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Politisch aktiv war er als Mitglied in der ''Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD)''<ref>Freie Arbeiter-Union Deutschlands in Wikipedia, abgerufen am 14.2.14 [http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Arbeiter-Union_Deutschlands Wiki]</ref> (einem Zusammenschluss freier Gewerkschaften), sowie hauptverantwortlicher Redakteur der Zeitschrift "''Der Syndikalist''", einer deutsprachigen Zeitschrift des Anarchosyndikalismus und Organ der FAUD. Die Zeitschrift erschien wöchentlich mit einer Auflage von jeweils 70-80.000 Exemplaren (im Jahr 1922)<ref>Institut für Syndikalismusforschung (Syfo), Berlin</ref>. Hierzu schrieb Oerter eine Vielzahl von Leitartikeln, in der er sich als Verfechter der Idee der Gewaltlosigkeit einsetzte. Sein politisches wie kulturelles Selbstverständnis beschrieb er im "Der Syndikalist" Nr. 2 im Jahr 1922: ''"Für mich ist Kultur Arbeit in rein sozialistischem Sinne. Ich fasse unter diesem Begriff alle aktive Wirksamkeit der Menschheit zusammen durch Hand- und Kopfarbeit der Erde und dem Leben eine möglichst große Menge von materiellen und ideellen Werten abzugewinnen, um diese allen Menschen ohne Ausnehme nutzbar und zugänglich zu machen. In der Art der ausgleichenden gerechten Verteilung oder Zugänglichkeit zu allen Kulturerrungenschaften erblicke ich den Höhen- oder den Tiefstand der Kultur (...) Nicht die Nation und nicht der Kapitalismus dürfen es wagen, sich als die Träger der Kultur aufzuspielen, einzig und allein ist es die werktätige Menschheit, welche wahre Kultur schaffen kann, wenn sie die Grenzen der Staaten nicht mehr anerkennt, sich international solidarisch vereinigt, den Kapitalismus, diese internationale Landplage und Völkergeißel in die Versenkung verschwinden lässt, indem sie ihm alle weiteren Dienstleistungen entzieht und die freie, herrschaftslose Bedarfs- und Gemeinwirtschaft begründet (...) niemand wird es wagen, das was uns heute umgibt, Kultur zu nennen. Kapitalismus und Kultur, Militarismus und Kultur, Justiz und Kultur, Kirche und Kultur: das sind unvereinbare Begriffe, die sich gegenseitig ausschließen. Alle diese Mächte gehen auf die Vergewaltigung des Menschen aus, sie begünstigen die Einen und unterdrücken die Andern (...) In jeder Form ist Gewalt Unkultur (...) Wahre Kultur muß erst geschaffen werden. Ihr Träger kann und wird nur die alle geistigen und materiellen Werte schaffende international solidarisch verbundene Menschheit sein, die den engstirnigen Nationalismus wie auch den Kapitalismus siegreich überwunden hat."''<ref>Fritz Oerter in Der Syndikalist, 4. Jg. Nr. 2, Berlin, 1922</ref>
 
Politisch aktiv war er als Mitglied in der ''Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD)''<ref>Freie Arbeiter-Union Deutschlands in Wikipedia, abgerufen am 14.2.14 [http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Arbeiter-Union_Deutschlands Wiki]</ref> (einem Zusammenschluss freier Gewerkschaften), sowie hauptverantwortlicher Redakteur der Zeitschrift "''Der Syndikalist''", einer deutsprachigen Zeitschrift des Anarchosyndikalismus und Organ der FAUD. Die Zeitschrift erschien wöchentlich mit einer Auflage von jeweils 70-80.000 Exemplaren (im Jahr 1922)<ref>Institut für Syndikalismusforschung (Syfo), Berlin</ref>. Hierzu schrieb Oerter eine Vielzahl von Leitartikeln, in der er sich als Verfechter der Idee der Gewaltlosigkeit einsetzte. Sein politisches wie kulturelles Selbstverständnis beschrieb er im "Der Syndikalist" Nr. 2 im Jahr 1922: ''"Für mich ist Kultur Arbeit in rein sozialistischem Sinne. Ich fasse unter diesem Begriff alle aktive Wirksamkeit der Menschheit zusammen durch Hand- und Kopfarbeit der Erde und dem Leben eine möglichst große Menge von materiellen und ideellen Werten abzugewinnen, um diese allen Menschen ohne Ausnehme nutzbar und zugänglich zu machen. In der Art der ausgleichenden gerechten Verteilung oder Zugänglichkeit zu allen Kulturerrungenschaften erblicke ich den Höhen- oder den Tiefstand der Kultur (...) Nicht die Nation und nicht der Kapitalismus dürfen es wagen, sich als die Träger der Kultur aufzuspielen, einzig und allein ist es die werktätige Menschheit, welche wahre Kultur schaffen kann, wenn sie die Grenzen der Staaten nicht mehr anerkennt, sich international solidarisch vereinigt, den Kapitalismus, diese internationale Landplage und Völkergeißel in die Versenkung verschwinden lässt, indem sie ihm alle weiteren Dienstleistungen entzieht und die freie, herrschaftslose Bedarfs- und Gemeinwirtschaft begründet (...) niemand wird es wagen, das was uns heute umgibt, Kultur zu nennen. Kapitalismus und Kultur, Militarismus und Kultur, Justiz und Kultur, Kirche und Kultur: das sind unvereinbare Begriffe, die sich gegenseitig ausschließen. Alle diese Mächte gehen auf die Vergewaltigung des Menschen aus, sie begünstigen die Einen und unterdrücken die Andern (...) In jeder Form ist Gewalt Unkultur (...) Wahre Kultur muß erst geschaffen werden. Ihr Träger kann und wird nur die alle geistigen und materiellen Werte schaffende international solidarisch verbundene Menschheit sein, die den engstirnigen Nationalismus wie auch den Kapitalismus siegreich überwunden hat."''<ref>Fritz Oerter in Der Syndikalist, 4. Jg. Nr. 2, Berlin, 1922</ref>
 
