Straßenbenennungen im Nationalsozialismus: Unterschied zwischen den Versionen
(→Tabelle: Umbenennung +1) |
K (Sprachliche Glättung und Ergänzung hinsichtlich des Fundstückes des Monats) |
||
Zeile 4: | Zeile 4: | ||
==Überblick== | ==Überblick== | ||
[[Datei:Leo Schlageter Platz A3440.jpg|mini|150px|right|Schreiben zur Benennung des Schlageterplatzes 1933]] | [[Datei:Leo Schlageter Platz A3440.jpg|mini|150px|right|Schreiben zur Benennung des Schlageterplatzes 1933]] | ||
Während der Zeit des | Während der Zeit des [[Nationalsozialismus]] wurden in Fürth zahlreiche Straßen um- bzw. neu benannt. Hintergrund war u.a. stets die Tilgung aus NS-Sicht missliebiger [[Fiorda|jüdischer]], [[SPD|sozialdemokratischer]] und anderer Personen. Diese Namen sollten aus dem Stadtbild verschwinden und gleichzeitig durch eine Neubenennung die eigene Ideologie und Vorherrschaft gefestigt werden. Dabei wurden die Namen stets von der Parteiführung vorgegeben, die gleichgeschalteten Ratsmitglieder hatten hierbei keinerlei Mitentscheidungsrecht, sondern mussten die Beschlüsse nur noch abnicken. Die ersten Namensänderungen erfolgten bereits am [[21. März]] [[1933]], dem NS-Nationalfeiertag - auch genannt der "[[wikipedia:Tag von Potsdam|Tag von Potsdam]]". Hier wurden u. a. die [[Königswarterstraße]] ([[Adolf-Hitler-Straße]]), [[Friedrich-Ebert-Straße]] (Julius-Streicher- Straße), [[Stresemannplatz]] (Horst-Wessel-Platz) und ein Teilbereich vor dem alten [[Ludwigsbahnhof]] (Schlageterplatz) umbenannt; zahlreiche weitere folgten bis zum Jahr 1939, z.B. Herrmann-Göring-Straße (Vacher-Straße), Hermann-Esser-Straße (Jakob-Henle-Straße) oder Albert-Forster-Straße (Feldstraße). | ||
Die ersten Namensänderungen erfolgten bereits am [[21. März]] [[1933]], dem Nationalfeiertag - auch genannt der " | |||
== Rückbenennung nach dem 2. Weltkrieg == | |||
Die meisten Umbenennungen wurden direkt nach Kriegsende im Mai 1945 beseitigt, in dem die alten Straßennamen von vor der Umbenennung wieder übernommen wurden. Einige jedoch blieben, da der Zusammenhang zum NS-Regime nicht direkt ersichtlich war oder die Namensgebung als politisch unproblematisch angesehen wurde (z.B. Hardsteg - ehem. Königswartersteg). Hierzu zählen insbesondere Straßennamen mit Städten aus den ehem. besetzten Ostgebieten wie z.B. Insterburger-, Lyker- oder Rossittener Straße. Ein Sonderfall ist die Ritter-von- Aldebert-Straße, die sich bis 1945 noch in der Südstadt befand und im Mai 1945 in Dr.-Frank-Straße umbenannt wurde. 1963 entschied der Stadtrat erneut den Straßennamen zu verwenden, nach einem Soldaten aus dem 1. Weltkrieg.<ref> Stadtratsakte Straßenbenennungen, 4. Band, Stadtarchiv Fürth (6/202), Recherche Peter Frank (Fürth), September 2007 - 2012</ref> Dieses Mal wurde der Name auf der Hardhöhe verwendet. Die Wiederbenennung wird bis heute noch kontrovers diskutiert. Ein weiterer Sonderfall ist die Umbenennung der Schwammberger-Straße 2018 nach Bella-Rosenkranz-Straße - als durch neuere Recherchen die NS-Vergangenheit des Historikers bekannt wurde. | |||
== Adolf-Hitler-Straße - Fund 2022 == | |||
Fast alle Städte und Gemeinden im Deutschen Reich benannten kurz nach der Machtergreifung Straßen nach Adolf Hitler. In Fürth wurde die ehem. [[Königswarterstraße]] - die zu diesem Zeitpunkt noch bis zur [[Friedrichstraße]] reichte - nach Hitler benannt. Nach Kriegsende wurden die Straßenschilder meist hastig entfernt oder durch alliierte Soldaten abmontiert bzw. zerstört. 2022 wurde bei Bauarbeiten in der Nähe der Fürther Freiheit im Erdreich zufällig eines der damaligen Straßenschilder wiederentdeckt. FürthWiki zeigt es für kurze Zeit im September 2022 als [[FürthWiki-Laden/Fundstück des Monats|Fundstück des Monats]], ehe es dauerhaft als Exponat an das Stadtmuseum ging. | |||
