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== Berufungskammerentscheidung ==
 
== Berufungskammerentscheidung ==
Jakob legte noch vor Zustellung der Spruchkammerentscheidung Berufung ein, da er die Auffassung vertrat, dass der Spruch schon vor der letzten mündlichen Verhandlung fertiggestellt war und somit nicht ausschließlich auf dem Verhandlungsergebnis beruht. Die Berufskammer hat mit Rücksicht auf die Schwere der Belastung entschieden, erneut eine mündliche Verhandlung durchzuführen. In zwei Sitzungen kam das Berufungsgericht am 24. Mai 1949 zu dem Ergebnis, dass eine fünfjährige Lagerstrafe für Tat und Schuld angemessen sei und Stufte Jakob nicht mehr als "Hauptschuldiger" (Gruppe I) ein, sondern als "Aktivist" (Gruppe II). Die Spruchkammer begründete diese Entscheidung in einer einmaligen Urteilsbegründung, weshalb wir diese hier vollständig wiedergeben:  
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Jakob legte noch vor Zustellung der Spruchkammerentscheidung Berufung ein, da er die Auffassung vertrat, dass der Spruch schon vor der letzten mündlichen Verhandlung fertiggestellt war und somit nicht ausschließlich auf dem Verhandlungsergebnis beruht. Die Berufungskammer hat mit Rücksicht auf die Schwere der Belastung entschieden, erneut eine mündliche Verhandlung durchzuführen. In zwei Sitzungen kam das Berufungsgericht am 24. Mai 1949 zu dem Ergebnis, dass eine fünfjährige Lagerstrafe für Tat und Schuld angemessen sei und Stufte Jakob nicht mehr als "Hauptschuldiger" (Gruppe I) ein, sondern als "Aktivist" (Gruppe II). Die Spruchkammer begründete diese Entscheidung in einer einmaligen Urteilsbegründung, weshalb wir diese hier vollständig wiedergeben:  
    
:''"Der Betroffen wußte von der auf Grund der Ermordung des dt. Botschafters v. Raht gegen die Juden beschlossene „Aktion“, seinem entgegenstehenden Beteuerungen ist wenig oder kein Glauben zu schenken, es gehören diese Beteuerungen neben zahlreichen anderen als Marginale des noch nicht geschriebenen oder herausgegebenen zeitgenössischem Romans aus der Deutschen Gesichte von 1938 mit der Überschrift: „Ich hatte damit nichts zu tun“ oder „Ich konnte dagegen nichts unternehmen“. Selbstverständlich hatte der Betroffene damit insofern nichts zu tun, als er die Synagoge selbst (persönlich) wohl kaum angezündet hatte, aber er ist schon im höchsten Grade verdächtig, dass er erstens von den in der Pogromnacht beabsichtigten Handlungen vorzeitig, d.h. bevor noch ein Fingergriff die ganze Kettenreaktion der turbulenten Nacht auslöste, wußte und dass er zweitens dabei stand, alles sah und bemerkte und dabei seltsamerweise helfen wollte, ohne als hochbestallter und hochgemüter Hr. Kreisleiter helfen zu können. Heute stellt er sich natürlich so, dass er ja eigentlich den ganzen Rummel nicht wollte, ihn lieber unterdrückt hätte aber leider ! nicht konnte, weil usw. In Wirklichkeit billigte er damals die Aktion innerlich von ganzem Herzen, freute sich darüber und an der endlichen Rachenahme für ein Geschehen, für welches nicht ein der jüdischen Bewohner Nürnberg und Fürths verantwortlich gemacht werden kann, außer man konstruiert eine einzigmögliche „Schuld“ allem aus der Tatsache, dass die Juden eben Juden und die Aktion gegen jüdische Personen und Eigentum ging. Nach Darstellung der nationalsozialistischen Macht- und Gewalthaber waren weder sie noch die sozialistischen Macht- und Gewalthaber, noch die ihnen unterstellten (eigentlichen) Täter an dem Geschehen schuldig, sondern taten sie dies nur unter dem Zwang des geheimnisvollen „Befehls“, der von „oben“ an die SA oder einen anderen gegeben worden sei. Hierzu ist zu bemerken, dass ein unsittlicher Befehl bewz. ein Befehl zur Vornahme einer unsittlichen, ebenso rechtswidrigen oder gar völkerrechtswidrigen Handlung niemand entschuldigt. Die Inbrandsetzung  und Zerstörung der Synagoge ist nichts anderes denn als ein Verbrechen des Landfriedensbruches nach dem Strafgesetze und dieses Verbrechen macht sich jeder schuldig, der in irgendeiner Form und Weise daran beteiligt ist, selbst wenn er nur als Zuschauer, Schlachtenbummler oder Zaungast daran beteiligt war. Bei Anhörung der Verteidigung der verschiedenen mehr oder weniger „großen“ Führer der nationalsozialistischen Bewegung gewinnt der unvoreingenommene Hörer oder Beobachter unweigerlich den Eindruck, dass sie im Grunde genommen gegen alles waren, was die nationalsozialistischen Befehlshaber in Gang und Werk gesetzt haben und einfach sich nicht widersetzen konnten, entweder weil sie keine Macht, keine Befehlsgewalt, keine Befugnis hatten, oder weil die Tat von einer aus einer anderen Stadt oder Dorf hierher abgeordneten – also fremden, auswärtigen – SA Horde begangen sei, der sie – selbst als hochgestellter Kreisleiter nicht – in keiner Weise und mit keinem Wörtchen bei Gefährdung des eigenen kostbaren Lebens entgegentreten konnten und dass alles eigentlich durch die historischen oder nicht historischen Nürnberger Heinzelmännchen begangen wurde, an der sie – die damaligen bloß zum Zuschauen verdammten Führer der nationalsozialistischen Partei – keinen Anteil hatten. Der Geist des Jahres 1938 war ein unheiliger, ein Ungeist und der Idealismus war ein falscher und die angewandte Energie schlecht verpuffte Kraft, die besser anders und in anderer Richtung angewendet worden wären.  
 
