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[[Datei:Festtagsseite Poppenreuth.jpg|400px| | [[Datei:Festtagsseite Poppenreuth.jpg|400px|mini|right|Festtagsseite des Poppenreuther Altares]] | ||
==Geschichte und Beschreibung== | ==Geschichte und Beschreibung<ref>Ausführungen nach Christian Schmidt-Scheer: „Neue Erkenntnisse am Poppenreuther Hochaltar“ in: „nota bene (NB) - überliefernswerte Mitteilungen, Randbemerkungen, Notizen und Skizzen aus St.Peter und Paul Poppenreuth“, 2016, S. 42 - 57</ref>== | ||
In vielen Beschreibungen des [[Poppenreuth]]er Altares in der [[Kirche St. Peter und Paul]] findet sich als Erklärung der Figuren des Mittelschreines in der sogenannten Festtagsseite die Evangelisten Markus, Johannes und Matthäus. Diese willkürliche Evangelistenauswahl geht auf Paulus Ewald zurück, der dies in seiner „[[Geschichte der Pfarrei Poppenreuth]]" <ref>„Geschichte der Pfarrei Poppenreuth - von den ältesten Zeiten bis jetzt”, Nürnberg 1831, Seite 70</ref> den Lesern anbietet. Die Mittelfigur wird wegen des Kelchattributs als St. Johannes erklärt. Weit schwieriger ist die Bestimmung der beiden äußeren Personen in diesem Mittelschrein. | In vielen Beschreibungen des [[Poppenreuth]]er Altares in der [[Kirche St. Peter und Paul]] findet sich als Erklärung der Figuren des Mittelschreines in der sogenannten Festtagsseite die Evangelisten Markus, Johannes und Matthäus. Diese willkürliche Evangelistenauswahl geht auf Paulus Ewald zurück, der dies in seiner „[[Geschichte der Pfarrei Poppenreuth]]" <ref>„Geschichte der Pfarrei Poppenreuth - von den ältesten Zeiten bis jetzt”, Nürnberg 1831, Seite 70</ref> den Lesern anbietet. Die Mittelfigur wird wegen des Kelchattributs als St. Johannes erklärt. Weit schwieriger ist die Bestimmung der beiden äußeren Personen in diesem Mittelschrein. | ||
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Der Legende nach ließ Kaiser Diokletian Sebastian an einen Baum binden und von numidischen Bogenschützen erschießen, als er von dessen christlichem Glauben erfuhr. Sebastian wird aber nicht bloß als Märtyrer verehrt, sondern auch als Pestheiliger. | Der Legende nach ließ Kaiser Diokletian Sebastian an einen Baum binden und von numidischen Bogenschützen erschießen, als er von dessen christlichem Glauben erfuhr. Sebastian wird aber nicht bloß als Märtyrer verehrt, sondern auch als Pestheiliger. | ||
Eine Pestepidemie in Pavia soll nämlich im Jahr 680 erloschen sein, nachdem man seine Reliquien hierher brachte und durch die Straßen trug. Damit gilt er gegenüber dem anderen Pestheiligen Rochus als der ältere. Als 1464 das Kloster Bebenhausen in Württemberg von Papst Pius II. einen - tatsächlich ins Spätmittelalter zu datierenden - Pfeil erhielt, war dies eine Gabe, die natürlich auf die Märtyrerlegende des Heiligen Bezug nahm. Bald wurde dieser Pfeil als Sebastians-Pfeil verehrt. | Eine Pestepidemie in Pavia soll nämlich im Jahr 680 erloschen sein, nachdem man seine Reliquien hierher brachte und durch die Straßen trug. Damit gilt er gegenüber dem anderen Pestheiligen Rochus als der ältere. Als 1464 das Kloster Bebenhausen in Württemberg von Papst Pius II. einen - tatsächlich ins Spätmittelalter zu datierenden - Pfeil erhielt, war dies eine Gabe, die natürlich auf die Märtyrerlegende des Heiligen Bezug nahm. Bald wurde dieser Pfeil als Sebastians-Pfeil verehrt. | ||