==Tabelle== | ==Tabelle== | ||
Die nachfolgende Tabelle soll einen Überblick über die zahlreichen Um- bzw. Neubenennungen geben, sie erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Hintergründe zu den einzelnen Namen sind im entsprechenden Straßenartikel zu finden. | Die nachfolgende Tabelle soll einen Überblick über die zahlreichen Um- bzw. Neubenennungen geben, sie erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Hintergründe zu den einzelnen Namen sind im entsprechenden Straßenartikel zu finden. |
Version vom 7. September 2022, 22:12 Uhr
Überblick
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden in Fürth zahlreiche Straßen um- bzw. neu benannt. Hintergrund war u.a. stets die Tilgung aus NS-Sicht missliebiger jüdischer, sozialdemokratischer und anderer Personen. Diese Namen sollten aus dem Stadtbild verschwinden und gleichzeitig durch eine Neubenennung die eigene Ideologie und Vorherrschaft gefestigt werden. Dabei wurden die Namen stets von der Parteiführung vorgegeben, die gleichgeschalteten Ratsmitglieder hatten hierbei keinerlei Mitentscheidungsrecht, sondern mussten die Beschlüsse nur noch abnicken. Die ersten Namensänderungen erfolgten bereits am 21. März 1933, dem NS-Nationalfeiertag - auch genannt der "Tag von Potsdam". Hier wurden u. a. die Königswarterstraße (Adolf-Hitler-Straße), Friedrich-Ebert-Straße (Julius-Streicher- Straße), Stresemannplatz (Horst-Wessel-Platz) und ein Teilbereich vor dem alten Ludwigsbahnhof (Schlageterplatz) umbenannt; zahlreiche weitere folgten bis zum Jahr 1939, z.B. Herrmann-Göring-Straße (Vacher-Straße), Hermann-Esser-Straße (Jakob-Henle-Straße) oder Albert-Forster-Straße (Feldstraße).
Rückbenennung nach dem 2. Weltkrieg
Die meisten Umbenennungen wurden direkt nach Kriegsende im Mai 1945 beseitigt, in dem die alten Straßennamen von vor der Umbenennung wieder übernommen wurden. Einige jedoch blieben, da der Zusammenhang zum NS-Regime nicht direkt ersichtlich war oder die Namensgebung als politisch unproblematisch angesehen wurde (z.B. Hardsteg - ehem. Königswartersteg). Hierzu zählen insbesondere Straßennamen mit Städten aus den ehem. besetzten Ostgebieten wie z.B. Insterburger-, Lyker- oder Rossittener Straße. Ein Sonderfall ist die Ritter-von- Aldebert-Straße, die sich bis 1945 noch in der Südstadt befand und im Mai 1945 in Dr.-Frank-Straße umbenannt wurde. 1963 entschied der Stadtrat erneut den Straßennamen zu verwenden, nach einem Soldaten aus dem 1. Weltkrieg.[1] Dieses Mal wurde der Name auf der Hardhöhe verwendet. Die Wiederbenennung wird bis heute noch kontrovers diskutiert. Ein weiterer Sonderfall ist die Umbenennung der Schwammberger-Straße 2018 nach Bella-Rosenkranz-Straße - als durch neuere Recherchen die NS-Vergangenheit des Historikers bekannt wurde.
Adolf-Hitler-Straße - Fund 2022
Fast alle Städte und Gemeinden im Deutschen Reich benannten kurz nach der Machtergreifung Straßen nach Adolf Hitler. In Fürth wurde die ehem. Königswarterstraße - die zu diesem Zeitpunkt noch bis zur Friedrichstraße reichte - nach Hitler benannt. Nach Kriegsende wurden die Straßenschilder meist hastig entfernt oder durch alliierte Soldaten abmontiert bzw. zerstört. 2022 wurde bei Bauarbeiten in der Nähe der Fürther Freiheit im Erdreich zufällig eines der damaligen Straßenschilder wiederentdeckt. FürthWiki zeigt es für kurze Zeit im September 2022 als Fundstück des Monats, ehe es dauerhaft als Exponat an das Stadtmuseum ging.
Tabelle
Die nachfolgende Tabelle soll einen Überblick über die zahlreichen Um- bzw. Neubenennungen geben, sie erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Hintergründe zu den einzelnen Namen sind im entsprechenden Straßenartikel zu finden.
