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[[Datei:Bräustübl.jpg|mini|right|Das Brauereihauptgebäude mit [[Geismann-Bräustübl]].]]
 
[[Datei:Bräustübl.jpg|mini|right|Das Brauereihauptgebäude mit [[Geismann-Bräustübl]].]]
 
Als in den 1880er Jahren der große Aufschwung der Brauerei einsetzte, waren nicht nur die Kapazitäten der Lokale erschöpft, auch die Braustätte selbst war zwar erst [[1870]] zweckmäßig umgebaut worden, konnte der gestiegenen Nachfrage aber nicht mehr gerecht werden. [[1888]] wurde die Brauerei komplett neu errichtet, mit einer neuen Braueinrichtung versehen und nicht zuletzt durch das neue Maschinengebäude, ausgestattet mit 2 Dampfmaschinen zu 100 und 200 PS und 35 m hohem Dampfkamin, erhielt die Brauerei eine moderne Gestalt und der Schritt zur industriellen Großbrauerei war getan.  
 
Als in den 1880er Jahren der große Aufschwung der Brauerei einsetzte, waren nicht nur die Kapazitäten der Lokale erschöpft, auch die Braustätte selbst war zwar erst [[1870]] zweckmäßig umgebaut worden, konnte der gestiegenen Nachfrage aber nicht mehr gerecht werden. [[1888]] wurde die Brauerei komplett neu errichtet, mit einer neuen Braueinrichtung versehen und nicht zuletzt durch das neue Maschinengebäude, ausgestattet mit 2 Dampfmaschinen zu 100 und 200 PS und 35 m hohem Dampfkamin, erhielt die Brauerei eine moderne Gestalt und der Schritt zur industriellen Großbrauerei war getan.  
Rasch fand man Ende der 1880er Jahre Anschluss an die Konkurrenz, überholte mit der Brauerei Mailaender (spätere Bergbräu) 1892 einen Lokalrivalen um mehr als 1000 hl im Bierabsatz.<ref name="Schraudolph">vgl. Schraudolph, S. 136</ref> Trotz umfangreicher Unterkellerung mit einer Lagerkapazität von 20.000 hl. wurde [[1890]] die erste Eismaschine angeschafft, welche im Stande war täglich 300 Zentner Eis zu produzieren. Unter Zukauf und Abriss der Nachbaranwesen Höfler und Schradins erwarb man bis [[1898]] ein großes Areal zwischen Bäumen-, Schirm- und Alexanderstraße. [[1900]] schließlich wird das repräsentative, abermals von Architekt Fritz Walter geplante, viergeschossige Brauereihauptgebäude Bäumenstraße 16 - 20 mit reich verziertem Bräustübl, großzügiger Direktorswohnung und neuen Produktionsanlagen, darunter auch das neue Sudhaus inkl. Doppelsudwerk für 70 Zentner Schüttung und 33 m hohem Kamin, unter Leitung von Baumeister [[Georg Kißkalt]] fertig gestellt. Bereits [[1902]] wurde die Brauerei elektrisch aufgerüstet, als eines der ersten Fürther Gebäude neben dem Stadttheater.
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Rasch fand man Ende der 1880er Jahre Anschluss an die Konkurrenz, überholte mit der Brauerei Mailaender (spätere Bergbräu) 1892 einen Lokalrivalen um mehr als 1000 hl im Bierabsatz.<ref name="Schraudolph">vgl. Schraudolph, S. 136</ref> Trotz umfangreicher Unterkellerung mit einer Lagerkapazität von 20.000 hl. wurde [[1890]] die erste Eismaschine angeschafft, welche im Stande war täglich 300 Zentner Eis zu produzieren. Unter Zukauf und Abriss der Nachbaranwesen Höfler und Schradins erwarb man bis [[1898]] ein großes Areal zwischen Bäumen-, Schirm- und Alexanderstraße. [[1900]] schließlich wird das repräsentative, abermals von Architekt [[Fritz Walter]] geplante, viergeschossige Brauereihauptgebäude Bäumenstraße 16 - 20 mit reich verziertem Bräustübl, großzügiger Direktorswohnung und neuen Produktionsanlagen, darunter auch das neue Sudhaus inkl. Doppelsudwerk für 70 Zentner Schüttung und 33 m hohem Kamin, unter Leitung von Baumeister [[Georg Kißkalt]] fertig gestellt. Bereits [[1902]] wurde die Brauerei elektrisch aufgerüstet, als eines der ersten Fürther Gebäude neben dem Stadttheater.
    
