Israelitische Waisenanstalt: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Jüdische Waisenhaus''' wurde [[1763]] von [[Israel Lichtenstadt]] (auch [[Israel Lichtenstadt|Israel Lichtenstaedter]] od. Lichtenstätter) gegründet und ist damit die älteste derartige Einrichtung Deutschlands gewesen.
Das '''Jüdische Waisenhaus''' wurde [[1763]] von [[Israel Lichtenstadt]] (auch [[Israel Lichtenstadt|Israel Lichtenstaedter]] od. Lichtenstädter) gegründet und war damit die älteste derartige Einrichtung Deutschlands und blieb die einzige in Bayern.<ref>„Die im Jahre 1753 gegründete Waisenanstalt zu Fürth, die einzige für Bayern und die älteste Deutschlands, von Seiner Majestät dem Könige, unserem allergnädigsten Landesvater, mit dem Rechte der juristischen Persönlichkeit ausgestattet, nimmt alle israelitischen Waisenknaben aus allen Teilen des ganzen Vaterlandes auf, und ...“; [[wikipedia:Der Israelit|Der Israelit]] vom 16. September 1885</ref> Bis dahin gab es jüdische Waisenhäuser nur in Prag und Amsterdam.


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==Geschichte==
==Geschichte==
Der Stifter Lichtenstädter widmete der Anstalt einen Anfangsbetrag von 500 Gulden. Insgesamt ging die Stiftung mit einem Kapital von 4100 Gulden an den Start.<ref>Das jüdische Waisenhaus von Fuerth [https://jhva.wordpress.com/2011/06/02/das-judische-waisenhaus-von-fuerth/ online]</ref>
[[Datei:Fürth jüd. Waisenanstalt 1935.jpg|miniatur|right|ältestes jüd. Waisenhaus in der Geleitsgasse]]
===Die Anfänge ab 1763===
Der Stifter Lichtenstädter widmete der Anstalt einen Anfangsbetrag von 500 Gulden. Insgesamt ging die Stiftung mit einem Kapital von 4100 Gulden an den Start,<ref>Das jüdische Waisenhaus von Fuerth [https://jhva.wordpress.com/2011/06/02/das-judische-waisenhaus-von-fuerth/ online]</ref> sodass ein Bauplatz [[Geleitsgasse 1 (ehemals)|Geleitsgasse 1]] erworben werden konnte, auf dem die Einrichtung eines Waisenhaus verwirklicht wurde. Das Haus in der Geleitsgasse 1 erhielt auch einen eigenen Betsaal [[Synagoge]]. Die frühere Adressbezeichnung (Adressbuch 1819) lautete: Glaitshausgäßlein Haus Nr. 324.<ref>Fürther Adressbuch 1819, S. 20. Erst ab 1890 setzte sich in Fürth die alternierende Zählung der [[Hausnummern]] beiderseits der Straße durch („Pariser System“). Zuvor wurden alle Häuser in der Stadt flächendeckend fortlaufend nummeriert (Konskriptionsnummern).</ref>


Das Haus in der [[Geleitsgasse 1]] erhielt auch eine eigene [[Synagoge]]. Die frühere Adressbezeichnung (Adressbuch 1819) lautete: Glaitshausgäßlein Haus Nr. 324. [[1868]] errichtete man in der damaligen Julienstraße 2 (heute [[Hallemannstraße 2 / 2a]]) ein neues Gebäude. In der Amtszeit von Königshöfer waren 1881 bereits 48 Kinder in dem Waisenhaus <ref>Angaben nach [[Gisela Naomi Blume]]: ''[[Der alte jüdische Friedhof in Fürth (Buch)]] - 1607 - 2007'', 2007; Seite 345</ref>, das [[1884]] nochmals erweitert wurde.
In den Statuten der ''Heiligen Gesellschaft der Waisenerzieher in Fürth'' von [[1768]] wurde festgehalten, dass "hiesige, arme, in gesetzlicher Ehe erzeugte, einfach und doppelt verwaiste jüdische Knaben im Alter von fünf bis dreizehn Jahren" aufgenommen würden.<ref>Gisela Naomi Blume: "Die Israelitische Waisenanstalt Fürth" in: [[Fürther Geschichtsblätter]], 2010,3 ; Seite 60</ref>


