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[[Datei:Giorgio Mulini im Hinterhaus mit Eis.jpg|thumb|right|Mulini im Hinterhof seines Hauses mit Speiseeis.]] | |||
Giorgio Mulini war vermutlich der erste Eishersteller in Fürth. Sein Ruf als erster und einziger Eishersteller im Hinterhof seiner eigenen Häuser in der Wasserstraße 19 – 21 war legendär. Von Fürth und Nürnberg kamen die „Eis hungrigen“ und erwarben das '''Mulini-Eis'''. Im Sommer führte sie ihr weg oft weiter in das Fürther Flussbad. Den „alten Fürthern“ war jener „Italiener aus der Wasserstrass“ bis ins hohe Alter ein Begriff. Noch 70 Jahre nach seinem Tod hört man die Leute vom „Italiener aus der Wasserstrass´“ erzählen. | Giorgio Mulini war vermutlich der erste Eishersteller in Fürth. Sein Ruf als erster und einziger Eishersteller im Hinterhof seiner eigenen Häuser in der Wasserstraße 19 – 21 war legendär. Von Fürth und Nürnberg kamen die „Eis hungrigen“ und erwarben das '''Mulini-Eis'''. Im Sommer führte sie ihr weg oft weiter in das Fürther Flussbad. Den „alten Fürthern“ war jener „Italiener aus der Wasserstrass“ bis ins hohe Alter ein Begriff. Noch 70 Jahre nach seinem Tod hört man die Leute vom „Italiener aus der Wasserstrass´“ erzählen. | ||
Version vom 27. März 2019, 22:51 Uhr
- Vorname
- Giorgio Pietro Fortunato
- Nachname
- Mulini
- Geschlecht
- männlich
- Geburtsdatum
- 18. April 1878
- Geburtsort
- Bagni di Lucca, (Bäder von Lucca), am Platz bei der Brücke Mocco im Hause detto Luogo, Toskana/ Italien
- Todesdatum
- 17. Juni 1951
- Todesort
- Fürth, Klinikum
- Beruf
- Handelsmann, Eishersteller
- Religion
- katholisch
- Friedhof
- Fürth
- Grabstelle
- Grabfeld M, Grab Nr. 242
- Nachlass
- Erbengemeinschaft Mulini
Adressart | VonObjekt |
---|---|
Letzer Wohnort in Fürth | Wasserstraße 19 - 21 |
Giorgio Pietro Fortunato Mulini (geb. 18. April 1878 in Italien, gest. 17. Juni 1951 in Fürth) war der erste Speiseeis-Verkäufer in Fürth.
Familie / Stammbaum
Mulini war verheiratet mit Babette Mulini (geb. 15. August 1881, gest. 16. Februar 1968 in Fürth), geb. Stadtmüller, verw. Heinrich. Die Eheschließung von Giorgio und Babette erfolgte am 6. April 1926. Trauzeugen waren der Zimmermann Johann Brand, 33 Jahre und der Händler Wolfgang Hochammer, 49 Jahre.
Aus der Ehe stammten vier Kinder:
- Anna, gen. "Anni" Mulini, verh. Ott. (geb. 28. Mai 1915, verstorben 28. Juni 1996)
- Betty Mulini, verh. Schwandner (geb. 14. Januar 1918, verstorben 2. April 2007)
- Marianna Pola Amalia, gen. "Mariann", Mulini, verh. Richter (geb. 3. Juli 1920, verstorben 4. März 2017)
- Leopold, gen. "Leo", Mulini (geb. 3. August 1922, verstorben 25. Juli 2009)
Babette Mulini gebar während der Ehen mit Giorgio Mulini und Johann Friedrich Heinrich (Heinrich verstarb überraschend in jungen Jahren am 14. Juli 1911) insgesamt 16 Kinder. Viele der Kinder starben in den ersten Monaten.