Straßenbezeichnung vor 1933 | Um- bzw. Neubenennung während der NS-Zeit (alphabetisch) | Um- bzw. Rückbenennung in der Nachkriegszeit |
---|---|---|
Königswarterstraße | Adolf-Hitler-Straße (März 1933) | Königswarterstraße (Mai 1945) |
Feldstraße | Albert-Forster-Straße (Juni 1933) | Feldstraße (Mai 1945) |
Berolzheimerstraße | Altringerstraße (Mai 1935) | Berolzheimerstraße (Mai 1945) |
Bambergerstraße | Am Prater | -- (heute aufgelöst) |
-- | Bapaumestraße (Februar 1939) | Bürkleinstraße (Oktober 1946) |
Dr.-Mack-Straße | Birkenstraße (Mai 1935) | Dr.-Mack-Straße (Mai 1945) |
-- | Dessauer Straße (Juni 1935) | Roseggerstraße (Juni 1949) |
-- | Dietrich-Eckart-Straße (August 1935) | Föhrenstraße (Mai 1945) |
-- | Eupener Straße (März 1934) | Storchenstraße (Juni 1949) |
In der Lache (nördl. Teil) | Falklandstraße (April 1934) | Hamburger Straße (Juni 1949) |
-- | Franz-Seldte-Straße (März 1934) | Sperlingstraße (Mai 1945) |
-- | Gustloffstraße (Juni 1936) | Dr.-Wild-Straße (Mai 1945) |
Königswartersteg | Hardsteg (März 1933?) | -- |
Vacher Straße, bzw. Flughafenstraße | Hermann-Göring-Straße (Juni 1933) | Flughafenstraße (Mai 1945), (heute: Vacher Straße) |
Benno-Mayer-Straße | Herbert-Norkus-Straße (August 1935) | Benno-Mayer-Straße (Mai 1945) |
Jakob-Henle-Straße | Hermann-Esser-Straße (Juni 1933) | Jakob-Henle-Straße (Mai 1945) |
Stresemannplatz | Horst-Wessel-Platz (März 1933) | Stresemannplatz (Mai 1945) |
-- | Insterburger Straße (1934) | -- |
Friedrich-Ebert-Straße | Julius-Streicher-Straße (März 1933) | Friedrich-Ebert-Straße (Mai 1945) |
Benditstraße | Laforcestraße (Mai 1935) | Benditstraße (Mai 1945) |
Sigmund-Nathan-Straße | Lange Straße (Mai 1935) | Sigmund-Nathan-Straße (Mai 1945) |
-- | Langfuhrer Straße (Oktober 1934) | Stettiner Straße (Juni 1949) |
Landmannstraße | Liststraße (Mai 1935) | Landmannstraße (Mai 1945) |
In der Lache (südl. Teil) | Lycker Straße (1937) | -- |
-- | Mottlaustraße (1934) | -- |
Berlinstraße | Neubauerstraße (Mai 1935) | Berlinstraße (Mai 1945) |
-- | Olivaer Straße (1934) | -- |
-- | Pillauer Straße (1934) | -- |
-- | Ritter-von-Aldebert-Straße (Februar 1939) | Dr.-Frank-Straße (Okober 1946) |
-- | Rossittener Straße (1937) | -- |
Fabrikstraße bzw. Neumannstraße | Schemmstraße (Mai 1935) | Neumannstraße (Mai 1945) |
-- | Schlageterplatz (21. März 1933) | Hindenburgplatz (Mai 1945), bzw. Fürther Freiheit (April 1946) |
-- | Schwarzmannstraße (1936) | -- |
-- | Seydlitzstraße (Juni 1935) | Ludwig-Thoma-Straße (Juni 1949) |
-- | Skagerrakstraße (April 1934) | Kieler Straße (Juni 1949) |
-- | Tilsiter Straße (1934) | -- |
Pickertstraße | Vollmerstraße (Juli 1939) | Pickertstraße (Mai 1945) |
-- | Wehlauer Straße (1937) | -- |
Flughafenstraße (nördl. Teil) | Weverstraße (Juni 1936) | Atzenhofer Straße (Oktober 1946) |
Bachstraße | Ziethenstraße (Mai 1935) | Bachstraße (Mai 1945) |
-- | Zoppoter Straße (1934) | -- |
Literatur
- Peter Frank: Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Fürther Bürger in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2012, S. 79 - 92
Lokalberichterstattung
- Bernd Noack: Fürths Straßennamen im Wandel. In: Fürther Nachrichten vom 03. Juni 2013 - online abrufbar
Siehe auch
- Opfer des Nationalsozialismus
- Fürther Opfer der Shoah
- Straßennamen auf der Hardhöhe
- Straßenbenennung
- Karl Aldebert
Einzelnachweise
- ↑ Stadtratsakte Straßenbenennungen, 4. Band, Stadtarchiv Fürth (6/202), Recherche Peter Frank (Fürth), September 2007 - 2012
- ↑ Stadtratsakte Straßenbenennungen, 4. Band, Stadtarchiv Fürth (6/202), Recherche Peter Frank (Fürth), September 2007 - 2012 und "Kochs Straßenverzeichnis 1936/37" sowie div. Stadtpläne, Recherche Doc Bendit 2011 - 2012
Bilder
Historischer Briefkopf des "Neuen Krankenhauses" von 1934. Die NS-Straßenumbenennung tritt hier bereits in Erscheinung.