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'''Industrialisierung in Fürth''' beschreibt die Zeiten des 19. Jahrhunderts, in dem Fürth durch seine Manufakturen, Fabriken und Brauereien, seine Handwerker, Unternehmer, Stifter und nicht zuletzt durch seine Arbeiter einen rasanten Aufschwung nahm. ''Industrialisierung'' bezeichnet dabei die technisch-wirtschaftlichen Prozesse des Übergangs von agrarischen zu industriellen Produktionsweisen<ref>Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie. 4. Auflage, Krömer, Stuttgart 1994, S. 260</ref>, in denen sich die maschinelle Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen durchsetzt.<ref>Flurin Condrau: Die Industrialisierung in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 5</ref> In Deutschland wird deren Beginn von Hubert Kiesewetter auf 1815<ref>Hubert Kiesewetter: Industrielle Revolution in Deutschland 1815–1914, Frankfurt am Main 1989</ref> und von Friedrich-Wilhelm Henning auf 1835 | '''Industrialisierung in Fürth''' beschreibt die Zeiten des 19. Jahrhunderts, in dem Fürth durch seine Manufakturen, Fabriken und Brauereien, seine Handwerker, Unternehmer, Stifter und nicht zuletzt durch seine Arbeiter einen rasanten Aufschwung nahm. ''Industrialisierung'' bezeichnet dabei die technisch-wirtschaftlichen Prozesse des Übergangs von agrarischen zu industriellen Produktionsweisen<ref>Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie. 4. Auflage, Krömer, Stuttgart 1994, S. 260</ref>, in denen sich die maschinelle Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen durchsetzt.<ref>Flurin Condrau: Die Industrialisierung in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 5</ref> In Deutschland wird deren Beginn von Hubert Kiesewetter auf 1815<ref>Hubert Kiesewetter: Industrielle Revolution in Deutschland 1815–1914, Frankfurt am Main 1989</ref> und von Friedrich-Wilhelm Henning auf 1835<ref>Friedrich-Wilhelm Henning: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, Paderborn 1973, S. 111</ref> datiert. In Fürth beginnt die Industrialisierung spätestens mit der ersten, von Engelhardt gebauten Dampfmaschine im Jahr 1842; die zweite Phase der Industrialisierung beginnt ab etwa [[1870]].<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=56}}</ref> | ||
[[Bild:tausend_schlöte.jpg|560px|right|Ausschnitt aus einer historischen PK]] | [[Bild:tausend_schlöte.jpg|560px|right|Ausschnitt aus einer historischen PK]] | ||
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<br clear="all" /> | <br clear="all" /> | ||
==Ausgangslage - Niedergang der alten Gewerbe und Frühindustrialisierung== | ==Ausgangslage - Niedergang der alten Gewerbe und Frühindustrialisierung== | ||
[[Bild:Rechenpfennig.png| | [[Bild:Rechenpfennig.png|mini|right|Rechenpfennig, gefertigt von Johann Christian Reich d. Ä.]] | ||
Am Ende des 18. Jahrhunderts vermerkt Johann Christian Gädicke: ''Fürth ist in allen Fabricaten die wichtigste Nebenbuhlerin von Nürnberg, und die Begünstigungen, die die Fabricanten hier genießen, hat der letzteren Stadt schon viel Nachtheil zugezogen | Obwohl die [[Dreiherrschaft]] zu jahrelangen politischen Streitereien und Prozessen und zu einem bürokratischen Durcheinander führte, so wirkte sich doch gerade die Konkurrenz der drei Herren im wirtschaftlichen Leben positiv aus und es gelang "in Fürth eine Art von Gewerbefreiheit zu verwirklichen".<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=19}}</ref> Zudem wurde nach dem Ende der Dreiherrschaft unter preußischer Administration von [[Karl August von Hardenberg]] die städtische Verwaltung zügig reformiert und modernisiert sowie die wirtschaftliche Entwicklung gezielt gefördert.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=19}}</ref> | ||
Am Ende des 18. Jahrhunderts vermerkt Johann Christian Gädicke sodann: ''Fürth ist in allen Fabricaten die wichtigste Nebenbuhlerin von Nürnberg, und die Begünstigungen, die die Fabricanten hier genießen, hat der letzteren Stadt schon viel Nachtheil zugezogen.''<ref>Johann Christian Gädicke, Fabricen und Manufacturen-Addreß-Lexicon von Teutschland und einigen angränzenden Ländern, 2. Teil, Weimar 1799, S. 158</ref> | |||
Fürth startete also mit "recht guten Rahmenbedingungen" ins 19. Jahrhundert.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=55}}</ref> | |||
Laut Adressbuch von [[1807]] gab es in Fürth damals 97 ''Fabrikanten'', darunter am häufigsten Spiegelfabrikanten (16), Schnallenfabrikanten (10) und Rosoliofabrikanten (8), außerdem 120 ''Fabrikarbeiter'', wobei 66 den glasbearbeitenden Berufen angehörten.<ref>Eger: Adreßbuch von Fürth 1807, S. 56</ref> Es überwogen aber zu dieser Zeit die zünftigen Gewerbe, also vor allem Schreiner (155), Drechsler (113), Schuhmacher (88), Strumpfwirker und -stricker (67), Goldarbeiter und Goldschläger (63), Metzger (62) und Schneider (59). Dazu gab es noch etliche sog. konzessionierte Gewerbe, für die man behördliche Zulassungen benötigte, darunter 69 Bierwirtschaften und 8 Bierbrauer, 40 Branntweinbrenner, 41 Melber (Mehlhändler) und Pfragner (Kleinhändler) sowie 32 Krämer. Schließlich gab es Arbeiter in freien Gewerben, hier vor allem Tagelöhner, Holzhauer oder Landhausierer. Aus den Aufstellungen wird auch ersichtlich, dass das Fürther Gewerbe in hohem Maße für den überregionalen Markt produzierte. | Laut Adressbuch von [[1807]] gab es in Fürth damals 97 ''Fabrikanten'', darunter am häufigsten Spiegelfabrikanten (16), Schnallenfabrikanten (10) und Rosoliofabrikanten (8), außerdem 120 ''Fabrikarbeiter'', wobei 66 den glasbearbeitenden Berufen angehörten.