Herkunft
Giorgio Mulini und seine Familie stammen aus dem beschaulichen Ort Bagni di Lucca in der Toskana, knapp 50 km nordöstlich von Pisa und 28km entfernt von Lucca. Bagni di Lucca war zur damaligen Zeit der berühmteste Kurort Europas. Bereits den Römern waren die heißen Thermalquellen bekannt. Napoleons Lieblingsschwester Pauline Bonaparte war Stammgast in den Kurbädern und eine weitere Schwester Napoleons war Großherzogin der Toskana und hatte dort ihre Sommerresidenz. Giorgios Vater Leopoldo (Mutter war Marianna, geb. Lucchesi) war ein angesehener Kutscher in Bagni di Lucca und es ist nicht auszuschließen, dass Giorgios Vorfahren dereinst auch die Schwestern Napoleons „kutschierten“. Daneben besuchten auch der russische Hochadel und die englische Aristokratie die berühmten Heilquellen.
Heinrich Heine schrieb in seiner Reisebeschreibung „Die Bäder von Lucca“:
- Ich habe nie ein reizenderes Tal gesehen, besonders wenn man von der Terrasse des oberen Bades, wo die ernst grünen Zypressen stehen, ins Dorf hinab schaut. Man sieht dort die Brücke, die über einen Flüsschen führt, welches Lima heißt, und das Dorf in zwei Teile durchschneidend, an beiden Enden in mäßigen Wasserfällen, über Felsenstücke dahin stürzt und ein Geräusch hervorbringt, als wolle es die angenehmsten Dinge sagen und könne vor dem allseitig plaudernden Echo nicht zu Worte kommen.
Im Winter des Jahres 1837/38 erlebte Bagni die Lucca eine Weltpremiere. Einer erlauchten Klientel wurde das moderne Roulette vorgestellt, das von dort aus seinen Siegeszug um die Welt antrat. Eine Tradition in Giorgios Heimatstadt Bagni di Lucca war u.a. auch die Fertigung von Gipsfiguren, die Giorgio in seiner Werkstatt im Hinterhof seiner Häuser in der Wasserstraße herstellte. Meistens machte er Jesusfiguren am Kreuz, die er dann auch zu Kriegszeiten an die Bauern in der Fränkischen Schweiz verkaufte. Im Gegenzug bekam er von den Bauern Essen für seine Familie. Der An- und Rücktransport erfolgte zu Fuß mit Leiterwagen nach und aus der Fränkischen Schweiz. Die Gewerbeanmeldung für Gipsfiguren datiert vom 4. Mai 1915.
Wann genau Giorgio nach Deutschland bzw. Fürth kam ist nicht dokumentiert. Sein Urenkel, Harald Schiener, konnte jedoch in Erfahrung bringen, dass Giorgio am 31. Mai 1912 aus dem Gemeinderegister gestrichen wurde. Zur Begründung wurde eingetragen „wegen Auswanderung nach Deutschland“. Sicher ist jedoch, dass er vorher in Berlin gelebt und gearbeitet hat. Seine Tochter Betty wusste zu berichten, dass er vorher wohl noch in anderen Städten wie Frankfurt und ggf. auch Ländern (Dänemark und Frankreich) gewesen sein soll, bevor er in Fürth sein Glück fand. Giorgio zog am 6. Februar 1914 zu seiner großen Liebe Babette in die Fürther Wasserstraße, nachdem er vorher in Nürnberg gemeldet war. Babette wohnte bereits während der Ehe mit Heinrich in der Wasserstraße.
Es wird vermutet, dass Giorgio Pietro Fortunato vor seiner Abmeldung aus Bagni di Lucca im Jahre 1912 in Deutschland war. Ob er die Abmeldung in seiner Heimat persönlich vorgenommen hat und nochmals nach Bagni di Lucca fuhr oder ob er dazu einen Auftrag erteilt hat war nicht mehr nachvollziehbar.