„Sebastianspfeile” trug man früher als Schutz gegen die Pest - | „Sebastianspfeile” trug man früher als Schutz gegen die Pest - der „anfliegenden Krankheit”. | ||
[[Datei:Z Kalchreuth a.jpg|miniatur|rechts|Kalchreuther Tafelbild mit St Sebastian (2.von links) der einen Pfeil als Attribut in Händen hält]] | [[Datei:Z Kalchreuth a.jpg|miniatur|rechts|Kalchreuther Tafelbild mit St Sebastian (2.von links) der einen Pfeil als Attribut in Händen hält]] | ||
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Üblicherweise kennt man heute das Martyrium des Sebastians in der Form eines dürftig bekleideten (häufig nur mit Lendenschurz) jungen Mannes, der gefesselt an einem Baum oder Pfahl lehnt und von Pfeilen durchbohrt wird. Diese Bilder könnte man gewissermaßen dem Genre der Aktmalerei zu ordnen. Dieser Sebastiantypus ist den Vorbildern antiker Statuen entlehnt, kommt in der Renaissance auf und ist aufgrund der Thematik nun auch religiös akzeptiert. | Üblicherweise kennt man heute das Martyrium des Sebastians in der Form eines dürftig bekleideten (häufig nur mit Lendenschurz) jungen Mannes, der gefesselt an einem Baum oder Pfahl lehnt und von Pfeilen durchbohrt wird. Diese Bilder könnte man gewissermaßen dem Genre der Aktmalerei zu ordnen. Dieser Sebastiantypus ist den Vorbildern antiker Statuen entlehnt, kommt in der Renaissance auf und ist aufgrund der Thematik nun auch religiös akzeptiert. | ||
Die älteren Darstellungen des Sebastian zeigen den Heiligen im Gewande, der zur näheren Kennzeichnung als Attribut Pfeile in der Hand hält. Von dieser Art findet sich eine Darstellung in der Kirche zu Kalchreuth. | Die älteren Darstellungen des Sebastian zeigen den Heiligen im Gewande, der zur näheren Kennzeichnung als Attribut Pfeile in der Hand hält. Von dieser Art findet sich eine Darstellung in der Kirche zu Kalchreuth. | ||
Dort wurden zwei Flügel eines Tafelretabels zu einem Bild zusammengefügt, das heute an der südlichen Chorwand hängt. Die zweite Person von links ist ein heiliger Sebastian mit Pfeil in der Hand. Analog zum Poppenreuther | Dort wurden zwei Flügel eines Tafelretabels zu einem Bild zusammengefügt, das heute an der südlichen Chorwand hängt. Die zweite Person von links ist ein heiliger Sebastian mit Pfeil in der Hand. Analog zum Poppenreuther Pendant trägt auch er ein modisches Beinkleid. Rechts neben dem Sebastian findet sich auf dem Kalchreuther Tafelbild zufälligerweise ein Johannes, näher gekennzeichnet durch den Kelch. | ||
Dies führt zur Frage nach dem Kelch beim Poppenreuther Sebastian. Hier ist der Kelch sekundär zugefügt worden, als man dem Heiligen die Pfeile aus der Hand entfernte. | Dies führt zur Frage nach dem Kelch beim Poppenreuther Sebastian. Hier ist der Kelch sekundär zugefügt worden, als man dem Heiligen die Pfeile aus der Hand entfernte. | ||
Einige Bruchstellen und Beschädigungen, sonderlich im Bereich des kleinen Fingers, lassen erkennen, dass der Kelch nachträglich eingesetzt wurde. | Einige Bruchstellen und Beschädigungen, sonderlich im Bereich des kleinen Fingers, lassen erkennen, dass der Kelch nachträglich eingesetzt wurde. | ||
Mit dem Austausch der Attribute von Pfeilen zu Kelch verbindet sich aber ein bemerkenswerter Wandel. Die Figur des Sebastian scheint nicht mehr vonnöten gewesen zu sein und so konvertiert der alte, „vorreformatorische” Pestheilige zum „evangelischen” Johannes, dem das Abendmahl nun für`s wichtiger | Mit dem Austausch der Attribute von Pfeilen zu Kelch verbindet sich aber ein bemerkenswerter Wandel. Die Figur des Sebastian scheint nicht mehr vonnöten gewesen zu sein und so konvertiert der alte, „vorreformatorische” Pestheilige zum „evangelischen” Johannes, dem das Abendmahl nun für`s Seelenheil wichtiger ist. | ||