<ref>Eger: Adreßbuch von Fürth 1807, S. 56</ref> Es überwogen aber zu dieser Zeit die zünftigen Gewerbe, also vor allem Schreiner (155), Drechsler (113), Schuhmacher (88), Strumpfwirker und -stricker (67), Goldarbeiter und Goldschläger (63), Metzger (62) und Schneider (59). Dazu gab es noch etliche sog. konzessionierte Gewerbe, für die man behördliche Zulassungen benötigte, darunter 69 Bierwirtschaften und 8 Bierbrauer, 40 Branntweinbrenner, 41 Melber (Mehlhändler) und Pfragner (Kleinhändler) sowie 32 Krämer. Schließlich gab es Arbeiter in freien Gewerben, hier vor allem Tagelöhner, Holzhauer oder Landhausierer. Aus den Aufstellungen wird auch ersichtlich, dass das Fürther Gewerbe in hohem Maße für den überregionalen Markt produzierte. | ||
Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren schwierige Jahre für die Fürther Wirtschaft. Die Wirtschaftsflaute nach den Kriegsjahren, die Missernten und die dadurch begründete Teuerung in den Jahren 1816/1817 und verbreitete Zollschranken trafen die Stadt und die ganze Region. Die Handwerker, die nicht für den lokalen Markt fertigten, litten unter den niedrigen Einkaufspreisen der Händler, so das die Gewinne oft unter das Existenzminimum fielen. Trotz der insgesamt guten Grundvoraussetzungen standen die Fürther Leistungen zudem häufig im Schatten von Nürnbergs Ruf als Handels- und Gewerbestadt. Dadurch dass Fürth ab [[1806]] zu Bayern gekommen war, litt es zudem unter der Einschränkung der Gewerbefreiheit und verlor die ehemals königlich-preußische Bank an Nürnberg. | Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren schwierige Jahre für die Fürther Wirtschaft. Die Wirtschaftsflaute nach den Kriegsjahren, die Missernten und die dadurch begründete Teuerung in den Jahren 1816/1817 und verbreitete Zollschranken trafen die Stadt und die ganze Region. Die Handwerker, die nicht für den lokalen Markt fertigten, litten unter den niedrigen Einkaufspreisen der Händler, so das die Gewinne oft unter das Existenzminimum fielen. Trotz der insgesamt guten Grundvoraussetzungen standen die Fürther Leistungen zudem häufig im Schatten von Nürnbergs Ruf als Handels- und Gewerbestadt. Dadurch dass Fürth ab [[1806]] zu Bayern gekommen war, litt es zudem unter der Einschränkung der Gewerbefreiheit und verlor die ehemals königlich-preußische Bank an Nürnberg. | ||
[[Datei:Industrie 1839.JPG| | [[Datei:Industrie 1839.JPG|mini|right|Aufruf zur Teilnahme an der Industrie-Ausstellung in Nürnberg und kurze Ortscharakteristik, 1839]] | ||
Trotzdem entwickelte sich in Fürth in diesem Zeitraum ein verhältnismäßig großer und kapitalkräftiger, teils jüdischer Kaufmannsstand und ein vielfältiges Handwerk. Und die Erhebung zur Stadt erster Klasse im Jahr [[1818]] stärkte das Selbstbewusstsein der Bürger. Ein Vergleich der Jahre [[1819]] und [[1831]] zeigt, dass es wirtschaftlich wieder aufwärts ging. Ein sichtbares Zeichen dafür sind die klassizistischen Prachthäuser [[Alexanderstraße]] 26 - 32, die 1834/35 entstanden sind und von der damaligen Oberschicht gebaut wurden.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=193}}</ref> Dennoch waren, bedingt durch das Aussterben alter Gewerbe, wie Dechsler, Gürtler oder Strumpfwirker, Initiativen im wirtschftlichen Umfeld dringend notwendig. Verschiedene Voraussetzungen halfen der Stadt dabei, am Prozess der Industrialisierung nicht nur teilzunehmen, sondern in Bayern auch eine treibende Rolle zu übernehmen. | Trotzdem entwickelte sich in Fürth in diesem Zeitraum ein verhältnismäßig großer und kapitalkräftiger, teils jüdischer Kaufmannsstand und ein vielfältiges Handwerk. Und die Erhebung zur Stadt erster Klasse im Jahr [[1818]] stärkte das Selbstbewusstsein der Bürger. Ein Vergleich der Jahre [[1819]] und [[1831]] zeigt, dass es wirtschaftlich wieder aufwärts ging. Ein sichtbares Zeichen dafür sind die klassizistischen Prachthäuser [[Alexanderstraße]] 26 - 32, die 1834/35 entstanden sind und von der damaligen Oberschicht gebaut wurden.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=193}}</ref> Dennoch waren, bedingt durch das Aussterben alter Gewerbe, wie Dechsler, Gürtler oder Strumpfwirker, Initiativen im wirtschftlichen Umfeld dringend notwendig. Verschiedene Voraussetzungen halfen der Stadt dabei, am Prozess der Industrialisierung nicht nur teilzunehmen, sondern in Bayern auch eine treibende Rolle zu übernehmen. | ||
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===Energieversorgung=== | ===Energieversorgung=== | ||
