Reichspogromnacht in Fürth: Unterschied zwischen den Versionen

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Mit der zynischen Umschreibung ''[[Wikipedia:Novemberpogrome 1938|Reichskristallnacht]]'' verharmlosten die Nationalsozialisten ihr zerstörerisches Werk und die Untaten jener Nacht im November 1938. In ihrer Propagandamaschinerie machten sie den lange aufgestauten Volkszorn verantwortlich, es handelte sich aber um einen gezielt geplanten Schlag. In dieser Nacht wurde die Hauptsynagoge komplett zerstört. Die ausgebrannte Ruine wurde danach abgerissen. Durch Vernichtung und Neubebauung erinnert heute an den '''Schulhof''' nur noch ein [[Synagogendenkmal|Denkmal]] in der [[Geleitsgasse]], von [[Kunihiko Kato]], aus dem Jahr [[1986]].
Mit der zynischen Umschreibung ''[[Wikipedia:Novemberpogrome 1938|Reichskristallnacht]]'' verharmlosten die Nationalsozialisten ihr zerstörerisches Werk und die Untaten jener Nacht im November 1938. In ihrer Propagandamaschinerie machten sie den lange aufgestauten Volkszorn verantwortlich, es handelte sich aber um einen gezielt geplanten Schlag. In dieser Nacht wurde die Hauptsynagoge komplett zerstört. Die ausgebrannte Ruine wurde danach abgerissen. Durch Vernichtung und Neubebauung erinnert heute an den '''Schulhof''' nur noch ein [[Synagogendenkmal|Denkmal]] in der [[Geleitsgasse]], von [[Kunihiko Kato]], aus dem Jahr [[1986]].


== Zeitzeugenberichte ==
====[[Paul Rieß]]====
Bei dem Fürther Stadtchronisten Paul Rieß findet sich zum [[10. November]] [[1938]] der Eintrag: "'' ... In vergangener Nacht sind viele jüdische Läden demoliert worden. Im jüdischen Schulhof an der Königsstraße wurde die [[Altschul|Synagoge]] in Brand gesteckt, desgleichen die [[Neuschul|Kaalschule]], die [[Schulhof 4|Scharr]], der [[Mohrenstraße 7 (ehemals)|alte Betsaal an der Mohrenstraße]]. Sämtliche Gebäude brannten völlig aus. Die Feuerwehr war mittags mit dem Ablöschen der Trümmerhaufen beschäftigt. Sämtliche jüdische Verkaufsläden sind heute geschlossen. ... An den demolierten Verkaufsläden ... ist mit Kreide angeschrieben: "Rache für Paris!" Mehrere hochstehende Juden wurden festgenommen. ... Vor dem Eingangstore zum Synagogenhof in der Königs- und Mohrenstraße standen den ganzen Tag über viele Zuschauer. In der heutigen Nacht und morgens wurden bei vielen Juden durch SA-Leute Haussuchungen vorgenommen. Wo Widerstand geleistet oder nicht geöffnet wurde, ist demolierend vorgegangen worden. Viele Juden wurden in Schutzhaft genommen und tagsüber im [[Berolzheimerianum|Volksbildungsheim]] untergebracht. Abends wurden sie in drei großen Autobussen fortgefahren. ...”


Bei dem Fürther Stadtchronisten [[Paul Rieß]] findet sich zum [[10. November]] [[1938]] der Eintrag: "'' ... In vergangener Nacht sind viele jüdische Läden demoliert worden. Im jüdischen Schulhof an der Königsstraße wurde die [[Altschul|Synagoge]] in Brand gesteckt, desgleichen die [[Neuschul|Kaalschule]], die [[Schulhof 4|Scharr]], der [[Mohrenstraße 7 (ehemals)|alte Betsaal an der Mohrenstraße]]. Sämtliche Gebäude brannten völlig aus. Die Feuerwehr war mittags mit dem Ablöschen der Trümmerhaufen beschäftigt. Sämtliche jüdische Verkaufsläden sind heute geschlossen. ... An den demolierten Verkaufsläden ... ist mit Kreide angeschrieben: "Rache für Paris!" Mehrere hochstehende Juden wurden festgenommen. ... Vor dem Eingangstore zum Synagogenhof in der Königs- und Mohrenstraße standen den ganzen Tag über viele Zuschauer. In der heutigen Nacht und morgens wurden bei vielen Juden durch SA-Leute Haussuchungen vorgenommen. Wo Widerstand geleistet oder nicht geöffnet wurde, ist demolierend vorgegangen worden. Viele Juden wurden in Schutzhaft genommen und tagsüber im [[Berolzheimerianum|Volksbildungsheim]] untergebracht. Abends wurden sie in drei großen Autobussen fortgefahren. ...”
====[[Daniel Lotter]]====
 
