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'''Heinrich „Heiner“ Stöhr''' (geb. [[12. September]] [[1904]] in Weißenburg i.Bay.<ref>[[wikipedia:Weißenburg in Bayern|Weißenburg i.Bay.]], eine Große Kreisstadt im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen</ref>; gest. [[9. Dezember]] [[1958]] in Treuchtlingen<ref>[[wikipedia:Treuchtlingen|Treuchtlingen]], eine Stadt im südlichen Teil des mittelfränkischen Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen.</ref>) war [[Posamentierer]] (=Bandweber bzw. Bortenmacher) und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-[[Antifaschist|Widerstandskämpfer]] gegen die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nazi-Diktatur]]. Zusammen mit [[Konrad Grünbaum]] baute er von Fürth aus eine Widerstandsgruppe während des Nationalsozialismus auf, die für den gesamten nordbayerischen Raum zuständig war. Stöhr war mit Else Stöhr (geb. Schultheiss) verheiratet. Von [[1946]] war Stöhr bis zum Zeitpunkt seines Todes 1958 als mittelfränkischer Abgeordneter der SPD [[Mitglied des Bayerischen Landtages]].<ref name="Presse-Todestag">Pressemitteilung „SPD gedenkt Heinrich Stöhr, Christa Naaß spricht anlässlich des 50. Todestages des 'Engels von Dachau'“</ref> | '''Heinrich „Heiner“ Stöhr''' (geb. [[12. September]] [[1904]] in Weißenburg i.Bay.<ref>[[wikipedia:Weißenburg in Bayern|Weißenburg i.Bay.]], eine Große Kreisstadt im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen</ref>; gest. [[9. Dezember]] [[1958]] in Treuchtlingen<ref>[[wikipedia:Treuchtlingen|Treuchtlingen]], eine Stadt im südlichen Teil des mittelfränkischen Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen.</ref>) war [[Posamentierer]] (=Bandweber bzw. Bortenmacher) und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-[[Antifaschist|Widerstandskämpfer]] gegen die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nazi-Diktatur]]. Zusammen mit [[Konrad Grünbaum]] baute er von Fürth aus eine Widerstandsgruppe während des Nationalsozialismus auf, die für den gesamten nordbayerischen Raum zuständig war. Stöhr war mit Else Stöhr (geb. Schultheiss) verheiratet. Von [[1946]] war Stöhr bis zum Zeitpunkt seines Todes 1958 als mittelfränkischer Abgeordneter der SPD [[Mitglied des Bayerischen Landtages]].<ref name="Presse-Todestag">Pressemitteilung „SPD gedenkt Heinrich Stöhr, Christa Naaß spricht anlässlich des 50. Todestages des 'Engels von Dachau'“</ref> | ||
== Widerstandsgruppe während der NS-Zeit == | ==Widerstandsgruppe während der NS-Zeit== | ||
[[1922]] trat Stöhr in die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] ein. Gleichzeitig engagierte er sich in der Gewerkschaftsbewegung und wurde schnell einer der führenden Köpfe innerhalb der Widerstandsgruppen in Fürth. Gemeinsam mit [[Konrad Grünbaum|Grünbaum]], Emil Hüls, Fritz Munkert und [[Otto Gellinger]] organisierte Stöhr eine illegale Untergrundorganisation zur Verbreitung von Informationsschriften und Zeitschriften gegen den Nationalsozialismus. Stöhr war als Kurier insbesondere für die Weiterverbreitung der Flugschriften aus der Tschechoslowakei für den Nürnberger Süden bis nach Weißenburg zuständig.<ref name="Broszat/Mehringer-1983">Martin Broszat & Harmut Mehringer (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit - Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand. R. Oldenbourg Verlag München Wien 1983, S. 362 ff.</ref> | [[1922]] trat Stöhr in die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] ein. Gleichzeitig engagierte er sich in der Gewerkschaftsbewegung und wurde schnell einer der führenden Köpfe innerhalb der Widerstandsgruppen in Fürth. Gemeinsam mit [[Konrad Grünbaum|Grünbaum]], Emil Hüls, Fritz Munkert und [[Otto Gellinger]] organisierte Stöhr eine illegale Untergrundorganisation zur Verbreitung von Informationsschriften und Zeitschriften gegen den Nationalsozialismus. Stöhr war als Kurier insbesondere für die Weiterverbreitung der Flugschriften aus der Tschechoslowakei für den Nürnberger Süden bis nach Weißenburg zuständig.<ref name="Broszat/Mehringer-1983">Martin Broszat & Harmut Mehringer (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit - Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand. R. Oldenbourg Verlag München Wien 1983, S. 362 ff.</ref> | ||