Die industrielle Produktion verlangte eine immer größer werdende Anzahl von Hilfsmaschinen, deren Antrieb Energie erforderte. Diese Energie lieferten Wasserräder, später Turbinen, Dampfmaschinen, Gasmotoren, Heißluftaggregate, noch später Benzinmotoren. In Fürth spielten vor allem Wasser- und Dampfkraft bis zum Ende des 19. Jh. eine wichtige Rolle. Das [[Gaswerk]] der [[1858]] gegründeten [[Gaswerk|Gasbeleuchtungsaktiengesellschaft]] hatte bei der gewerblichen Energieversorgung vorerst keinen großen Stellenwert. Der erste Dampfkessel wurde im Oktober [[1840]] in der Branntwein- und Spiritusfabrik Heinrich Lederer aufgestellt<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=24}}</ref>, die erste Dampfmaschine im August [[1842]] in der [[J. W. Engelhardt & Co.|Maschinenfabrik Engelhardt]]. Während der erste Dampfkessel vermutlich noch ein Import war, hatte [[Johann Wilhelm Engelhardt]] die 3 PS starke Dampfmaschine selbst gebaut. Seit [[1853]] verfügte zudem die [[Ultramarinfabrik]] von Reichmann und Naumburger über eine 6-8 PS starke Dampfmaschine, ebenso seit Mai [[1853]] die Kammfabrik G. Hahn, beide von Engelhardt gebaut. Im Jahr [[1861]] arbeiteten in Fürth 10 Dampfmaschinen mit zusammen 76 PS, davon eine 6 PS starke bei [[J. W. Engelhardt & Co.]] und die stärkste mit 20 PS in der Zwirnerei und Carderie von Bernstein & Co.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=24}}</ref> [[1875]] verwendeten 45 Gewerbebetriebe die Dampfkraft mit insgesamt 416 PS, davon 55 Dampfkessel. Somit erlangte die Dampfkraft die größte Bedeutung bezüglich der mechanischen Antriebe. Von je 100 PS der Leistungsfähigkeit aller Motoren entfielen auf | Die industrielle Produktion verlangte eine immer größer werdende Anzahl von Hilfsmaschinen, deren Antrieb Energie erforderte. Diese Energie lieferten Wasserräder, später Turbinen, Dampfmaschinen, Gasmotoren, Heißluftaggregate, noch später Benzinmotoren. In Fürth spielten vor allem Wasser- und Dampfkraft bis zum Ende des 19. Jh. eine wichtige Rolle. Das [[Gaswerk]] der [[1858]] gegründeten [[Gaswerk|Gasbeleuchtungsaktiengesellschaft]] hatte bei der gewerblichen Energieversorgung vorerst keinen großen Stellenwert. Der erste Dampfkessel wurde im Oktober [[1840]] in der Branntwein- und Spiritusfabrik [[Heinrich Lederer]] aufgestellt<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=24}}</ref>, die erste Dampfmaschine im August [[1842]] in der [[J. W. Engelhardt & Co.|Maschinenfabrik Engelhardt]]. Während der erste Dampfkessel vermutlich noch ein Import war, hatte [[Johann Wilhelm Engelhardt]] die 3 PS starke Dampfmaschine selbst gebaut. Seit [[1853]] verfügte zudem die [[Ultramarinfabrik]] von [[Reichmann und Naumburger]] über eine 6-8 PS starke Dampfmaschine, ebenso seit Mai [[1853]] die Kammfabrik G. Hahn, beide von Engelhardt gebaut. Im Jahr [[1861]] arbeiteten in Fürth 10 Dampfmaschinen mit zusammen 76 PS, davon eine 6 PS starke bei [[J. W. Engelhardt & Co.]] und die stärkste mit 20 PS in der Zwirnerei und Carderie von Bernstein & Co.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=24}}</ref> [[1875]] verwendeten 45 Gewerbebetriebe die Dampfkraft mit insgesamt 416 PS, davon 55 Dampfkessel. Somit erlangte die Dampfkraft die größte Bedeutung bezüglich der mechanischen Antriebe. Von je 100 PS der Leistungsfähigkeit aller Motoren entfielen auf | ||
* Wasser 39,7 PS | * Wasser 39,7 PS | ||
* Dampf 58,8 PS | * Dampf 58,8 PS | ||
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* Heißluft 0,1 PS.<ref>Hans Moser: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Fürth im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit Erlangen/Nürnberg 1976, S. 25</ref> | * Heißluft 0,1 PS.<ref>Hans Moser: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Fürth im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit Erlangen/Nürnberg 1976, S. 25</ref> | ||
[[1889]] gab es in Fürth bereits Dampfmaschinen oder Dampfkessel mit insgesamt 1.914 PS, Ende [[1907]] mit 4.168 PS. Im gleichen Jahr wurden aber auch weitere 8.000 PS von Wasserkraft, Benzin- und Gasmotoren erzeugt, wobei immer mehr Gasmotoren in der Privatwirtschaft zum Einsatz kamen. | [[1889]] gab es in Fürth bereits Dampfmaschinen oder Dampfkessel mit insgesamt 1.914 PS, Ende [[1907]] mit 4.168 PS. Im gleichen Jahr wurden aber auch weitere 8.000 PS von Wasserkraft, Benzin- und Gasmotoren erzeugt, wobei immer mehr Gasmotoren in der Privatwirtschaft zum Einsatz kamen. | ||
[[Datei:Fürth2018 eigenständig.jpg|mini|right|400px|Dieser Artikel entstand im Rahmen des Fürther Stadtjubiläums [[Stadtrecht|"200 Jahre eigenständig"]] im Jahr 2018]] | |||
===Bevölkerungswachstum=== | ===Bevölkerungswachstum=== | ||
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===Finanzierung und Bankwesen=== | ===Finanzierung und Bankwesen=== | ||