[[Datei:Fritz Oerter Stimmen der Freiheit.jpg|thumb|right|Stimmen der Freiheit, mit Gedichten von F. Oerter]]
 
[[Datei:Fritz Oerter Stimmen der Freiheit.jpg|thumb|right|Stimmen der Freiheit, mit Gedichten von F. Oerter]]
Als Zeitzeuge und Aktivist der [[Räterepublik Fürth|Räterepublik]] in Bayern und in Fürth schrieb Fritz Oerter Erich Mühsam [[1929]]: ''„Wir alle täuschten uns in der Psychologie der Massen. Wir glaubten sie fähig, sozialistisch zu denken und zu handeln. Ich glaube, ein von der sozialdemokratie unverbildetes Volk wäre vielleicht zu besseren Resultaten gelangt. (...) Auch wir in Fürth hatten vier Tage Räterepublik. Bekannte Arbeiter vielen mir vor Freude um den Hals. ‚Kinder‘, sagte ich, wir haben bis jetzt nur den Namen, die Räterepublik müssen wir erst schaffen`. Es ist nichts daraus geworden und am vierten Tage wurden die Räterepublikaner von den Sozialdemokraten überstimmt. (...) Du siehst, was in München sich zur fürchterlichen Tragödie entwickelte, ward in Fürth zur Posse“''<ref>Anfifaschistische Linke und Jugendantifa: Arbeiter_innenwiderstand in Fürth. Eigenverlag Fürth, 2012, S. 10 f.</ref>.
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Als Zeitzeuge und Aktivist der [[Räterepublik Fürth|Räterepublik]] in Bayern und in Fürth schrieb Fritz Oerter Erich Mühsam [[1929]]: ''„Wir alle täuschten uns in der Psychologie der Massen. Wir glaubten sie fähig, sozialistisch zu denken und zu handeln. Ich glaube, ein von der sozialdemokratie unverbildetes Volk wäre vielleicht zu besseren Resultaten gelangt. (...) Auch wir in Fürth hatten vier Tage [[Räterepublik Fürth|Räterepublik]]. Bekannte Arbeiter vielen mir vor Freude um den Hals. ‚Kinder‘, sagte ich, wir haben bis jetzt nur den Namen, die Räterepublik müssen wir erst schaffen`. Es ist nichts daraus geworden und am vierten Tage wurden die Räterepublikaner von den Sozialdemokraten überstimmt. (...) Du siehst, was in München sich zur fürchterlichen Tragödie entwickelte, ward in Fürth zur Posse“''<ref>Anfifaschistische Linke und Jugendantifa: Arbeiter_innenwiderstand in Fürth. Eigenverlag Fürth, 2012, S. 10 f.</ref>.
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Fritz Oerter gelang in den 1920er Jahren zu einer gewissen Bekanntheit und wurde laut Rudolf Rocker, einen damals ebenfalls sehr bekannten Anarchist und Autor, "zu einem der begabtesten Schriftsteller der anarchistischen Bewegung"<ref>Hg.: M. Melnikow/H. P. Duerr: Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten. Suhrkamp, Frankfurt 1974</ref>. Seine Texte sind jedoch heute meist in Vergessenheit geraten und seine Bücher finden sich, wenn überhaupt, nur noch antiquarisch in diversen Archiven. Zu seinen engsten Vertrauten zählten wichtige Persönlichkeiten der Münchner Räterepublik wie z.B. Gustav Landauer, aber auch Schriftsteller wie Erich Mühsam oder Ernst Toller. Toller soll [[1924]] in Fürth bei Oerter kurzfristig Unterschlupf bekommen haben, nachdem er aus der Haft wegen "Hochverrates" entlassen wurde. Weiterhin soll sich am 19. September 1926 der indische Dichter und Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore bei Oerter aufgehalten haben.  