:''"Der Betroffen wußte von der auf Grund der Ermordung des dt. Botschafters v. Raht gegen die Juden beschlossene „Aktion“, seinem entgegenstehenden Beteuerungen ist wenig oder kein Glauben zu schenken, es gehören diese Beteuerungen neben zahlreichen anderen als Marginale des noch nicht geschriebenen oder herausgegebenen zeitgenössischem Romans aus der Deutschen Gesichte von 1938 mit der Überschrift: „Ich hatte damit nichts zu tun“ oder „Ich konnte dagegen nichts unternehmen“. Selbstverständlich hatte der Betroffene damit insofern nichts zu tun, als er die Synagoge selbst (persönlich) wohl kaum angezündet hatte, aber er ist schon im höchsten Grade verdächtig, dass er erstens von den in der Pogromnacht beabsichtigten Handlungen vorzeitig, d.h. bevor noch ein Fingergriff die ganze Kettenreaktion der turbulenten Nacht auslöste, wußte und dass er zweitens dabei stand, alles sah und bemerkte und dabei seltsamerweise helfen wollte, ohne als hochbestallter und hochgemüter Hr. Kreisleiter helfen zu können. Heute stellt er sich natürlich so, dass er ja eigentlich den ganzen Rummel nicht wollte, ihn lieber unterdrückt hätte aber leider ! nicht konnte, weil usw. In Wirklichkeit billigte er damals die Aktion innerlich von ganzem Herzen, freute sich darüber und an der endlichen Rachenahme für ein Geschehen, für welches nicht ein der jüdischen Bewohner Nürnberg und Fürths verantwortlich gemacht werden kann, außer man konstruiert eine einzigmögliche „Schuld“ allem aus der Tatsache, dass die Juden eben Juden und die Aktion gegen jüdische Personen und Eigentum ging. Nach Darstellung der nationalsozialistischen Macht- und Gewalthaber waren weder sie noch die sozialistischen Macht- und Gewalthaber, noch die ihnen unterstellten (eigentlichen) Täter an dem Geschehen schuldig, sondern taten sie dies nur unter dem Zwang des geheimnisvollen „Befehls“, der von „oben“ an die SA oder einen anderen gegeben worden sei. Hierzu ist zu bemerken, dass ein unsittlicher Befehl bewz. ein Befehl zur Vornahme einer unsittlichen, ebenso rechtswidrigen oder gar völkerrechtswidrigen Handlung niemand entschuldigt. Die Inbrandsetzung  und Zerstörung der Synagoge ist nichts anderes denn als ein Verbrechen des Landfriedensbruches nach dem Strafgesetze und dieses Verbrechen macht sich jeder schuldig, der in irgendeiner Form und Weise daran beteiligt ist, selbst wenn er nur als Zuschauer, Schlachtenbummler oder Zaungast daran beteiligt war. Bei Anhörung der Verteidigung der verschiedenen mehr oder weniger „großen“ Führer der nationalsozialistischen Bewegung gewinnt der unvoreingenommene Hörer oder Beobachter unweigerlich den Eindruck, dass sie im Grunde genommen gegen alles waren, was die nationalsozialistischen Befehlshaber in Gang und Werk gesetzt haben und einfach sich nicht widersetzen konnten, entweder weil sie keine Macht, keine Befehlsgewalt, keine Befugnis hatten, oder weil die Tat von einer aus einer anderen Stadt oder Dorf hierher abgeordneten – also fremden, auswärtigen – SA Horde begangen sei, der sie – selbst als hochgestellter Kreisleiter nicht – in keiner Weise und mit keinem Wörtchen bei Gefährdung des eigenen kostbaren Lebens entgegentreten konnten und dass alles eigentlich durch die historischen oder nicht historischen Nürnberger Heinzelmännchen begangen wurde, an der sie – die damaligen bloß zum Zuschauen verdammten Führer der nationalsozialistischen Partei – keinen Anteil hatten. Der Geist des Jahres 1938 war ein unheiliger, ein Ungeist und der Idealismus war ein falscher und die angewandte Energie schlecht verpuffte Kraft, die besser anders und in anderer Richtung angewendet worden wären.  
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