Dem Kapital bzw. der Finanzierung vor allem der Maschinen kam bei der einsetzenden Industrialisierung eine zentrale Rolle zu. Denn in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gab es im Königreich Bayern kaum staatliche Förderungen für Handwerk und Industrie. Umso wichtiger wurden deshalb private Geldgeber und so fungierten Handelshäuser, Kaufleute, Wechselhändler usw. ebenso als Kreditgeber wie ab der Jahrhundertmitte und verstärkt ab [[1870]] auch die wachsenden Großbanken. In Fürth gab es allerdings die Besonderheit, dass es mit der [[Bayerische Staatsbank|Hofbanco]] bereits seit dem Ende des 18. Jh. eine excellent mit Stammkapital ausgestatte Bank vor Ort gab. Die ''Königlich Preußische Banco in Franken'' war [[1795]] von Ansbach in die bedeutendere Handelsstadt Fürth verlegt worden und es gelang bereits in den ersten zwei Monaten 600.000 Gulden umzusetzen und damit die in den Gewerberaum Fürth-Nürnberg gesetzten Erwartungen zu erfüllen.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=24}}</ref> ''Als besondere Aufgabe war ihr gestellt, das inländische Commerzium zu fördern, es von der Reichsstadt Nürnberg weniger abhängig zu machen, Fabriken, Manufakturen und Professionisten durch kurzfristige Anleihen zu unterstützen, ihnen zur Anschaffung von Rohstoffen und bei der Versendung ihrer Waren durch Vorschüsse zu Hilfe zu kommen''.<ref>Franz Steffen / Walter Diem: Die Bayerische Staatsbank 1780 - 1955, München 1955, S. 56</ref> Auch nach ihrer Umbenennung in ''Königlich Baierische Banco'' und die Verlegung nach Nürnberg im Jahr [[1807]] blieben die Aufgaben der Bank in etwa gleich, sie verlor aber in Fürth an Bedeutung. ''Nach der Wegverlegung der königlichen Bank lagen die örtlichen Geld- und Kreditgeschäfte über Jahrzehnte hinweg allein in Händen zahlreicher Privatbankiers und Geldhändler, auch als dann [[1827]] die Städtische [[Sparkasse Fürth|Sparkasse]] eröffnete. Zunächst mehr als Nebenerwerbszweig des Handels betrieben, hatten diese sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem selbständigen Gewerbezweig beträchtlichen Umfanges hier entwickelt''.<ref>Hans Moser: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Fürth im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit Erlangen/Nürnberg 1976, S. 45</ref> Zu den frühen jüdischen Wechselhändlern, die teils auch Gold- und Silberhandel betrieben, gehörten Moses Cohn, Isaac Emanuel Wertheimer und Moses Meyer Nathan. Während sich die Anzahl der Wechselhändler jedoch in den zwanziger bis fünfziger Jahren reduzierte, kamen die ersten Banken auf. So nahm auch der Nürnberger Unternehmer Cramer-Klett in den fünfziger Jahren weitgehende Kredite bei dem Fürther Bankhaus Samuel Ansbacher auf, wohl nicht zuletzt, weil in Nürnberg private Bankhäuser zu dieser Zeit recht selten waren.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=29}}</ref> Nach [[1870]] entwickelten sich immer mehr Privatbanken, darunter so renommierte Häuser wie [[Berolzheimer & Co.]], Gebrüder Feuchtwanger, Hirschmann & Kitzinger, Mailänder & Dispecker, [[Nathan & Co]]. sowie J. M. Wertheimer. Diese Banken gründeten ihr Kapital häufig auf die wachsenden Gewinne aus den Handelsgeschäften, vor allem auch aus dem Hopfenhandel. Gerade in Fürth ergab sich die günstige Situation, dass die Betreiber der kapitalkräftigen Privatbanken zumeist aus den örtlichen Handelskreisen stammten und daher die Schwierigkeiten und Möglichkeiten der regionalen Betriebsfinanzierungen sehr gut einschätzen konnten. Zur Wende zum 20. Jahrhundert etablierten sich immer mehr die überregionalen Großbanken. So hatte die [[Dresdner Bank]] im Jahr [[1896]] das Bankhaus J. M. Wertheimer übernommen, die [[Commerzbank]] [[1918]] Hirschmann & Kitzinger. Andere Großbanken hatten Filialen in Fürth. Somit bot sich der Fürther gewerblichen Wirtschaft also eine breite Palette von Banken zur Geld- und Kreditbeschaffung. | Dem Kapital bzw. der Finanzierung vor allem der Maschinen kam bei der einsetzenden Industrialisierung eine zentrale Rolle zu. Denn in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gab es im Königreich Bayern kaum staatliche Förderungen für Handwerk und Industrie. Umso wichtiger wurden deshalb private Geldgeber und so fungierten Handelshäuser, Kaufleute, Wechselhändler usw. ebenso als Kreditgeber wie ab der Jahrhundertmitte und verstärkt ab [[1870]] auch die wachsenden Großbanken. In Fürth gab es allerdings die Besonderheit, dass es mit der [[Bayerische Staatsbank|Hofbanco]] bereits seit dem Ende des 18. Jh. eine excellent mit Stammkapital ausgestatte Bank vor Ort gab. Die ''Königlich Preußische Banco in Franken'' war [[1795]] von Ansbach in die bedeutendere Handelsstadt Fürth verlegt worden und es gelang bereits in den ersten zwei Monaten 600.000 Gulden umzusetzen und damit die in den Gewerberaum Fürth-Nürnberg gesetzten Erwartungen zu erfüllen.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=24}}</ref> ''Als besondere Aufgabe war ihr gestellt, das inländische Commerzium zu fördern, es von der Reichsstadt Nürnberg weniger abhängig zu machen, Fabriken, Manufakturen und Professionisten durch kurzfristige Anleihen zu unterstützen, ihnen zur Anschaffung von Rohstoffen und bei der Versendung ihrer Waren durch Vorschüsse zu Hilfe zu kommen''.