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Fritz Oerter gelang in den 1920er Jahren zu einer gewissen Bekanntheit und wurde laut Rudolf Rocker, einen damals ebenfalls sehr bekannten Anarchist und Autor, "zu einem der begabtesten Schriftsteller der anarchistischen Bewegung"<ref>Hg.: M. Melnikow/H. P. Duerr: Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten. Suhrkamp, Frankfurt 1974</ref>. Seine Texte sind jedoch heute meist in Vergessenheit geraten und seine Bücher finden sich, wenn überhaupt, nur noch antiquarisch in diversen Archiven. Zu seinen engsten Vertrauten zählten wichtige Persönlichkeiten der Münchner Räterepublik wie z.B. Gustav Landauer, aber auch Schriftsteller wie Erich Mühsam oder Ernst Toller. Toller soll [[1924]] in Fürth bei Oerter kurzfristig Unterschlupf bekommen haben, nachdem er aus der Haft wegen "Hochverrates" entlassen wurde. Weiterhin soll sich am [[19. September]] [[1926]] der indische Dichter und Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore bei Oerter aufgehalten haben.  
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Die Anfänge des Nationalsozialismus beschrieb Oerter in seinem Tagebuch im März 1933 wie folgt: ''„Die ‘Kultur’ schreitet voran (…)  dass man bald von einem geistigen Deutschland nicht mehr reden kann…“'' Das Ergebnis bzw. den Sieg der [[NSDAP]] bei den Reichstagswahlen am [[5. März]] [[1933]] kommentierte er in seinem Tagebuch resignierend mit einem Schiller-Zitat: "''Das war kein Heldenstück, Octavio.''" Seine kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, die er stets auch in seinen Publikationen zum Ausdruck brachte, und seine Kontakte zum demokratischen Widerstand gegen Nationalismus und Großkapital führte immer wieder zu Verhaftungen. Zuletzt wurde Oerter im Alter von 66 Jahren im September [[1935]] verhaftet und durch die [[NSDAP|SA]] verhört. Während der einwöchigen Haft wird Oerter offensichtlich be- oder gar misshandelt, so dass er geschwächt und gebrochen die Haft verlässt. Nur kurze Zeit später verstirbt Oerter am [[19. September]] [[1935]] an den Folgen einer Lungenentzündung im Krankenhaus, vermutlich in Folge der Misshandlungen durch die SA und den Haftbedingungen<ref>Bernd Noack: Spurensuche, Fritz Oerter. ars vivendi Verlag 2013</ref>.
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Die Anfänge des [[Nationalsozialismus]] beschrieb Oerter in seinem Tagebuch im März [[1933]] wie folgt: ''„Die ‘Kultur’ schreitet voran (…)  dass man bald von einem geistigen Deutschland nicht mehr reden kann…“'' Das Ergebnis bzw. den Sieg der [[NSDAP]] bei den Reichstagswahlen am [[5. März]] [[1933]] kommentierte er in seinem Tagebuch resignierend mit einem Schiller-Zitat: "''Das war kein Heldenstück, Octavio.''" Seine kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, die er stets auch in seinen Publikationen zum Ausdruck brachte, und seine Kontakte zum demokratischen Widerstand gegen Nationalismus und Großkapital führte immer wieder zu Verhaftungen. Zuletzt wurde Oerter im Alter von 66 Jahren im September [[1935]] verhaftet und durch die [[NSDAP|SA]] verhört. Während der einwöchigen Haft wird Oerter offensichtlich be- oder gar misshandelt, so dass er geschwächt und gebrochen die Haft verlässt. Nur kurze Zeit später verstirbt Oerter am [[19. September]] [[1935]] an den Folgen einer Lungenentzündung im Krankenhaus, vermutlich in Folge der Misshandlungen durch die SA und den Haftbedingungen<ref>Bernd Noack: Spurensuche, Fritz Oerter. ars vivendi Verlag 2013</ref>.
    
== Bruder Sepp Oerter ==
 
== Bruder Sepp Oerter ==
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