Am 22. März [[1942]] wurden die dort wohnenden 33 Waisenkinder von den Nationalsozialisten in das KZ Izbica deportiert. Seitdem gelten sie als verschollen bzw. sind grausam ums Leben gebracht worden. Ihr Schicksal teilte der letzte jüdische Waisenhausdirektor, [[Isaak Hallemann|Dr. Isaak Hallemann]], seine Frau und zwei seiner Töchter.<ref>PastFinder Nürnberg 3. Ausgabe, Seite 113, ISBN 978-3-00-020329-9</ref>
Jeder Waise bekam Wäsche, Schuhe und einheitliche graue Oberbekleidung. Der Unterricht bestand aus den jüdischen Religionsfächern wie Hebräisch lesen und schreiben, biblische Geschichte, Thora und Propheten sowie hebräische Geographie und den Säkularfächern Lesen, Schreiben, Rechnen, Naturgeschichte, Geographie, vaterländische und allgemeine Weltgeschichte.<ref>Gisela Naomi Blume: "Die Israelitische Waisenanstalt Fürth" in: [[Fürther Geschichtsblätter]], 2010,3 ; Seite 61 f</ref>


Heute dient die Synagoge des ehemaligen Waisenhauses als Gemeindesynagoge der [[Fiorda|Jüdischen Gemeinde Fürth]].
[[Datei:Fürth Waisenanstalt vor 1884 ohne Erweiterungsbau.jpg|miniatur|right| jüd. Waisenhaus vor 1884 ohne Erweiterungsbau]]
 
===Neubau in der Julienstraße===
[[1863]] verzeichnete das Waisenhaus zwölf Waisen, ''zehn von auswärts und nur zwei von hier''.<ref>[[wikipedia:Allgemeine Zeitung des Judentums|Allgemeine Zeitung des Judentums]] vom [[19. Mai]] [[1863]]</ref>
[[1866]] konnte ein Platz zum Bau eines neuen Waisenhauses erworben werden,<ref>Der Bauplatz war noch von [[Simon Bamberger]] erstanden worden; vgl. "[[wikipedia:Der Israelit|Der Israelit]]" vom [[6. November]] [[1867]]</ref> wo dann [[1868]] in der damaligen Julienstraße 2 (heute [[Hallemannstraße 2; Hallemannstraße 2a|Hallemannstraße 2 / 2a]]) das neue Gebäude errichtet wurde.<ref>Die Baugenehmigung für das Waisenhaus wurde im Stadtmagistrat am Dienstag, den 19. März 1867 als ''massiver dreistöckiger Baukörper'' inclusive einer Synagoge erteilt. Siehe dazu [[Fürther Tagblatt]] vom 20. März 1867 [https://api.digitale-sammlungen.de/iiif/image/v2/bsb10503885_00282/pct:52,71.63284,45.06667,6.50369/full/0/default.jpg - online]</ref> Da die Einrichtung die einzige in Bayern war, wurde häufig landesweit um Unterstützung gebeten.<ref>so z.B. in der Zeitschrift "[[wikipedia:Der Israelit|Der Israelit]]" vom [[25. September]] [[1878]], wo auch über Inhaltliches Rechenschaft gegeben wird: ''Schon nach zurückgelegtem 5. Lebensjahre werden die Waisenknaben aufgenommen und verbleiben da  bis zum ihrem 13. beziehungsweise 14 Lebensjahre. Während des Aufenthaltes in der Anstalt erhalten sie Logis, Kost, Kleidung und Wäsche, überhaupt vollständige Verpflegung, sowie vollständigen Religions- und Elementarunterrichts - alles unentgeltlich. In der Religion umfasst der Unterricht alle zu diesem Fache gehörigen Gegenstände, bei den Befähigteren Raschi, Mixchna und Gemara. Der Elementarunterricht entspricht den Leistungen einer städtischen Volksschule und erstreckt sich noch überdies auf kaufmännliche Fächer, wie kaufmännisches Rechnen, Korrespondenz und Buchhaltung. Von den neueren Sprachen wird französisch unterrichtet.''</ref></br>
 