<ref>Franz Steffen / Walter Diem: Die Bayerische Staatsbank 1780 - 1955, München 1955, S. 56</ref> Auch nach ihrer Umbenennung in ''Königlich Baierische Banco'' und die Verlegung nach Nürnberg im Jahr [[1807]] blieben die Aufgaben der Bank in etwa gleich, sie verlor aber in Fürth an Bedeutung. ''Nach der Wegverlegung der königlichen Bank lagen die örtlichen Geld- und Kreditgeschäfte über Jahrzehnte hinweg allein in Händen zahlreicher Privatbankiers und Geldhändler, auch als dann [[1827]] die Städtische [[Sparkasse Fürth|Sparkasse]] eröffnete. Zunächst mehr als Nebenerwerbszweig des Handels betrieben, hatten diese sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem selbständigen Gewerbezweig beträchtlichen Umfanges hier entwickelt''.<ref>Hans Moser: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Fürth im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit Erlangen/Nürnberg 1976, S. 45</ref> Zu den frühen jüdischen Wechselhändlern, die teils auch Gold- und Silberhandel betrieben, gehörten [[Moses Cohn]], [[Isaac Emanuel Wertheimer]] und [[Moses Meyer Nathan]]. Während sich die Anzahl der Wechselhändler jedoch in den zwanziger bis fünfziger Jahren reduzierte, kamen die ersten Banken auf. So nahm auch der Nürnberger Unternehmer Cramer-Klett in den fünfziger Jahren weitgehende Kredite bei dem Fürther Bankhaus Samuel Ansbacher auf, wohl nicht zuletzt, weil in Nürnberg private Bankhäuser zu dieser Zeit recht selten waren.<ref>{{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)|Seite=29}}</ref> Nach [[1870]] entwickelten sich immer mehr Privatbanken, darunter so renommierte Häuser wie [[Berolzheimer & Co.]], Gebrüder Feuchtwanger, Hirschmann & Kitzinger, Mailänder & Dispecker, [[Nathan & Co]]. sowie J. M. Wertheimer. Diese Banken gründeten ihr Kapital häufig auf die wachsenden Gewinne aus den Handelsgeschäften, vor allem auch aus dem Hopfenhandel. Gerade in Fürth ergab sich die günstige Situation, dass die Betreiber der kapitalkräftigen Privatbanken zumeist aus den örtlichen Handelskreisen stammten und daher die Schwierigkeiten und Möglichkeiten der regionalen Betriebsfinanzierungen sehr gut einschätzen konnten. Zur Wende zum 20. Jahrhundert etablierten sich immer mehr die überregionalen Großbanken. So hatte die [[Dresdner Bank]] im Jahr [[1896]] das Bankhaus J. M. Wertheimer übernommen, die [[Commerzbank]] [[1918]] Hirschmann & Kitzinger. Andere Großbanken hatten Filialen in Fürth. Somit bot sich der Fürther gewerblichen Wirtschaft also eine breite Palette von Banken zur Geld- und Kreditbeschaffung. | ||
== Bedeutende Phasen der Industrialisierung in Fürth== | == Bedeutende Phasen der Industrialisierung in Fürth== | ||
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In der Mitte des 19. Jahrhunderts erzielte die Handels- und Dienstleistungsbranche die höchste Beschäftigungszahl. Es folgten das Textilgewerbe und dann metallverarbeitende Betriebe. Während in Nürnberg zu dieser Zeit auf jeden zehnten Einwohner ein Betrieb kam, war es in Fürth ein Betrieb auf fast jeden fünften Einwohner. Das zahlenmäßig relativ große und aktive Handelsgewerbe war die Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung Fürths. Es bildete das Bindeglied zwischen Produzent und Verbraucher. [[1857]] lassen sich 469 Handelsberechtigungen für Fürth nachweisen.<ref>Adreßbuch der Handels- und Fabrikberechtigten von Fürth 1857, S. 3 - 29</ref> Gegenüber den dreißiger Jahren hatte sich das Handelsgewerbe noch einmal stark vermehrt. Dabei schwankte der Anteil der Juden beträchtlich, war aber im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil stets überdurchschnittlich hoch. In den fünfziger Jahren geriet der Handel allerdings in eine Krise, bedingt durch die rasche Ausdehnung des Agenturwesens der bekannten Nürnberger Händler. So sank die Anzahl der Handelskonzessionen von [[1857]] bis [[1865]] um gut 10 Prozent. Insbesondere der Schnittwaren- und Manufakturenwarenhandel ging zurück. Trotzdem kam es zu einem weiteren Anstieg der Bevölkerung. Ab [[1850]] entstand ein weiterer neuer Stadtteil, das ''Viertel hinter dem Rathaus''. Da auch die Entwicklung der Fabriken in der Altstadt an ihre Grenzen gestoßen war, zogen zugleich viele Firmen in das geräumigere Viertel. | In der Mitte des 19. Jahrhunderts erzielte die Handels- und Dienstleistungsbranche die höchste Beschäftigungszahl. Es folgten das Textilgewerbe und dann metallverarbeitende Betriebe. Während in Nürnberg zu dieser Zeit auf jeden zehnten Einwohner ein Betrieb kam, war es in Fürth ein Betrieb auf fast jeden fünften Einwohner. Das zahlenmäßig relativ große und aktive Handelsgewerbe war die Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung Fürths. Es bildete das Bindeglied zwischen Produzent und Verbraucher. [[1857]] lassen sich 469 Handelsberechtigungen für Fürth nachweisen.<ref>Adreßbuch der Handels- und Fabrikberechtigten von Fürth 1857, S. 3 - 29</ref> Gegenüber den dreißiger Jahren hatte sich das Handelsgewerbe noch einmal stark vermehrt. Dabei schwankte der Anteil der Juden beträchtlich, war aber im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil stets überdurchschnittlich hoch. In den fünfziger Jahren geriet der Handel allerdings in eine Krise, bedingt durch die rasche Ausdehnung des Agenturwesens der bekannten Nürnberger Händler. So sank die Anzahl der Handelskonzessionen von [[1857]] bis [[1865]] um gut 10 Prozent. Insbesondere der Schnittwaren- und Manufakturenwarenhandel ging zurück. Trotzdem kam es zu einem weiteren Anstieg der Bevölkerung. Ab [[1850]] entstand ein weiterer neuer Stadtteil, das ''Viertel hinter dem Rathaus''. Da auch die Entwicklung der Fabriken in der Altstadt an ihre Grenzen gestoßen war, zogen zugleich viele Firmen in das geräumigere Viertel. | ||