Leben und Wirken
Einst zog er, noch weit vor dem ersten Weltkrieg mit zwei weiteren Freunden aus Bagni di Lucca weg. Die Grenzschließung zu Italien im Zuge des beginnenden 1. Weltkrieges verhinderte die Rückkehr nach Bagni di Lucca. Einer der Freunde wollte das Risiko doch eingehen und galt seither als vermisst. Der zweite Freund Giorgios ließ sich in Nürnberg nieder und gründete dort eine Familie. Der Freund, sein Name war wohl Paolo Nerici, machte sich in Nürnberg selbständig mit einem Milch- und/oder Fischgeschäft. Der Kontakt zwischen den beiden Freunden blieb zeitlebens bestehen.
Giorgio Pietro Fortunato Mulini hatte noch zwei Schwestern in Italien. Eine hieß Amalia, die zweite hieß Maria Iole Mulini (geb. 28. August 1897). Um die Häuser in der Wasserstraße zu kaufen, reiste er um das Jahr 1925 zurück nach Bagni di Lucca, um dort sein Erbe zu 2/3 Zug um Zug zu verkaufen. Die Familie Mulini besaß u.a auch Weinberge. 1/3 des Erbes stand den Schwestern zu. Giorgio setzte damals einen Verwalter für die Abwicklung seines italienischen Vermögens ein.
Mit dem Vermögen aus dem sukzessiven Verkauf seines Erbes bzw. Eigentums erwarb Mulini die Häuser Wasserstraße 19 – 21 und das vierfach Grab auf dem Fürther Friedhof. Der Marmor der Grabumrandung und des Grabsteins stammt aus der Gegend um Bagni di Lucca und wurde damals von Giorgio gekauft und nach Fürth gebracht. Noch heute gibt es diese Gesteinsart (rötlicher Marmor) kein zweites Mal auf dem Fürther Friedhof. Voraussichtlich handelt es sich um Carrara Marmor, ein Abbaugebiet unweit von Bagni die Lucca.
Es bestand bis zum Tode Giorgios ein loser Briefkontakt zwischen Giorgio und seinen Schwestern in Italien. Es ist anzunehmen, dass Giorgios Eltern damals bereits verstorben waren, da Giorgio nie darüber sprach und es auch keine Korrespondenz mit den Eltern gab.
Erste Besuche des Dorfes Bagni di Lucca folgten in Form von Tagesausflügen in den 70er Jahren durch die Töchter Giorgios. Ein nachhaltiger persönlicher Kontakt kam jedoch nie zustande. Es waren immer nur Aufenthalte von wenigen Stunden in Bagni di Lucca. Erst der Urenkel Mulinis, Harald Schiener, ließ durch intensive Nachforschung, die teils über dem Heiligen Stuhl / Vatikan erfolgten, die Kontakte mit den nachfolgenden Generationen der „italienischen Mulinis“ wieder aufleben.
- Der Vater von Giorgio war Leopoldo Mulini, geb. 21. September 1848. Dessen Frau war „Marianna“ Mulini, geborene Lucchesi.
- Der Vater Giorgios hatte noch drei weitere Brüder. Paolo (geb. 29. April 1829), Giovanni und Nicodemo Mulini.
- Der Großvater Giorgios war auch ein Nicodemo Mulini (geb. 20. Oktober 1800), der mit Giulianetti Caterina (geborene Michele) verheiratet war. Der Großvater hatte einen Bruder namens Luigi (geb. 1789)
- Giorgios Urgroßvater war Fortunato Mulini, geb. 1755, der mit Anna Maria verheiratet war.
Giorgios Tochter Marianna Pola Amalia Richter erhielt vom Vater die Namen seiner Schwester Amalia und seiner Mutter Marianna. Der Bruder Leopold „Leo“ wurde nach Giorgios Vater Leopoldo benannt. Anna „Anni“ (verh. Ott) erhielt den Vornamen von Giorgios Urgroßmutter. Betty dürfte nach der Mutter Babette genannt worden sein.
Er erwarb 1926 die Wohnhäuser in der Wasserstraße 19 – 21, in deren Hinterhof er seit mindestens 1918 Eis herstellte und in denen die Familie viele Jahre vorher bereits wohnte. Die Häuser wurden um das Jahr 1710 erbaut und später im Juli 1974 im Wege der Altstadtsanierung abgerissen. Der letzte eingetragene Eigentümer war die Neue Heimat Bayern.