===Anbau der Mädchenwaisenanstalt===
In der Amtszeit von [[Moses Jonas Königshöfer]] waren 1881 bereits 48 Kinder in dem Waisenhaus,<ref>Angaben nach [[Gisela Naomi Blume]]: ''[[Der alte jüdische Friedhof in Fürth (Buch)]] - 1607 - 2007'', 2007; Seite 345</ref> das [[1884]] nochmals erweitert wurde mit einem Anbau an der Ecke [[Julienstraße]]/[[Rosenstraße]].<ref>[[Chronik der Stadt Fürth 1985 (Buch)|Fronmüllerchronik]], 1887, Seite 607</ref> Dieser Anbau war für die Aufnahme von Mädchen bestimmt und hatte als Stiftung dazu 100.000 Mark erhalten.<ref>[[Chronik der Stadt Fürth 1985 (Buch)|Fronmüllerchronik]], 1887, Seite 617. Lazarus Schwarz und dessen Gemahlin Bertha Schwarz aus Nürnberg stellten der Verwaltung der israelitischen Knabenwaisenanstalt diese 100.000 Mark zur Verfügung und können so als die Gründer der israelitischen Mädchenwaisenanstalt in Fürth betrachtet werden. Siehe dazu "[[wikipedia:Der Israelit|Der Israelit]]" vom [[3. November]] [[1884]].</ref> In den Erweiterungsbau des Waisenhauses kam 1884 im Parterre des Anbaus die Synagoge, die ''[[Waisenschul]]'' hinein.<ref>[[Monika Berthold-Hilpert]]: [[Synagogen in Fürth (Broschüre)|Synagogen in Fürth]], S. 11</ref> Als einzige Synagoge Fürths überstand diese die Zerstörungen und Verwüstungen der [[Reichspogromnacht in Fürth|Reichspogromnacht]].
 
Im August 1906 wurden zwei russisch-jüdische Waisenkinder aufgenommen, deren Eltern bei den antisemitischen Pogromen im Zusammenhang mit der [[wikipedia:Russische Revolution 1905|russischen Revolution von 1905]] ums Leben gekommen waren.<ref>Die Kinder kamen aus Bialystock und Jekaterinoslaw; siehe [[Käppner-Chronik]] zu Mai 1902.</ref>
 
===Verhinderter Neubau===
Seit [[1908]] gab es Überlegungen die für ganz Bayern zuständige israelitische Waisenanstalt in Fürth zu vergrößern. Dies sollte durch einen Neubau geschehen. [[1909]] wurde dazu ein Grundstück des Gaswerkareals erworben.<ref>"[[wikipedia:Der Israelit|Der Israelit]]" vom [[6. Mai]] [[1909]]</ref> [[1911]] erhielt die Waisenanstalt aus dem Nachlass des in London verstorbenen Diamantenhändlers Anton Dunkles 10.000 Mark.<ref>[[wikipedia:Allgemeine Zeitung des Judentums|Allgemeine Zeitung des Judentums]] vom [[3. März]] [[1911]]</ref> Jedoch musste nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] die "Bayerische Israelitische Gemeindezeitung" vom [[8. März]] [[1927]] zu dem geplanten Neubau melden: ''Im Jahre 1904 wurde ... ein völlig freies, mit der Aussicht auf das freundliche Wiesental der Rednitz gelegenes, von dem waldigen Höhenzuge der Alten Veste begrenztes, über 2 Morgen großes Grundstück von der Stadtgemeinde erworben und Pläne von den städtischen Bauräten [[Josef Zizler|Zizler]] und [[Otto Holzer|Holzer]], hier, sowie Herrn Architekten Mayer in Nürnberg hierfür ausgearbeitet und bereitgestellt. Die Grundsteinlegung sollte am 7. Januar 1915, dem 70. Geburtstage des Königs, vor sich gehen. Leider hat sich das Jahr, welches ein solch bedeutsames für die Anstalt hätte werden sollen, zu einem überaus unglücklichen gewandelt, denn inzwischen war der Weltkrieg ausgebrochen, welcher die Durchführung des Planes vereitelte.'' Das über 160 Jahre angesammelte Stiftungsvermögen ging nahezu ganz verloren. Damit geriet das Fundament der Anstalt ins Wanken und es konnte in der Folge nur noch um Bestandssicherung gehen.
 
Nach dem Tod [[Alfred Louis Nathan]]s 1922 erbte die israelitische Waisenanstalt in Fürth sein gesamtes Vermögen.<ref>Daniela Eisenstein: ''Alfred Nathan - Stiften aus Tradition''. In: Museumszeitung Ausgabe 76 / 13. Oktober 2022, Seite 19</ref>
 
===Die NS-Zeit===
Am 22. März [[1942]] wurden die dort wohnenden 33 Waisenkinder von den [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialisten]] in das KZ Izbica deportiert. Seitdem gelten sie als verschollen bzw. sind grausam ums Leben gebracht worden. Ihr Schicksal teilte der letzte jüdische Waisenhausdirektor, [[Isaak Hallemann|Dr. Isaak Hallemann]], seine Frau [[Clara Hallemann|Klara]] und zwei seiner Töchter.<ref>Eva Esther und Beate Rachel, siehe [https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/ Gedenkbuch im Bundesarchiv] mit Eingabe "Hallemann"; sowie: PastFinder Nürnberg 3. Ausgabe, Seite 113, ISBN 978-3-00-020329-9</ref>
 
Heute dient die Synagoge des ehemaligen Waisenhauses als [[Gemeindesynagoge]] der [[Fiorda|Jüdischen Gemeinde Fürth]].