Bei Daniel Lotters Tagebuchaufzeichnungen findet sich am [[10. November]] [[1938]]:
Bei Daniel Lotters Tagebuchaufzeichnungen findet sich am [[10. November]] [[1938]]:
"''Sämtliche Auslagen der jüdischen Geschäfte waren im Laufe der Nacht von Gruppen uniformierter SA-Leute eingeschlagen worden. Die Gegenstände in den Auslagen und den Lagern waren wüst durcheinandergeworfen. Es war ein Bild des Grauens. Sämtliche Juden, gleich welchen A>lters und Geschlechts, waren früh um 3 h aus den Betten geholt und auf den Schlageterplatz ''(heute [[Fürther Freiheit]])'' zusammengetrieben worden. Selbst 70jährige Frauen und kleine Kinder, darunter Zwillinge von einem Jahr, wurden nicht verschont. Der Rabbiner [[Siegfried Behrens|Dr. Behrens]] wurde gesondert bewacht. Kinder schämten sich nicht, denselben anzuspeien. Auch angesehene Männer und Frauen, wie der allseitig geachtete Krankenhausdirektor [[Jakob Frank|Dr. Frank]] - um wenigstens einen Namen zu nennen - erfuhren keine bessere Behandlung. Das Publikum verhielt sich. soweit man hört, im Allgemeinen zurückhaltend. Nur fanatische Weibspersonen ließen sich zu schmählichen Rohheitsäußerungen hinreißen. Einige FRauen, die sich über die Behandlung wehrloser Menschen entrüsteten, wurden verhaftet. Später führte man die Zusammengetriebenen ins [[Berolzheimerianum]] - eine jüdische Stiftung - wo anscheinend der größere Teil wieder entlassen wurde. Ein Teil wurde inhaftiert, andere - darunter Rechtsanwalt [[Leo Stahl|Dr. Stahl]] - kamen nach Dachau.''"
"''Sämtliche Auslagen der jüdischen Geschäfte waren im Laufe der Nacht von Gruppen uniformierter SA-Leute eingeschlagen worden. Die Gegenstände in den Auslagen und den Lagern waren wüst durcheinandergeworfen. Es war ein Bild des Grauens. Sämtliche Juden, gleich welchen A>lters und Geschlechts, waren früh um 3 h aus den Betten geholt und auf den Schlageterplatz ''(heute [[Fürther Freiheit]])'' zusammengetrieben worden. Selbst 70jährige Frauen und kleine Kinder, darunter Zwillinge von einem Jahr, wurden nicht verschont. Der Rabbiner [[Siegfried Behrens|Dr. Behrens]] wurde gesondert bewacht. Kinder schämten sich nicht, denselben anzuspeien. Auch angesehene Männer und Frauen, wie der allseitig geachtete Krankenhausdirektor [[Jakob Frank|Dr. Frank]] - um wenigstens einen Namen zu nennen - erfuhren keine bessere Behandlung. Das Publikum verhielt sich. soweit man hört, im Allgemeinen zurückhaltend. Nur fanatische Weibspersonen ließen sich zu schmählichen Rohheitsäußerungen hinreißen. Einige FRauen, die sich über die Behandlung wehrloser Menschen entrüsteten, wurden verhaftet. Später führte man die Zusammengetriebenen ins [[Berolzheimerianum]] - eine jüdische Stiftung - wo anscheinend der größere Teil wieder entlassen wurde. Ein Teil wurde inhaftiert, andere - darunter Rechtsanwalt [[Leo Stahl|Dr. Stahl]] - kamen nach Dachau.''"
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Lotter ergänzte am [[12. November]] [[1938]]: "''Heute wird bekannt, daß die Stadt Fürth das Eigentum der Kultusgemeinde, den Schulhof mit Gebäuden, den alten jüdischen Friedhof und das Waisenhaus um 100,-- Mark erworben habe. Also zur Brandstiftung noch offenkundiger Raub, dem man in schamloser Weise einlegales Mäntelchen umhängt.''"
Lotter ergänzte am [[12. November]] [[1938]]: "''Heute wird bekannt, daß die Stadt Fürth das Eigentum der Kultusgemeinde, den Schulhof mit Gebäuden, den alten jüdischen Friedhof und das Waisenhaus um 100,-- Mark erworben habe. Also zur Brandstiftung noch offenkundiger Raub, dem man in schamloser Weise einlegales Mäntelchen umhängt.''"


== Zeitzeugenberichte ==
====Willi Adelhardt====
Herr Willi Adelhardt zum Synagogenbrand am 9. November 1938:
 
''Als damals 10-jähriger bin bis zum [[Goldener Schwan|Goldenen Schwan]] gelaufen, als es hieß, dass es in der Altstadt brenne. Das Areal südlich der Königstraße war abgesperrt. Am [[Löwenplatz]] sah ich, wie aus der Bäckerei eines jüdischen Inhabers Brot und Semmeln auf die Straße geworfen wurden. Fenster waren und wurden eingeworfen. Ich konnte nicht begreifen, warum mit den jüdischen Bürgern derart umgegangen wurde. Und dass selbst Grabsteine im jüdischen Friedhof umgeworfen wurden. Ich selbst hatte nur die besten Erfahrungen, so mit dem Kinderarzt Dr. Hollerbusch. Dieser wohnte in der [[Königstraße]] beim Judengässla und hat mich behandelt.''<ref>Zeitzeugenbericht, [[FürthWiki:Über FürthWiki#Archiv FürthWiki|Archiv FürthWiki]], Aktennr. '22'</ref>
''Als damals 10-jähriger bin bis zum [[Goldener Schwan|Goldenen Schwan]] gelaufen, als es hieß, dass es in der Altstadt brenne. Das Areal südlich der Königstraße war abgesperrt. Am [[Löwenplatz]] sah ich, wie aus der Bäckerei eines jüdischen Inhabers Brot und Semmeln auf die Straße geworfen wurden. Fenster waren und wurden eingeworfen. Ich konnte nicht begreifen, warum mit den jüdischen Bürgern derart umgegangen wurde. Und dass selbst Grabsteine im jüdischen Friedhof umgeworfen wurden. Ich selbst hatte nur die besten Erfahrungen, so mit dem Kinderarzt Dr. Hollerbusch. Dieser wohnte in der [[Königstraße]] beim Judengässla und hat mich behandelt.''<ref>Zeitzeugenbericht, [[FürthWiki:Über FürthWiki#Archiv FürthWiki|Archiv FürthWiki]], Aktennr. '22'</ref>


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