=== Gründung der Aktiengesellschaft ===
 
=== Gründung der Aktiengesellschaft ===
 
Das Unternehmen war zu beachtlicher Höhe gelangt, hatte mit Johann Geismanns Spezialbieren und der Betriebs-Ausstattung einen exzellenten Ruf inne. Doch die vielen geschäftlichen Unternehmen und insbesondere die kostspieligen Neubauten schlugen sich in einem großen organisatorischen und finanziellen Aufwand nieder, der durch den frühen Tod im Betrieb Verantwortung tragender Familienmitglieder immer schwerer zu stemmen war. Ein Jahr nach dem Tod seines nur 39-jährigen Bruders Leonhard stellt Johann Geismann daher [[1901]] den Betrieb durch Gründung der Brauerei Geismann AG um. Johann Gg. Geismann fungierte als Vorstand der Aktiengesellschaft, an seiner Seite agierte 1901 – 1902 Johann Adam Kunze. Der Aufsichtsrat bestand aus dem bekannten Fürther Hopfengroßhändler [[Anton Sahlmann]], dem Fürther Justizrat [[Jacob Heinrich Asyl]], Alois Dorn aus München und Fabrikdirektor Josef Hausenblas aus Augsburg. Der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich Riegelmann wechselte [[1908]] in den Vorstand des Unternehmens.
 
Das Unternehmen war zu beachtlicher Höhe gelangt, hatte mit Johann Geismanns Spezialbieren und der Betriebs-Ausstattung einen exzellenten Ruf inne. Doch die vielen geschäftlichen Unternehmen und insbesondere die kostspieligen Neubauten schlugen sich in einem großen organisatorischen und finanziellen Aufwand nieder, der durch den frühen Tod im Betrieb Verantwortung tragender Familienmitglieder immer schwerer zu stemmen war. Ein Jahr nach dem Tod seines nur 39-jährigen Bruders Leonhard stellt Johann Geismann daher [[1901]] den Betrieb durch Gründung der Brauerei Geismann AG um. Johann Gg. Geismann fungierte als Vorstand der Aktiengesellschaft, an seiner Seite agierte 1901 – 1902 Johann Adam Kunze. Der Aufsichtsrat bestand aus dem bekannten Fürther Hopfengroßhändler [[Anton Sahlmann]], dem Fürther Justizrat [[Jacob Heinrich Asyl]], Alois Dorn aus München und Fabrikdirektor Josef Hausenblas aus Augsburg. Der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich Riegelmann wechselte [[1908]] in den Vorstand des Unternehmens.
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Mit der Aktiengesellschaft geht es weiter aufwärts: Rasch wird der Lokalrivale [[Brauerei Grüner|Grüner AG]] im Bierabsatz überholt und bis zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] komplett abgehängt. Auch die Dividendenzahlungen verliehen der positiven Entwicklung Ausdruck. Als erster Fürther Brauerei gelang es Geismann [[1907]] mit dem „Bayerisch Pilsener“ ein Bier der Gattung „Pils“ zu brauen, zuvor war man schon beim hellen Bier Erster in Fürth gewesen. Vorstand Johann Georg Geismann verstarb am 24. Mai 1910 nach längerer Krankheit im Alter von nur 50 Jahren.
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Mit der Aktiengesellschaft geht es weiter aufwärts: Rasch wird der Lokalrivale [[Brauerei Grüner|Grüner AG]] im Bierabsatz überholt und bis zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] komplett abgehängt. Auch die Dividendenzahlungen verliehen der positiven Entwicklung Ausdruck. Als erster Fürther Brauerei gelang es Geismann [[1907]] mit dem „Bayerisch Pilsener“ ein Bier der Gattung „Pils“ zu brauen, zuvor war man schon beim hellen Bier Erster in Fürth gewesen.  
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Als 1908 bis 1910 der Schieß- und Übungsplatz Grafenwöhr für das III. Kgl. Bayr. Korps entstand, erhielt die Brauerei Geismann die Truppen-Belieferungsrechte. Ab 1910 entstand mit dem »Geismannskeller« eine Niederlassung der Brauerei mit Gastwirtschaft und Biergarten, bis heute namensgebend für einen Stadtteil von Grafenwöhr.<ref name=Grafenwoehr"">Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr: »Geismannskeller – Vom Bierkeller zur Wohnsiedlung«, 25. März 2021, [https://museum-grafenwoehr.de/geismannskeller-vom-bierkeller-zur-wohnsiedlung/ online abrufbar]</ref>
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Vorstand Johann Georg Geismann verstarb am 24. Mai 1910 nach längerer Krankheit im Alter von nur 50 Jahren.
    