==Leiter des Waisenhauses==
==Leiter des Waisenhauses==
* bis 1866 Bamberger
* 1763 bis 1771 [[Israel Lichtenstädter]]
* 1790 bis 1829 [[Lippmann Herz Gerau]]
* 1838 bis 1866 [[Simon Bamberger]]
* 1866 bis mind. 1894: Dr. [[Moses Jonas Königshöfer]]
* 1866 bis mind. 1894: Dr. [[Moses Jonas Königshöfer]]
* 1895 bis 1928: [[Hermann Deutsch]]
* 1895 bis 1928: [[Hermann Deutsch]]
* 1943: [[Isaak Hallemann|Dr. Isaak Hallemann]]
* 1929 bis 1942: [[Isaak Hallemann|Dr. Isaak Hallemann]]


==Literatur==
==Literatur==
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==Siehe auch==
==Siehe auch==
* [[Geleitsgasse 1 (ehemals)]]
* [[Hallemannstraße 2; Hallemannstraße 2a]]
* [[Hallemannstraße 2; Hallemannstraße 2a]]
* [[Israel Lichtenstadt]]
* [[Waisenschul]], Synagoge im Waisenhaus
* [[Armen- und Waisenschule]]
* [[Armen- und Waisenschule]]
* [[Kinderheim St. Michael]] Poppenreuther Str.
* [[Kinderheim St. Michael]] Poppenreuther Str.
* [[Abraham Felsenstein]]
* [[Hirsch Hechinger]]
* [[Alfred Louis Nathan]]
* [[Fiorda]]
* [[Josef Zizler]]
* [[Otto Holzer]]
* [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NS-Staat]]
== Lokalberichterstattung ==
* Sabine Rempe: "Ein Bild erinnert an heldenhaften Mut", [[Fürther Nachrichten]] vom 4. Januar 2022
==Weblinks==
* Alexander Brock: "Gewichte, Seile und Scharniere" in: ''Jüdische Allgemeine'' vom 1.10.2009 über die [[wikipedia:Sukka|Sukka]] im [[Israelitische Waisenanstalt|Jüdischen Waisenhaus]]; siehe [https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/gewichte-seile-und-scharniere/ Online-artikel]
==Einzelnachweise==
<references />


==Bilder==
==Bilder==
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{{Bilder dieser Einrichtung}}


[[Kategorie:Institutionen und Gebäude]]
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[[Kategorie:Altstadt]]
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==Einzelnachweise==
<references />

Aktuelle Version vom 28. Juli 2024, 19:21 Uhr

Hallemannstr. 2, Synagoge

Das Jüdische Waisenhaus wurde 1763 von Israel Lichtenstadt (auch Israel Lichtenstaedter od. Lichtenstädter) gegründet und war damit die älteste derartige Einrichtung Deutschlands und blieb die einzige in Bayern.[1] Bis dahin gab es jüdische Waisenhäuser nur in Prag und Amsterdam.


Geschichte

ältestes jüd. Waisenhaus in der Geleitsgasse

Die Anfänge ab 1763

Der Stifter Lichtenstädter widmete der Anstalt einen Anfangsbetrag von 500 Gulden. Insgesamt ging die Stiftung mit einem Kapital von 4100 Gulden an den Start,[2] sodass ein Bauplatz Geleitsgasse 1 erworben werden konnte, auf dem die Einrichtung eines Waisenhaus verwirklicht wurde. Das Haus in der Geleitsgasse 1 erhielt auch einen eigenen Betsaal Synagoge. Die frühere Adressbezeichnung (Adressbuch 1819) lautete: Glaitshausgäßlein Haus Nr. 324.[3]

In den Statuten der Heiligen Gesellschaft der Waisenerzieher in Fürth von 1768 wurde festgehalten, dass "hiesige, arme, in gesetzlicher Ehe erzeugte, einfach und doppelt verwaiste jüdische Knaben im Alter von fünf bis dreizehn Jahren" aufgenommen würden.[4]