[[Bild:Werbung Engelhardt (1).jpg| | [[Bild:Werbung Engelhardt (1).jpg|mini|right|Werbung der Fa. Engelhardt]] | ||
Im Jahr [[1843]] war in Fürth der [[Industrie- und Gewerbeverein]] gegründet worden. Dessen Ziel war es, den Mittelstand, Handwerker und Kleinbetriebe u.a. durch Fortbildungsveranstaltungen und Ausstellungen zu fördern. Tatsächlich erhöhte sich jetzt die Zahl der Meisterbetriebe im Handwerk und die Metallverarbeitung rückte an die erste Stelle. Mit der Aufstellung der ersten Dampfmaschine in der [[J. W. Engelhardt & Co.|Maschinenfabrik Engelhardt]] im Jahr [[1842]] erfolgte wohl die Initialzündung der Industrialisierung in Fürth. Allerdings bestand in den fünfziger Jahren noch kaum örtliche Nachfrage nach Dampfmaschinen, so dass Engelhardt den Bedarf zum großen Teil decken konnte. | Im Jahr [[1843]] war in Fürth der [[Industrie- und Gewerbeverein]] gegründet worden. Dessen Ziel war es, den Mittelstand, Handwerker und Kleinbetriebe u.a. durch Fortbildungsveranstaltungen und Ausstellungen zu fördern. Tatsächlich erhöhte sich jetzt die Zahl der Meisterbetriebe im Handwerk und die Metallverarbeitung rückte an die erste Stelle. Mit der Aufstellung der ersten Dampfmaschine in der [[J. W. Engelhardt & Co.|Maschinenfabrik Engelhardt]] im Jahr [[1842]] erfolgte wohl die Initialzündung der Industrialisierung in Fürth. Allerdings bestand in den fünfziger Jahren noch kaum örtliche Nachfrage nach Dampfmaschinen, so dass Engelhardt den Bedarf zum großen Teil decken konnte. | ||
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* [[J. W. Engelhardt & Co.|Maschinenfabrik Engelhardt]] | * [[J. W. Engelhardt & Co.|Maschinenfabrik Engelhardt]] | ||
* [[Ultramarinfabrik]] von Reichmann und Naumburger | * [[Ultramarinfabrik]] von Reichmann und Naumburger | ||
* Kammfabrik G. Hahn | * Kammfabrik C. G. Hahn | ||
* Dochtfabrik Hahn und Burnitz | * Dochtfabrik Hahn und Burnitz | ||
* Zwirnerei und Carderie von Bernstein & Co | * Zwirnerei und Carderie von Bernstein & Co | ||
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Auch bei den Fürther Brauereien setzte man nun auf den Einsatz von Maschinen. Bereits Mitte der 60er Jahre führte die [[Brauerei Grüner]] als erste Dampfmaschinen ein. Für den Ferntransport schaffte die Brauerei auch sechs Eisenbahnwaggons mit Eiskühlung an.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=209}}</ref> | Auch bei den Fürther Brauereien setzte man nun auf den Einsatz von Maschinen. Bereits Mitte der 60er Jahre führte die [[Brauerei Grüner]] als erste Dampfmaschinen ein. Für den Ferntransport schaffte die Brauerei auch sechs Eisenbahnwaggons mit Eiskühlung an.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=209}}</ref> | ||
===Zweite Phase 1870 - 1914=== | ===Zweite Phase 1870 - 1914=== | ||
Die Entwicklung der Industrialisierung in Fürth beschleunigte sich immens, als in Bayern mit der Umsetzung eines neuen Gewerbegesetzes am [[6. Februar]] [[1868]] die Gewerbefreiheit sowie die rechtliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung durchgesetzt wurden. Diese zweite Phase der Industrialisierung, die ''Gründerzeit'', brachte eine Zunahme und Vergrößerung der Fabriken sowie einen rasanten Bevölkerungsanstieg. Während bis zur Jahrhundertwende das Viertel hinter dem Rathaus bis zur [[Theresienstraße]] erweitert wurde, entstand jetzt jenseits der Würzburger Bahnline ab [[1870]] die ''Südstadt''. | Die Entwicklung der Industrialisierung in Fürth beschleunigte sich immens, als in Bayern mit der Umsetzung eines neuen Gewerbegesetzes am [[6. Februar]] [[1868]] die Gewerbefreiheit sowie die rechtliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung durchgesetzt wurden. Diese zweite Phase der Industrialisierung, die ''Gründerzeit'', brachte eine Zunahme und Vergrößerung der Fabriken sowie einen rasanten Bevölkerungsanstieg. Während bis zur Jahrhundertwende das Viertel hinter dem Rathaus bis zur [[Theresienstraße]] erweitert wurde, entstand jetzt jenseits der Würzburger Bahnline ab [[1870]] die ''Südstadt''. | ||