=== Goldene Zwanziger und Weltwirtschaftskrise ===
 
=== Goldene Zwanziger und Weltwirtschaftskrise ===
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1931 bis 1933 erschienen in der »Allgemeinen Brauer- und Hopfenzeitung« Berichte über eine wirtschaftliche Schieflage der Brauerei Geismann AG. Verschiedene Kreise, darunter namentlich [[Hans Geismann]], bezichtigten den Fürther Filialdirektor der Dresdner Bank [[Hans Böhner]] der gezielten Manipulation. Jedenfalls setzte gleichzeitig mit den Schlagzeilen über die Probleme der Brauerei seitens der Dresdner Bank eine sehr aktive Ankaufspolitik ein. Die Dresdner Bank spielte um 1930 als Hausbank der Aktiengesellschaft eine gewichtige Rolle in deren Firmenpolitik. So war es bis 1937 den Banken per Klausel in den AGBs erlaubt, das Stimmrecht der Kunden auszuüben, wenn diese es nicht selbst wahrnahmen.
 
1931 bis 1933 erschienen in der »Allgemeinen Brauer- und Hopfenzeitung« Berichte über eine wirtschaftliche Schieflage der Brauerei Geismann AG. Verschiedene Kreise, darunter namentlich [[Hans Geismann]], bezichtigten den Fürther Filialdirektor der Dresdner Bank [[Hans Böhner]] der gezielten Manipulation. Jedenfalls setzte gleichzeitig mit den Schlagzeilen über die Probleme der Brauerei seitens der Dresdner Bank eine sehr aktive Ankaufspolitik ein. Die Dresdner Bank spielte um 1930 als Hausbank der Aktiengesellschaft eine gewichtige Rolle in deren Firmenpolitik. So war es bis 1937 den Banken per Klausel in den AGBs erlaubt, das Stimmrecht der Kunden auszuüben, wenn diese es nicht selbst wahrnahmen.
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[[Datei:Schickedanz Geismann 1952.jpg|mini|rechts|Gustav Schickedanz im Geismann-Saal]] Die Bank ihrerseits hatte in Folge der konjunkturellen Lage schon allgemein große Probleme, ganz konkret machte man sich auch Sorgen über die Konsequenzen der Judenverfolgung im wirtschaftlichen Bereich: Sollten am Wege der Arisierung Vermögenswerte wie die bei der Dresdner Bank hinterlegten Aktien-Anteile an der Geismann zu Kunden anderen Banken kommen, hätte das die Dresdner Bank empfindlich geschwächt. Im Bestreben die Anteile in den "arischen" Kundenkreis des eigenen Hauses zu verschieben, unterstützte Hans Böhner sehr aktiv den Kaufmann [[Gustav Schickedanz]] beim Ankauf von Geismann-Aktien.  
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[[Datei:Schickedanz Geismann 1952.jpg|mini|rechts|Gustav Schickedanz im Geismann-Saal]] Die Bank ihrerseits hatte in Folge der konjunkturellen Lage schon allgemein große Probleme, ganz konkret machte man sich auch Sorgen über die Konsequenzen der Judenverfolgung im wirtschaftlichen Bereich: Sollten am Wege der Arisierung Vermögenswerte wie die bei der Dresdner Bank hinterlegten Aktien-Anteile an der Geismann zu Kunden anderen Banken kommen, hätte das die Dresdner Bank empfindlich geschwächt. Im Bestreben die Anteile in den "arischen" Kundenkreis des eigenen Hauses zu verschieben, unterstützte Hans Böhner sehr aktiv den Kaufmann [[Gustav Schickedanz]] beim Ankauf von Geismann-Aktien. Vorbesitzer waren unter anderem jüdische Hopfenhändler, Privatbankiers und Brauerei-Funktionäre wie beispielsweise Ernst Reizenstein und die Familie Sahlmann.
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1936 hielt das jüdische Münchner Bankhaus von Siegfried Salomon Marx (später: August Lenz & Co.) noch doppelt so viele Geismann-Aktien wie die Dresdner Bank und stellte entsprechend die Forderung einen Aufsichtsratsposten zu bekleiden. In einer persönlichen Unterredung in Fürth gelang es Böhner und Schickedanz mit Hilfe eines Gefälligkeitsgutachtens der Bank für Brauindustrie (diese befand sich seit der Arisierung zu 47,32% im Besitz der Dresdner Bank) dem Münchner Bankhaus Gebr. Marx deren deutlich größere Beteiligung günstig abzukaufen. Bemerkenswert ist, dass es Böhner gelang auch den nicht-jüdischen Aktionären im großen Stil Aktien abzunehmen, selbst jenen die aus verschiedenen Motiven in erklärter Opposition zu Böhner und Schickedanz standen. <ref name="GeismannFxArisierung">Felix Geismann: Die Brauerei Geismann und ihre Arisierung, 2020</ref> Auch jenseits der Causa Geismann waren die Dresdner Bank und Böhner tief in das mittelfränkische Korruptionsnetzwerk der Gauleitung verstrickt.<ref name="Ziegler">Dieter Ziegler: Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, S. 257</ref>  
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1936 hielt das jüdische Münchner Bankhaus von Siegfried Salomon Marx (später: August Lenz & Co.) noch doppelt so viele Geismann-Aktien wie die Dresdner Bank und stellte entsprechend die Forderung einen Aufsichtsratsposten zu bekleiden. In einer persönlichen Unterredung in Fürth gelang es Böhner und Schickedanz mit Hilfe eines Gefälligkeitsgutachtens der Bank für Brauindustrie (diese befand sich seit der Arisierung zu 47,32% im Besitz der Dresdner Bank) dem Münchner Bankhaus Gebr. Marx deren deutlich größere Beteiligung günstig abzukaufen. Bemerkenswert ist, dass es Böhner gelang auch den nicht-jüdischen Aktionären im großen Stil Aktien abzunehmen, selbst jenen die aus verschiedenen Motiven in erklärter Opposition zu Böhner und Schickedanz standen. <ref name="GeismannFxArisierung">Felix Geismann: Die Brauerei Geismann und ihre Arisierung, 2020</ref> Auch jenseits der Causa Geismann waren die Dresdner Bank und Böhner tief in das mittelfränkische Korruptionsnetzwerk der Gauleitung verstrickt.<ref name="Ziegler">Dieter Ziegler: Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, S. 257</ref> Auch Schickedanz nutzte seine guten Beziehung zur Riege um Julius Streicher zur Nötigung seiner "Verhandlungs"-Partner. <ref name="Zinke">Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts</ref>
    