Jeder Waise bekam Wäsche, Schuhe und einheitliche graue Oberbekleidung. Der Unterricht bestand aus den jüdischen Religionsfächern wie Hebräisch lesen und schreiben, biblische Geschichte, Thora und Propheten sowie hebräische Geographie und den Säkularfächern Lesen, Schreiben, Rechnen, Naturgeschichte, Geographie, vaterländische und allgemeine Weltgeschichte.[5]

jüd. Waisenhaus vor 1884 ohne Erweiterungsbau

Neubau in der Julienstraße

1863 verzeichnete das Waisenhaus zwölf Waisen, zehn von auswärts und nur zwei von hier.[6] 1866 konnte ein Platz zum Bau eines neuen Waisenhauses erworben werden,[7] wo dann 1868 in der damaligen Julienstraße 2 (heute Hallemannstraße 2 / 2a) das neue Gebäude errichtet wurde.[8] Da die Einrichtung die einzige in Bayern war, wurde häufig landesweit um Unterstützung gebeten.[9]

Anbau der Mädchenwaisenanstalt

In der Amtszeit von Moses Jonas Königshöfer waren 1881 bereits 48 Kinder in dem Waisenhaus,[10] das 1884 nochmals erweitert wurde mit einem Anbau an der Ecke Julienstraße/Rosenstraße.[11] Dieser Anbau war für die Aufnahme von Mädchen bestimmt und hatte als Stiftung dazu 100.000 Mark erhalten.[12] In den Erweiterungsbau des Waisenhauses kam 1884 im Parterre des Anbaus die Synagoge, die Waisenschul hinein.[13] Als einzige Synagoge Fürths überstand diese die Zerstörungen und Verwüstungen der Reichspogromnacht.

Im August 1906 wurden zwei russisch-jüdische Waisenkinder aufgenommen, deren Eltern bei den antisemitischen Pogromen im Zusammenhang mit der russischen Revolution von 1905 ums Leben gekommen waren.[14]

Verhinderter Neubau

Seit 1908 gab es Überlegungen die für ganz Bayern zuständige israelitische Waisenanstalt in Fürth zu vergrößern. Dies sollte durch einen Neubau geschehen. 1909 wurde dazu ein Grundstück des Gaswerkareals erworben.[15] 1911 erhielt die Waisenanstalt aus dem Nachlass des in London verstorbenen Diamantenhändlers Anton Dunkles 10.000 Mark.[16] Jedoch musste nach dem Ersten Weltkrieg die "Bayerische Israelitische Gemeindezeitung" vom 8. März 1927 zu dem geplanten Neubau melden: Im Jahre 1904 wurde ... ein völlig freies, mit der Aussicht auf das freundliche Wiesental der Rednitz gelegenes, von dem waldigen Höhenzuge der Alten Veste begrenztes, über 2 Morgen großes Grundstück von der Stadtgemeinde erworben und Pläne von den städtischen Bauräten Zizler und Holzer, hier, sowie Herrn Architekten Mayer in Nürnberg hierfür ausgearbeitet und bereitgestellt. Die Grundsteinlegung sollte am 7. Januar 1915, dem 70. Geburtstage des Königs, vor sich gehen. Leider hat sich das Jahr, welches ein solch bedeutsames für die Anstalt hätte werden sollen, zu einem überaus unglücklichen gewandelt, denn inzwischen war der Weltkrieg ausgebrochen, welcher die Durchführung des Planes vereitelte. Das über 160 Jahre angesammelte Stiftungsvermögen ging nahezu ganz verloren. Damit geriet das Fundament der Anstalt ins Wanken und es konnte in der Folge nur noch um Bestandssicherung gehen.

Nach dem Tod Alfred Louis Nathans 1922 erbte die israelitische Waisenanstalt in Fürth sein gesamtes Vermögen.[17]

Die NS-Zeit

Am 22. März 1942 wurden die dort wohnenden 33 Waisenkinder von den Nationalsozialisten in das KZ Izbica deportiert. Seitdem gelten sie als verschollen bzw. sind grausam ums Leben gebracht worden. Ihr Schicksal teilte der letzte jüdische Waisenhausdirektor, Dr. Isaak Hallemann, seine Frau Klara und zwei seiner Töchter.[18]

Heute dient die Synagoge des ehemaligen Waisenhauses als Gemeindesynagoge der Jüdischen Gemeinde Fürth.