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In den Jahren zwischen [[1895]] und [[1907]] erhöhte sich die Zahl der industriellen Betriebe noch einmal enorm. Es entwickelten sich dabei immer mehr Großbetriebe und obwohl sie [[1907]] mit einer Anzahl von 69 nur 2% der Betriebe ausmachten, hatten sie mit 7.669 doch 35% der Beschäftigten. Die Tendenz der für den Export arbeitenden Gewerbe ging dabei weg von der Textilverarbeitung hin zur Spiegelglasherstellung, der Metallverarbeitung, hier insbesondere die Brokat-, Bronze- und Bronzefarbenherstellung, und zu Holz- und Schnitzstoffen. So stellt Hans Moser fest: ''Am konsequentesten wurde der Übergang von meisterlichen, häufig verlegten Kleinbetrieben hin zu leistungsfähigen Mittel- und Großbetrieben in der Spiegelglas- und Spiegelindustrie vollzogen, daneben aber auch in der Buntpapier- und Bronzefarbenherstellung sowie im Braugewerbe''.<ref>Hans Moser: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Fürth im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit Erlangen/Nürnberg 1976, S. 92</ref> Daneben wuchsen auch viele andere Branchen und veränderten dabei vielfach die Schwerpunkte ihrer Produktion. So fertigten die Spielwarenfabriken immer weniger Holz- und dafür mehr Blechspielzeug. Blechformen konnten mit Stanzmaschinen schnell und exakt ausgeschnitten und mit Heftmaschinen leicht zusammengefügt werden. Blechdruckmaschinen lösten das langwierige Lackieren ab. So entstanden Brummkreisel, Kindertrompeten, blecherne Puppenküchen und das sehr beliebte mechanische Spielzeug, das mit einem Schlüssel aufgezogen wurde und sich dann in vielfältiger Weise bewegte. Ein Beispiel ist hier die Firma [[GAMA]] von Georg Adam Mangold, die im Jahr [[1881]] gegründet wurde. Ohne die bedeutenden Fürther Großhandelshäuser, z.B. [[Exporthaus Kohnstam|Kohnstam]], [[Nürnberger Straße 91; 93; 95|Borgfeldt]] oder [[Kurgartenstraße 1; Nürnberger Straße 129|Berlin]], hätte die Fürther Spielwarenindustrie mit den vielen kleinen Betrieben nicht funktionieren können.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=213}}</ref> | In den Jahren zwischen [[1895]] und [[1907]] erhöhte sich die Zahl der industriellen Betriebe noch einmal enorm. Es entwickelten sich dabei immer mehr Großbetriebe und obwohl sie [[1907]] mit einer Anzahl von 69 nur 2% der Betriebe ausmachten, hatten sie mit 7.669 doch 35% der Beschäftigten. Die Tendenz der für den Export arbeitenden Gewerbe ging dabei weg von der Textilverarbeitung hin zur Spiegelglasherstellung, der Metallverarbeitung, hier insbesondere die Brokat-, Bronze- und Bronzefarbenherstellung, und zu Holz- und Schnitzstoffen. So stellt Hans Moser fest: ''Am konsequentesten wurde der Übergang von meisterlichen, häufig verlegten Kleinbetrieben hin zu leistungsfähigen Mittel- und Großbetrieben in der Spiegelglas- und Spiegelindustrie vollzogen, daneben aber auch in der Buntpapier- und Bronzefarbenherstellung sowie im Braugewerbe''.<ref>Hans Moser: Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Fürth im 19. Jahrhundert, Diplomarbeit Erlangen/Nürnberg 1976, S. 92</ref> Daneben wuchsen auch viele andere Branchen und veränderten dabei vielfach die Schwerpunkte ihrer Produktion. So fertigten die Spielwarenfabriken immer weniger Holz- und dafür mehr Blechspielzeug. Blechformen konnten mit Stanzmaschinen schnell und exakt ausgeschnitten und mit Heftmaschinen leicht zusammengefügt werden. Blechdruckmaschinen lösten das langwierige Lackieren ab. So entstanden Brummkreisel, Kindertrompeten, blecherne Puppenküchen und das sehr beliebte mechanische Spielzeug, das mit einem Schlüssel aufgezogen wurde und sich dann in vielfältiger Weise bewegte. Ein Beispiel ist hier die Firma [[GAMA]] von Georg Adam Mangold, die im Jahr [[1881]] gegründet wurde. Ohne die bedeutenden Fürther Großhandelshäuser, z.B. [[Exporthaus Kohnstam|Kohnstam]], [[Nürnberger Straße 91; 93; 95|Borgfeldt]] oder [[Kurgartenstraße 1; Nürnberger Straße 129|Berlin]], hätte die Fürther Spielwarenindustrie mit den vielen kleinen Betrieben nicht funktionieren können.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=213}}</ref> | ||
Im wirtschaftlichen Aufschwung der ''Gründerzeit'' fand auch eine Konzentration bei den Fürther Brauereien statt. Fünf Brauereien setzten sich durch und wurden zu industriellen Großbetrieben: [[Brauerei | Im wirtschaftlichen Aufschwung der ''Gründerzeit'' fand auch eine Konzentration bei den Fürther Brauereien statt. Fünf Brauereien setzten sich durch und wurden zu industriellen Großbetrieben: [[Brauerei Humbser|Humbser]], [[Geismann Brauerei|Geismann]], [[Brauerei Grüner|Grüner]], [[Brauerei Evora & Meyer|Evora]] und [[Bergbräu|Mailaender]]. | ||
Obwohl die Wirtschaft der Hochindustrialisierung zwischen [[1871]] und [[1914]] verschiedenen Konjunktureinbrüchen unterworfen war und mit Schutzzöllen vieler Länder zu kämpfen hatte, entwickelte sie sich in Fürth im Ganzen positiv. Viele jüdische Fabrikanten, Großhändler und Bankiers spielten in dieser Entwicklung eine große Rolle. Ohne sie ist die Industrialisierung Fürths nicht zu denken. Mit dem [[Erster Weltkrieg| Ersten Weltkrieg]] aber veränderte sich die Situation schlagartig. Die äußerst exportorientierte Fürther Industrie verlor fast alle ihre Absatzgebiete und konnte sich, da die Metallindustrie kaum eine Rolle spielte, auch nicht auf Kriegsindustrie umstellen. Der Erste Weltkrieg vollzog somit einen gravierenden, folgenschweren Einschnitt in das Wirtschaftsleben der Stadt Fürth.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=215}}</ref> | Obwohl die Wirtschaft der Hochindustrialisierung zwischen [[1871]] und [[1914]] verschiedenen Konjunktureinbrüchen unterworfen war und mit Schutzzöllen vieler Länder zu kämpfen hatte, entwickelte sie sich in Fürth im Ganzen positiv. Viele jüdische Fabrikanten, Großhändler und Bankiers spielten in dieser Entwicklung eine große Rolle. Ohne sie ist die Industrialisierung Fürths nicht zu denken. Mit dem [[Erster Weltkrieg| Ersten Weltkrieg]] aber veränderte sich die Situation schlagartig. Die äußerst exportorientierte Fürther Industrie verlor fast alle ihre Absatzgebiete und konnte sich, da die Metallindustrie kaum eine Rolle spielte, auch nicht auf Kriegsindustrie umstellen. Der Erste Weltkrieg vollzog somit einen gravierenden, folgenschweren Einschnitt in das Wirtschaftsleben der Stadt Fürth.<ref>{{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=215}}</ref> | ||