[[Datei:Schema des illegalen Sopade-Verteilappartes in Franken.png|miniatur|links|Schema der Widerstandsgruppe in Franken, 1933/34]] | [[Datei:Schema des illegalen Sopade-Verteilappartes in Franken.png|miniatur|links|Schema der Widerstandsgruppe in Franken, 1933/34]] | ||
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In der Endphase des Krieges konnte Stöhr auf Grund seiner Stellung im KZ Dachau nachweislich viele Menschenleben retten. So fälschte er zum Teil Patientenakten, um den Abtransport in die Gaskammern zu verhindern, gab eine geringere Zahl von verstorbenen Patienten an, um die Verpflegungsrationen für lebende Patienten weiter zu erhalten oder behandelte schwerverletzte Patienten heimlich mit lebensrettenden Medikamenten. Nico Rost prägte für ihn den Begriff „Engel von Dachau“, auch wenn diese Bezeichnung häufig auch für andere Häftlinge im KZ Dachau verwendet wird. Kurz vor Kriegsende wurde Stöhr von einem SS-Arzt aus dem KZ herausgeschmuggelt. Er kam im Nebenlager Lindau am Bodensee im April [[1945]] in französische Hände. | In der Endphase des Krieges konnte Stöhr auf Grund seiner Stellung im KZ Dachau nachweislich viele Menschenleben retten. So fälschte er zum Teil Patientenakten, um den Abtransport in die Gaskammern zu verhindern, gab eine geringere Zahl von verstorbenen Patienten an, um die Verpflegungsrationen für lebende Patienten weiter zu erhalten oder behandelte schwerverletzte Patienten heimlich mit lebensrettenden Medikamenten. Nico Rost prägte für ihn den Begriff „Engel von Dachau“, auch wenn diese Bezeichnung häufig auch für andere Häftlinge im KZ Dachau verwendet wird. Kurz vor Kriegsende wurde Stöhr von einem SS-Arzt aus dem KZ herausgeschmuggelt. Er kam im Nebenlager Lindau am Bodensee im April [[1945]] in französische Hände. | ||
== Die Zeit nach 1945 == | ==Die Zeit nach 1945== | ||
[[Datei:Stoehr Heinrich ca 1958.jpg|miniatur|rechts|Heinrich Stöhr, ca. 1958]] | [[Datei:Stoehr Heinrich ca 1958.jpg|miniatur|rechts|Heinrich Stöhr, ca. 1958]] | ||
Nach der Befreiung Bayerns ging Stöhr wieder in seine alte Heimat zurück, nach Weißenburg. Im Rahmen der Nürnberger Prozesse war Stöhr am [[17. Dezember]] [[1946]] Zeuge der Anklage gegen die NS-Ärzte und deren Menschenversuche in Konzentrationslagern.<ref>Harvard Law School Library - Digital Document Collection, online abgerufen am 22. April 2015 | 0:42 Uhr - [http://nuremberg.law.harvard.edu/php/docs_swi.php?DI=1&text=transcript online]</ref> | Nach der Befreiung Bayerns ging Stöhr wieder in seine alte Heimat zurück, nach Weißenburg. Im Rahmen der Nürnberger Prozesse war Stöhr am [[17. Dezember]] [[1946]] Zeuge der Anklage gegen die NS-Ärzte und deren Menschenversuche in Konzentrationslagern.<ref>Harvard Law School Library - Digital Document Collection, online abgerufen am 22. April 2015 | 0:42 Uhr - [http://nuremberg.law.harvard.edu/php/docs_swi.php?DI=1&text=transcript online]</ref> | ||
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Stöhr war ab dem [[30. Juni]] [[1946]] Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und ebenfalls ab [[1946]] Abgeordneter des Wahlkreises Mittelfranken im 1. Bayerischen Landtag. Er wurde jeweils in den Jahren [[1950]], [[1954]] und [[1958]] wiedergewählt. Nach seiner letzten Wiederwahl im Jahr [[1958]] war Stöhr auf dem Weg zur Landtagseröffnung am Treuchtlinger Bahnhof zusammengebrochen. „''Ich habe im letzten halben Jahr zu viel gearbeitet''“ waren seine letzten Worte, bevor er unerwartet am [[9. Dezember]] [[1958]] an den Folgen eines Herzinfarktes verstarb.