Leiter des Waisenhauses

Literatur

  • Gisela Naomi Blume: Die israelitische Waisenanstalt Fürth. In: Fürther Geschichtsblätter, Ausgabe 3/2010, S. 59 - 86
  • Gisela Naomi Blume: Mikwen in Fürth - "Die Kellerquellenbäder der Israelitinnen". In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2011, S. 79

Siehe auch

Lokalberichterstattung

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Die im Jahre 1753 gegründete Waisenanstalt zu Fürth, die einzige für Bayern und die älteste Deutschlands, von Seiner Majestät dem Könige, unserem allergnädigsten Landesvater, mit dem Rechte der juristischen Persönlichkeit ausgestattet, nimmt alle israelitischen Waisenknaben aus allen Teilen des ganzen Vaterlandes auf, und ...“; Der Israelit vom 16. September 1885
  2. Das jüdische Waisenhaus von Fuerth online
  3. Fürther Adressbuch 1819, S. 20. Erst ab 1890 setzte sich in Fürth die alternierende Zählung der Hausnummern beiderseits der Straße durch („Pariser System“). Zuvor wurden alle Häuser in der Stadt flächendeckend fortlaufend nummeriert (Konskriptionsnummern).
  4. Gisela Naomi Blume: "Die Israelitische Waisenanstalt Fürth" in: Fürther Geschichtsblätter, 2010,3 ; Seite 60
  5. Gisela Naomi Blume: "Die Israelitische Waisenanstalt Fürth" in: Fürther Geschichtsblätter, 2010,3 ; Seite 61 f
  6. Allgemeine Zeitung des Judentums vom 19. Mai 1863
  7. Der Bauplatz war noch von Simon Bamberger erstanden worden; vgl. "Der Israelit" vom 6. November 1867
  8. Die Baugenehmigung für das Waisenhaus wurde im Stadtmagistrat am Dienstag, den 19. März 1867 als massiver dreistöckiger Baukörper inclusive einer Synagoge erteilt. Siehe dazu Fürther Tagblatt vom 20. März 1867 - online
  9. so z.B. in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September 1878, wo auch über Inhaltliches Rechenschaft gegeben wird: Schon nach zurückgelegtem 5. Lebensjahre werden die Waisenknaben aufgenommen und verbleiben da bis zum ihrem 13. beziehungsweise 14 Lebensjahre. Während des Aufenthaltes in der Anstalt erhalten sie Logis, Kost, Kleidung und Wäsche, überhaupt vollständige Verpflegung, sowie vollständigen Religions- und Elementarunterrichts - alles unentgeltlich. In der Religion umfasst der Unterricht alle zu diesem Fache gehörigen Gegenstände, bei den Befähigteren Raschi, Mixchna und Gemara. Der Elementarunterricht entspricht den Leistungen einer städtischen Volksschule und erstreckt sich noch überdies auf kaufmännliche Fächer, wie kaufmännisches Rechnen, Korrespondenz und Buchhaltung. Von den neueren Sprachen wird französisch unterrichtet.
  10. Angaben nach Gisela Naomi Blume: Der alte jüdische Friedhof in Fürth (Buch) - 1607 - 2007, 2007; Seite 345
  11. Fronmüllerchronik, 1887, Seite 607
  12. Fronmüllerchronik, 1887, Seite 617. Lazarus Schwarz und dessen Gemahlin Bertha Schwarz aus Nürnberg stellten der Verwaltung der israelitischen Knabenwaisenanstalt diese 100.000 Mark zur Verfügung und können so als die Gründer der israelitischen Mädchenwaisenanstalt in Fürth betrachtet werden. Siehe dazu "Der Israelit" vom 3. November 1884.
  13. Monika Berthold-Hilpert: Synagogen in Fürth, S. 11
  14. Die Kinder kamen aus Bialystock und Jekaterinoslaw; siehe Käppner-Chronik zu Mai 1902.
  15. "Der Israelit" vom 6. Mai 1909
  16. Allgemeine Zeitung des Judentums vom 3. März 1911
  17. Daniela Eisenstein: Alfred Nathan - Stiften aus Tradition. In: Museumszeitung Ausgabe 76 / 13. Oktober 2022, Seite 19
  18. Eva Esther und Beate Rachel, siehe Gedenkbuch im Bundesarchiv mit Eingabe "Hallemann"; sowie: PastFinder Nürnberg 3. Ausgabe, Seite 113, ISBN 978-3-00-020329-9

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