===Die Enthüllung des Laurentius=== | ===Die Enthüllung des Laurentius=== | ||
[[Datei:P1060962 a.jpg| | [[Datei:P1060962 a.jpg|mini|left|Die Werktagsseite des Poppenreuther Flügelretabels mit Laurentius und Stephanus]] | ||
Das Flügelretabel der Poppenreuther Kirche St. Peter und Paul weist auf der inneren Werktagsseite (zugeklappter Zustand) noch zwei weitere Tafelbilder mit Heiligen aus der Entstehungszeit des Altarschreines auf: St. Laurentius und St. Stephanus. | Das Flügelretabel der Poppenreuther Kirche St. Peter und Paul weist auf der inneren Werktagsseite (zugeklappter Zustand) noch zwei weitere Tafelbilder mit Heiligen aus der Entstehungszeit des Altarschreines auf: St. Laurentius und St. Stephanus. | ||
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Unerklärlich ist auch die völlig gerade, mit Gold akzentuierte, Mantellinie zwischen den beiden Laurentiushänden. Um diese straffe und gerade Mantelfalte zu erhalten, müsste die linke Hand den Mantelüberwurf festhalten. Dies ist aber nicht der Fall, sodass die gerade Linie wie durch Zauberei entsteht. Schräg rechts - oberhalb der den Rost haltenden Hand - gibt es im Blaugrundigen eine kleine dreieckige Unebenheit, die sonderlich gegen das Licht auffällt. | Unerklärlich ist auch die völlig gerade, mit Gold akzentuierte, Mantellinie zwischen den beiden Laurentiushänden. Um diese straffe und gerade Mantelfalte zu erhalten, müsste die linke Hand den Mantelüberwurf festhalten. Dies ist aber nicht der Fall, sodass die gerade Linie wie durch Zauberei entsteht. Schräg rechts - oberhalb der den Rost haltenden Hand - gibt es im Blaugrundigen eine kleine dreieckige Unebenheit, die sonderlich gegen das Licht auffällt. | ||
[[Datei:DSC00239 a.jpg| | [[Datei:DSC00239 a.jpg|mini|left|Infrarotaufnahme der Laurentiusfigur, die unter dem Rost Pfeilspitzen erkennen lässt]] | ||
Diese Unebenheit war der Ausgangspunkt einer Infrarot-Untersuchung, die 2014 im Rahmen der Altarsäuberung und -renovierung in Auftrag gegeben wurde. Mit Hilfe von Infrarotstrahlen ist es möglich in tiefere Farbschichten vorzudringen, um eventuelle Vorzeichnungen freizulegen. Dabei wurde offensichtlich, dass Laurentius ursprünglich Pfeile in Händen hielt und der Rost von einer sekundären Übermalung herrührt. Die Pfeilspitzen befinden sich im Blaugrundigen, die Pfeilschäfte zwischen den beiden Händen und damit wird nun auch die unmotiviert auftauchende gerade Linie des Mantels erklärlich, die ganz offensichtlich von den Pfeilschäften der Ausgangsmalerei herrührt. | Diese Unebenheit war der Ausgangspunkt einer Infrarot-Untersuchung, die 2014 im Rahmen der Altarsäuberung und -renovierung in Auftrag gegeben wurde. Mit Hilfe von Infrarotstrahlen ist es möglich in tiefere Farbschichten vorzudringen, um eventuelle Vorzeichnungen freizulegen. Dabei wurde offensichtlich, dass Laurentius ursprünglich Pfeile in Händen hielt und der Rost von einer sekundären Übermalung herrührt. Die Pfeilspitzen befinden sich im Blaugrundigen, die Pfeilschäfte zwischen den beiden Händen und damit wird nun auch die unmotiviert auftauchende gerade Linie des Mantels erklärlich, die ganz offensichtlich von den Pfeilschäften der Ausgangsmalerei herrührt. | ||