==Sozialer Wandel== | ==Sozialer Wandel== | ||
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Mit dem Durchbruch der industriellen Revolution entstanden dann in größerem Umfang neue Arbeitsmöglichkeiten. Allerdings verschärften sich bald auch die Unterschiede in den sozialen Schichten der Bevölkerung. Der Oberschicht aus Unternehmern, Großhändlern und Bankiers sowie der Mittelschicht aus kleinen Fabrikanten und Handwerksmeistern stand in der Industriestadt Fürth eine breite Unterschicht aus Fabrikarbeitern, Handwerksgesellen und Dienstboten gegenüber, deren Situation von den harten Bedingungen der Industrialisierung geprägt war. | Mit dem Durchbruch der industriellen Revolution entstanden dann in größerem Umfang neue Arbeitsmöglichkeiten. Allerdings verschärften sich bald auch die Unterschiede in den sozialen Schichten der Bevölkerung. Der Oberschicht aus Unternehmern, Großhändlern und Bankiers sowie der Mittelschicht aus kleinen Fabrikanten und Handwerksmeistern stand in der Industriestadt Fürth eine breite Unterschicht aus Fabrikarbeitern, Handwerksgesellen und Dienstboten gegenüber, deren Situation von den harten Bedingungen der Industrialisierung geprägt war. | ||
[[Bild:A5178 Hans Böckler.jpg| | [[Bild:A5178 Hans Böckler.jpg|mini|right|Hans Böckler]] | ||
Zu Beginn der Industrialisierung wurde allgemein an sechs Tagen der Woche 14 bis 16 Stunden lang gearbeitet. In den 1870er Jahren reduzierte sich die industrielle Arbeitszeit auf durchschnittlich 12 Stunden. Eine Verbesserung brachte das ''Arbeitsschutzgesetz'' des Deutschen Reiches von 1891. Es legte eine Arbeitszeit von 11 Stunden für Frauen und 10 Stunden für Jugendliche fest und verbot die Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche sowie die Arbeit von Kindern in Fabriken. Männer arbeiteten weiterhin 12 Stunden täglich. Verbreitet gab es zudem spezielle Fabrikvorschriften, die die gesetzlichen Regelungen keineswegs immer einhielten. So konnten Arbeiter wegen Kleinigkeiten entlassen werden oder es mussten Strafen gezahlt werden, z.B. wenn jemand nicht rechtzeitig zur Arbeit kommen konnte. Streiks für kürzere Arbeitszeiten oder verlängerte Pausen gab es öfter. Diese waren meist nicht erfolgreich. [[1899]] erzwang [[Hans Böckler]] nach einem 12-wöchigen Streik der Metallschläger eine Arbeitszeitverkürzung auf 9 Stunden. | Zu Beginn der Industrialisierung wurde allgemein an sechs Tagen der Woche 14 bis 16 Stunden lang gearbeitet. In den 1870er Jahren reduzierte sich die industrielle Arbeitszeit auf durchschnittlich 12 Stunden. Eine Verbesserung brachte das ''Arbeitsschutzgesetz'' des Deutschen Reiches von 1891. Es legte eine Arbeitszeit von 11 Stunden für Frauen und 10 Stunden für Jugendliche fest und verbot die Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche sowie die Arbeit von Kindern in Fabriken. Männer arbeiteten weiterhin 12 Stunden täglich. Verbreitet gab es zudem spezielle Fabrikvorschriften, die die gesetzlichen Regelungen keineswegs immer einhielten. So konnten Arbeiter wegen Kleinigkeiten entlassen werden oder es mussten Strafen gezahlt werden, z.B. wenn jemand nicht rechtzeitig zur Arbeit kommen konnte. Streiks für kürzere Arbeitszeiten oder verlängerte Pausen gab es öfter. Diese waren meist nicht erfolgreich. [[1899]] erzwang [[Hans Böckler]] nach einem 12-wöchigen Streik der Metallschläger eine Arbeitszeitverkürzung auf 9 Stunden. | ||
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==Literatur== | ==Literatur== | ||
* Dr. J. Kerschensteiner: ''Die Fürther Industrie in ihrem Einfluss auf die Gesundheit der Arbeiter'', München 1874. | |||
* {{BuchQuelle|Vom Handwerkerort zur Industriemetropole (Buch)}} | |||
* {{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=215}} | * {{BuchQuelle|Fürth - Geschichte der Stadt (Buch)|Seite=215}} | ||
* | * Wolfgang Wüst: ''Im Schatten der Fabrikschlöte - Arbeiteralltag im Spiegel der Fabrikordnungen aus Fürth und Nürnberg vor dem Ersten Weltkrieg'' In: [[Fürther Geschichtsblätter]], Ausgabe 1/2024, S. 3 - 23 | ||
==Siehe auch== | ==Siehe auch== | ||
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* [[Spiegelglasfabriken]] | * [[Spiegelglasfabriken]] | ||
* [[Stadterweiterung]] | * [[Stadterweiterung]] | ||
== Bilder == | |||
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==Einzelnachweise== | ==Einzelnachweise== | ||
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[[Kategorie:Geschichte]] | [[Kategorie:Geschichte]] | ||
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