<ref name="Presse-Todestag"/> | Stöhr war ab dem [[30. Juni]] [[1946]] Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und ebenfalls ab [[1946]] Abgeordneter des Wahlkreises Mittelfranken im 1. Bayerischen Landtag. Er wurde jeweils in den Jahren [[1950]], [[1954]] und [[1958]] wiedergewählt. Nach seiner letzten Wiederwahl im Jahr [[1958]] war Stöhr auf dem Weg zur Landtagseröffnung am Treuchtlinger Bahnhof zusammengebrochen. „''Ich habe im letzten halben Jahr zu viel gearbeitet''“ waren seine letzten Worte, bevor er unerwartet am [[9. Dezember]] [[1958]] an den Folgen eines Herzinfarktes verstarb.<ref name="Presse-Todestag"/> | ||
== Auszeichnungen und Ehrungen == | ==Auszeichnungen und Ehrungen== | ||
Aufgrund seines sozialen Engagements vor Ort in Weißenburg gründete er gemeinsam mit seiner Frau über die Arbeiterwohlfahrt ein Seniorenheim. Nach seinem und dem Tod seiner Ehefrau Else Stöhr wurde das Seniorenheim am 10. Dezember 1959 in den Namen „Else-und-Heiner-Stöhr-Senioren-und-Pflegeheim“ umbenannt. Stöhr erhielt noch zu Lebzeiten am 19. Oktober 1955 das Bundesverdienstkreuz. Posthum wurde am 19. Juni 1980 eine Straße nach ihm in Weißenburg benannt. | Aufgrund seines sozialen Engagements vor Ort in Weißenburg gründete er gemeinsam mit seiner Frau über die Arbeiterwohlfahrt ein Seniorenheim. Nach seinem und dem Tod seiner Ehefrau Else Stöhr wurde das Seniorenheim am 10. Dezember 1959 in den Namen „Else-und-Heiner-Stöhr-Senioren-und-Pflegeheim“ umbenannt. Stöhr erhielt noch zu Lebzeiten am 19. Oktober 1955 das Bundesverdienstkreuz. Posthum wurde am 19. Juni 1980 eine Straße nach ihm in Weißenburg benannt. | ||
== Literatur == | ==Literatur== | ||
* Nico Rost: Goethe in Dachau. Ein Tagebuch, Berlin 1948, zitiert nach List Taschenbuch 2001, S. 82 f. | * Nico Rost: Goethe in Dachau. Ein Tagebuch, Berlin 1948, zitiert nach List Taschenbuch 2001, S. 82 f. | ||
* Martin Broszat & Harmut Mehringer (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit - Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand. R. Oldenbourg Verlag München Wien 1983, S. 362 ff. | * Martin Broszat & Harmut Mehringer (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit - Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand. R. Oldenbourg Verlag München Wien 1983, S. 362 ff. | ||
* SPD-Landtagsfraktion Bayern: Nationalsozialismus - Zweiter Weltkrieg - Neubeginn. Widerstand 1933 - 1946, S. 76 ff. | * SPD-Landtagsfraktion Bayern: Nationalsozialismus - Zweiter Weltkrieg - Neubeginn. Widerstand 1933 - 1946, S. 76 ff. | ||
== Weblinks == | ==Weblinks== | ||
* StadtWiki Weißenburg: ''Heinrich Stöhr'', Volkshochschule Weißenburg und Umgebung e.V., Weißenburg i.Bay. - [http://www.wugwiki.de/index.php?title=Heinrich_St%C3%B6hr online] | * StadtWiki Weißenburg: ''Heinrich Stöhr'', Volkshochschule Weißenburg und Umgebung e.V., Weißenburg i.Bay. - [http://www.wugwiki.de/index.php?title=Heinrich_St%C3%B6hr online] | ||
* Wikipedia: ''Heinrich Stöhr'' - [[wikipedia:Heinrich_Stöhr|online]] | * Wikipedia: ''Heinrich Stöhr'' - [[wikipedia:Heinrich_Stöhr|online]] | ||
== Siehe auch == | * ''Profil Heinrich Stöhr''. In: Abgeordnete von A-Z. Bayerischer Landtag, Landtagsamt, München, aufgerufen am 29. Juli 2024 - [https://www.bayern.landtag.de/abgeordnete/abgeordnete-von-a-z/profil/heinrich-stoehr/ online] | ||
* Heinrich Stöhr in der Parlamentsdatenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte in der Bavariathek, aufgerufen am 29. Juli 2024 - [https://www.bavariathek.bayern/medien-themen/portale/geschichte-des-bayerischen-parlaments/person/1018731571.html online] | |||
==Siehe auch== | |||
* [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] | * [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] | ||
* [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NS-Zeit]] | * [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NS-Zeit]] |
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