Die Übermalung mit dem Laurentiusrost konnte auch im Rankwerk des Postamentes nachgewiesen werden. | Die Übermalung mit dem Laurentiusrost konnte auch im Rankwerk des Postamentes nachgewiesen werden. | ||
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Damit kommt die zeitliche Einordnung nahe an die von Josef Dettenthaler vermutete Entstehungszeit des Poppenreuther Retabels von 1518 <ref> vgl. Josef Dettenthaler „Die Tafelbilder des Hochaltars in Poppenreuth - ein Werk des Dürerschülers Hans Springinklee” in „Fürther Heimatblätter” 1980, Nr.2; Seite 37 ff </ref> | Damit kommt die zeitliche Einordnung nahe an die von Josef Dettenthaler vermutete Entstehungszeit des Poppenreuther Retabels von 1518 <ref> vgl. Josef Dettenthaler „Die Tafelbilder des Hochaltars in Poppenreuth - ein Werk des Dürerschülers Hans Springinklee” in „Fürther Heimatblätter” 1980, Nr.2; Seite 37 ff </ref> | ||
===Der Abriss des Sebastianspitals führt zu einem überflüssigen Sebastiansaltar=== | |||
Doch schon bald gab es wegen des Pestspitals von St. Sebastian Unstimmigkeiten mit dem Ansbacher Markgraf. So beschwerten sich Casimir und Georg, der Markgraf zu Brandenburg und der Burggraf zu Nürnberg über den befestigten Bau am 23. November 1526 beim kaiserlichen Kammergericht <ref> | Doch schon bald gab es wegen des Pestspitals von St. Sebastian Unstimmigkeiten mit dem Ansbacher Markgraf. So beschwerten sich Casimir und Georg, der Markgraf zu Brandenburg und der Burggraf zu Nürnberg über den befestigten Bau am 23. November 1526 beim kaiserlichen Kammergericht.<ref>„Deliciae topogeographicae Noribergenses oder Geographische Beschreibung”, Seite 54 </ref> Letztendlich ging es dabei wohl um das Geleitsrecht und die hohe fraischliche Obrigkeit. | ||
Als sich die Gegensätze mit dem Markgraf Albrecht Alcibiades noch verstärkten, wurde dem Nürnberger Rat der massive Bau des Sebastiansspital vor den Stadtmauern immer ungelegener. Sie befürchteten, ein Angreifer könnte sich im Windschatten der festungsartigen Anlage an die Stadt heranmachen und bei einer Belagerung den Bau als Deckung nutzen. Um wieder ein freies Schussfeld zu erlangen, ließ schließlich der Rat der Stadt 1552 im 2. Markgräflichen Krieg das Sebastianspital mit anderen Gebäuden nahe der Stadt niederbrennen. Das Hospital für Pestkranke hatte also gerade einmal ein halbes Jahrhundert bestanden. | Als sich die Gegensätze mit dem Markgraf Albrecht Alcibiades noch verstärkten, wurde dem Nürnberger Rat der massive Bau des Sebastiansspital vor den Stadtmauern immer ungelegener. Sie befürchteten, ein Angreifer könnte sich im Windschatten der festungsartigen Anlage an die Stadt heranmachen und bei einer Belagerung den Bau als Deckung nutzen. Um wieder ein freies Schussfeld zu erlangen, ließ schließlich der Rat der Stadt 1552 im 2. Markgräflichen Krieg das Sebastianspital mit anderen Gebäuden nahe der Stadt niederbrennen. Das Hospital für Pestkranke hatte also gerade einmal ein halbes Jahrhundert bestanden. | ||
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==Einzelnachweise== | ==Einzelnachweise== | ||
<references /> | <references /> | ||
==Siehe auch== | |||
* [[Kirche St. Peter und Paul]] | |||
* [[Poppenreuth]] | |||
== Bilder == | == Bilder == |
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