommenen Rohbauten, Aufforstungen. Unter den kulturellen Aufgaben stand die Rathauserhaltung und –erneuerung oben an. Gleichzeitig Stadttheater und Artushof. Die bauliche Betreuung der drei großen Stadtkirchen wurde weitergeführt, die städtischen Sammlungen geordnet und wesentlich ausgebaut, die Galerie durch Ankäufe erweitert, die Denkmalspflege gründlich ausgeübt, das Gästehaus der Stadt neu errichtet, Friedhof, Krankenhaus und Polytechnische Schule baureif geplant.''<ref>StAN, Spruchkammerakten Jakob Franz Sprk Fü 2 J, Bestätigung Dipl.-Ing. Hans Döllgast vom 25. April 1945</ref> Dass Jakob von der Vertreibung der Juden, dem Abriss der Synagoge, der "Zwangseindeutschung" und den Lagern mit jüdischen Gefangenen vor der Stadt nichts gewusst haben will, ist völlig ausgeschlossen. Stattdessen stellte sich Jakob später in dem Spruchkammerverfahren gegen ihn als "Opfer" dar, der gar gegen das NS-Regime gearbeitete hätte. Nach eigenen Angaben war er bei der polnischen Bevölkerung wegen seiner Loyalität äußerst beliebt, weswegen man ihm den Spitznamen "Jakobsky" gab.<ref>StAN, Spruchkammerakten Jakob Franz Sprk Fü 2 J, Schreiben Bamberger Theater, ab 1. August Leitung: Heinz Denies</ref> | ||
[[Datei:Aufruf zur Volksliste 1942 Forster.jpg|miniatur|links|Aufruf zur "Bewerbung" zur Dt. Volksliste, 1942]] | [[Datei:Aufruf zur Volksliste 1942 Forster.jpg|miniatur|links|Aufruf zur "Bewerbung" zur Dt. Volksliste, 1942]] | ||
Dieser Behauptung stehen folgende Fakten entgegen: | Dieser Behauptung stehen folgende Fakten entgegen: | ||
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[[Datei:Jakob Forster Goebbels 1942.jpg|miniatur|rechts|Die "Volksliste" zur Eindeutschung, unter Leitung von Franz Jakob. Rechts im Bild: Gauleiter Forster und Reichsminister Goebbels, die sich über die Arbeit in der Volksliste persönlich ein Bild machen wollten, Okt. 1942]] | [[Datei:Jakob Forster Goebbels 1942.jpg|miniatur|rechts|Die "Volksliste" zur Eindeutschung, unter Leitung von Franz Jakob. Rechts im Bild: Gauleiter Forster und Reichsminister Goebbels, die sich über die Arbeit in der Volksliste persönlich ein Bild machen wollten, Okt. 1942]] | ||
* Nach der ersten Säuberungswelle folgte die zweite. Alle noch verbliebenen "nicht-arischen Polen" konnten sich bis [[31. März]] [[1942]] zur Aufnahme in die "Deutsche Volksliste" bewerben, zur Klärung der Frage der sog. "Eindeutschung" (siehe Abb. links: Aufruf). Wer sich nicht "bewarb" wurde von vorneherein als "nicht zum Deutschtum gehörend" eingestuft und musste mit seiner Deportation bzw. Ermordung rechnen, da diese "''mit den schlimmsten Feinden des deutschen Volkes''" gleich gestellt wurden. Somit hatten viele Polen nur die Wahl der Flucht, oder einer "Bewerbung" zur Volksliste - mit offenem Ausgang. Eine Kommission hatte die Aufgabe, diese "Bewerber" in vier Kategorien/Listen einzuteilen: 1) Deutsche Reichsbürger und deutsche Staatsbürger, also Bürger, die unzweifelhaft deutscher Abstammung waren oder sich aktiv für das "Deutschtum" eingesetzt hatten (Liste 1 & 2); 2) Deutschstämmige, die zwar einer "Polnisierung erlegen" waren, sich jedoch nicht "antideutsch" verhielten - z. B. bei Mischehen (Liste 3); 3) sog. Schutzangehörige mit beschränkten Rechten, also fremde Volkszugehörige (Liste 4). Vorsitzender dieser Kommission war der Oberbürgermeister Franz Jakob, der mit der Verwaltung diese Aufgabe übernahm. Während die Zuteilung zu "Liste 1 & 2" relativ unproblematisch umsetzbar war und die Zuordnung zur "Liste 4" keine Relevanz hatte, war die Zuordnung zur "Liste 3" ungleich schwieriger und problembehaftet, da häufig subjektive Einschätzungen der Kommission über "Leben oder Tod" eine Rolle spielten (Wann ist ein "Deutscher" ein "Deutscher" und welche Nachweise muss er hierzu erbringen?). Wer als "Bewerber" für die Deutsche Volksliste nicht ins Schema passte wurde "''aus dem Reichsgau entfernt, sei es durch Deportation, Einweisung in ein Konzentrationslager oder durch Exekution''".<ref>Dieter Schenk: Danzig 1930 - 1945. Das Ende einer freien Stadt. Ch. Links Verlag GmbH 2013, 149 ff.