Eisherstellung in Fürth
Giorgio Mulini war vermutlich der erste Eishersteller in Fürth. Sein Ruf als erster und einziger Eishersteller im Hinterhof seiner eigenen Häuser in der Wasserstraße 19 – 21 war legendär. Von Fürth und Nürnberg kamen die „Eis hungrigen“ und erwarben das Mulini-Eis. Im Sommer führte sie ihr weg oft weiter in das Fürther Flussbad. Den „alten Fürthern“ war jener „Italiener aus der Wasserstrass“ bis ins hohe Alter ein Begriff. Noch 70 Jahre nach seinem Tod hört man die Leute vom „Italiener aus der Wasserstrass´“ erzählen.
Giorgio war jener legendäre wie gleichsam charismatischer Handelsmann (so seine eigene Berufsbezeichnung), der als erster (wohl in ganz Franken) das italienische Eis im Hinterhof seiner Häuser in der Wasserstraße anbot. Er verkaufte nicht nur selbst, sondern hatte einige Unterhändler, Wiederverkäufer und Standorte. Das „Gewerbe für die Anfertigung und Verkauf“ von Speiseeis hatte er am 27. Mai 1918 beantragt und betrieb es bis zum 17.Juni 1951 (Todesdatum). Der Gewerbebetrieb „Eis“ wurde von seiner Frau Babette übernommen und noch bis zum 20. Juni 1955 mit Tochter Marianna betrieben. Dann wurde das Gewerbe abgemeldet.
Als Standardsorten des Mulini-Eis galten Schokolade, Vanille und Zitrone. Insbesondere die zahllosen Gäste des Flussbades an der Rednitz kauften sich auf dem Weg zum Bad das Eis im Waffelhörnchen, das Mulini mit einem Spatel aus einem großen Behälter heraus schabte. Einen Kugelportionierer, wie sie heute verwendet werden, gab es zu dieser Zeit noch nicht. Für ein "Zehnerla" wurde meist großzügig das Eis verteilt, und nach Aussagen der Tochter Marinna Richter, gab es auch mal das Eis umsonst, wenn seine Kunden "knapp bei Kasse" waren. Das Speiseeis Mulinis wurde nicht nur von den Fürther Kunden geschätzt, es verschaffte ihm auch eine gewisse Bekanntheit über die Stadtgrenze hinaus. So kamen auch Nürnberger zu ihm, um sein Speiseeis zu essen.
Die Eisherstellung erfolgte in einer sich drehenden Schüssel, die mit Roheis gekühlt wurde. Neben dem Verkauf im Hinterhof der Wasserstraße, wurde das Eis auch in der Erlanger Straße bei einem Händler vertrieben, den Mulini mit einem Leiterwagen belieferte. Um im Winter auch Einnahmen zu erzielen, besann sich Mulini offensichtlich seiner italienischen Wurzeln und fertigte in einer weiteren Hütte im Hinterhof Heiligenfiguren und Kruzifixe aus Gips an. Mit einem großen Rucksack und Leiterwagen "bewaffnet" lief Mulini anschließend in die Fränkische Schweiz, wo er die angefertigten Sachen vor Ort an die Bauern verkaufte.
Tod
Mulini starb am 17. Juni 1951 im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls im Klinikum Fürth. Durch den Abriss der Häuser im Rahmen der Gänsberg-Sanierung ist heute von Mulinis Wirkungsstätte nichts mehr erhalten.
Siehe auch
Lokalberichterstattung
- Gwendolyn Kuhn: Eine köstliche Erfrischung im Hinterhof für „a Zehnerla“. In: Fürther Nachrichten vom 20. August 2005 - online abrufbar.
Zeitzeugenbericht
- Artikel gänzlich überarbeitet vom Urenkel Mulinis, Harald Schiener - Fürth, am 24. März 2019