Noch im selben Jahr werden die Aktien von der Börse genommen, die Aktiengesellschaft wird 1942 in eine GmbH umgewandelt. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]] wurde die bis auf den [[Geismannsaal]] unzerstörte Brauerei zunächst unter treuhänderische Verwaltung gestellt, Direktor Hans Henle wird abgesetzt, ehe sein Parteigenosse Schickedanz das Unternehmen nach dem Spruchkammer-Verfahren zurückbekam. Auch Hans Böhner wurde kurzzeitig suspendiert, bald jedoch rehabilitiert. In den Spruchkammerverfahren gegen Schickedanz fungierte er als vorgeblich neutraler Kronzeuge „Aufsichtsratsvorsitzender“ zu dessen Gunsten. Das Verfahren an dessen Ende Schickedanz entlastet wurde, hatte unter großem öffentlichen Druck stattgefunden: So hatte sich unter anderem der spätere Wirtschaftsminister und Bundeskanzler [[Ludwig Erhard]] persönlich für ihn stark gemacht. Auffällig ist, dass aus dem Kreis der Beschäftigten der Brauerei im Gegensatz zu anderen von Schickedanz erworbenen Unternehmen keine Solidaritätsschreiben ("Persilscheine") erhalten sind.
 
Noch im selben Jahr werden die Aktien von der Börse genommen, die Aktiengesellschaft wird 1942 in eine GmbH umgewandelt. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]] wurde die bis auf den [[Geismannsaal]] unzerstörte Brauerei zunächst unter treuhänderische Verwaltung gestellt, Direktor Hans Henle wird abgesetzt, ehe sein Parteigenosse Schickedanz das Unternehmen nach dem Spruchkammer-Verfahren zurückbekam. Auch Hans Böhner wurde kurzzeitig suspendiert, bald jedoch rehabilitiert. In den Spruchkammerverfahren gegen Schickedanz fungierte er als vorgeblich neutraler Kronzeuge „Aufsichtsratsvorsitzender“ zu dessen Gunsten. Das Verfahren an dessen Ende Schickedanz entlastet wurde, hatte unter großem öffentlichen Druck stattgefunden: So hatte sich unter anderem der spätere Wirtschaftsminister und Bundeskanzler [[Ludwig Erhard]] persönlich für ihn stark gemacht. Auffällig ist, dass aus dem Kreis der Beschäftigten der Brauerei im Gegensatz zu anderen von Schickedanz erworbenen Unternehmen keine Solidaritätsschreiben ("Persilscheine") erhalten sind.