</ref> | * Nach der ersten Säuberungswelle folgte die zweite. Alle noch verbliebenen "nicht-arischen Polen" konnten sich bis [[31. März]] [[1942]] zur Aufnahme in die "Deutsche Volksliste" bewerben, zur Klärung der Frage der sog. "Eindeutschung" (siehe Abb. links: Aufruf). Wer sich nicht "bewarb" wurde von vorneherein als "nicht zum Deutschtum gehörend" eingestuft und musste mit seiner Deportation bzw. Ermordung rechnen, da diese "''mit den schlimmsten Feinden des deutschen Volkes''" gleich gestellt wurden. Somit hatten viele Polen nur die Wahl der Flucht, oder einer "Bewerbung" zur Volksliste - mit offenem Ausgang. Eine Kommission hatte die Aufgabe, diese "Bewerber" in vier Kategorien/Listen einzuteilen: 1) Deutsche Reichsbürger und deutsche Staatsbürger, also Bürger, die unzweifelhaft deutscher Abstammung waren oder sich aktiv für das "Deutschtum" eingesetzt hatten (Liste 1 & 2); 2) Deutschstämmige, die zwar einer "Polnisierung erlegen" waren, sich jedoch nicht "antideutsch" verhielten - z. B. bei Mischehen (Liste 3); 3) sog. Schutzangehörige mit beschränkten Rechten, also fremde Volkszugehörige (Liste 4). Vorsitzender dieser Kommission war der Oberbürgermeister Franz Jakob, der mit der Verwaltung diese Aufgabe übernahm. Während die Zuteilung zu "Liste 1 & 2" relativ unproblematisch umsetzbar war und die Zuordnung zur "Liste 4" keine Relevanz hatte, war die Zuordnung zur "Liste 3" ungleich schwieriger und problembehaftet, da häufig subjektive Einschätzungen der Kommission über "Leben oder Tod" eine Rolle spielten (Wann ist ein "Deutscher" ein "Deutscher" und welche Nachweise muss er hierzu erbringen?). Wer als "Bewerber" für die Deutsche Volksliste nicht ins Schema passte wurde "''aus dem Reichsgau entfernt, sei es durch Deportation, Einweisung in ein Konzentrationslager oder durch Exekution''".<ref>Dieter Schenk: Danzig 1930 - 1945. Das Ende einer freien Stadt. Ch. Links Verlag GmbH 2013, 149 ff.</ref> | ||
* Während der Besatzung bestand unmittelbar vor der Stadt ein Kriegsgefangenlager (Stalag XX A) auf dem Gebiet einer ehem. Festung. Während des 2. Weltkrieges wurden vor der Stadt Thorn ca. 60.000 Kriegsgefangene verschiedenster Nationalitäten interniert, wovon wiederum ca. 14.000 Gefangene ihren Aufenthalt mit dem Tod bezahlten. Diese Gefangenen, überwiegend Angehörige der Roten Armee, wurden in Massengräbern verscharrt.<ref>Homepage Deutsch-Polnisches Jugendwerk - Podgórze und Glinki - Kriegsgefangenenlager in | * Während der Besatzung bestand unmittelbar vor der Stadt ein Kriegsgefangenlager (Stalag XX A) auf dem Gebiet einer ehem. Festung. Während des 2. Weltkrieges wurden vor der Stadt Thorn ca. 60.000 Kriegsgefangene verschiedenster Nationalitäten interniert, wovon wiederum ca. 14.000 Gefangene ihren Aufenthalt mit dem Tod bezahlten. Diese Gefangenen, überwiegend Angehörige der Roten Armee, wurden in Massengräbern verscharrt.<ref>Homepage Deutsch-Polnisches Jugendwerk - Podgórze und Glinki - Kriegsgefangenenlager in Toruń. Online abgerufen 21. Juli 2015 | 22:19 Uhr - [http://www.erinnerungsorte.org/suchen/mpc/Memorial/mpa/show/mp-place/podgorze-i-glinki-obozy-jenieckie-torun-wielka-nieszawka/ online abrufbar]</ref> | ||
Somit steht aus aktueller Betrachtung fest, dass Franz Jakob, der ab Ende Oktober [[1939]] in Thorn abkommandiert war, zumindest von den laufenden Hinrichtungen der polnischen Bevölkerung vor der Stadt Kenntnis haben musste. Allerdings lässt sich aktuell keine persönliche Beteiligung Jakobs nachweisen. Zumindest in der zweiten Säuberungswelle lässt sich eine persönliche Beteiligung nachweisen, da Jakob aktiv als Kommissionsleiter unmittelbar über das Schicksal der polnischen Bevölkerung mitentschied. Auch die Existenz eines Kriegsgefangenenlagers direkt vor der Stadt mit 15.000 toten Soldaten in Massengräbern lässt sich schwer leugnen. Die Aussagen, dass Jakob von der Existenz von KZs während der Kriegszeit keine Kenntnis hatte und er sich eher im Widerstand zur nationalsozialistischen Idee befand, sind zumindest aus heutiger Sicht widerlegt. | Somit steht aus aktueller Betrachtung fest, dass Franz Jakob, der ab Ende Oktober [[1939]] in Thorn abkommandiert war, zumindest von den laufenden Hinrichtungen der polnischen Bevölkerung vor der Stadt Kenntnis haben musste. Allerdings lässt sich aktuell keine persönliche Beteiligung Jakobs nachweisen. Zumindest in der zweiten Säuberungswelle lässt sich eine persönliche Beteiligung nachweisen, da Jakob aktiv als Kommissionsleiter unmittelbar über das Schicksal der polnischen Bevölkerung mitentschied. Auch die Existenz eines Kriegsgefangenenlagers direkt vor der Stadt mit 15.000 toten Soldaten in Massengräbern lässt sich schwer leugnen. Die Aussagen, dass Jakob von der Existenz von KZs während der Kriegszeit keine Kenntnis hatte und er sich eher im Widerstand zur nationalsozialistischen Idee befand, sind zumindest aus heutiger Sicht widerlegt. |