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Wie überall im Deutschen Reich fand am [[9. November]] [[1938]] die alljährliche Gedenk- und Totenfeier der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] für die getöteten Anhänger beim [[wikipedia:Hitlerputsch|Hitlerputsch]] am 8. und 9. November 1923 in München statt. Die Fürther Parteiführer versammelten sich im [[Stadttheater]], das sie eine Stunde später verließen, um in ihrem Stammlokal, im Café Fink, weiterzufeiern. Erst nach Mitternacht soll Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] von bevorstehenden Aktionen gegen die Juden erfahren haben. Dieses Gerücht beinhaltete auch das "Inbrandstecken jüdischer Gebäude". Da diese in Fürth über die Stadt zerstreut lagen und sonderlich die Synagogen sich im dicht bebauten Altstadtviertel befanden, bestand für die Altstadt akute Brandgefahr.<ref name="Manfred Mümmler">Manfred Mümmler: "Fürth 1933 - 1945", S.150 ff</ref>  <ref>Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 98</ref> Jakob befahl dem technischen Leiter der Feuerwehr, Johannes Rachfahl, alle Gebäude neben den vorgesehenen Brandherden - die [[Altschul|große]] und [[Neuschul|kleine]] Synagoge, [[Jüdisches Waisenhaus|Waisenhaus]], [[Israelitische Bürgerschule|Realschule]], [[jüdisches Krankenhaus]] - unter allen Umständen zu schützen.<ref name="Manfred Mümmler"/>  
 
Wie überall im Deutschen Reich fand am [[9. November]] [[1938]] die alljährliche Gedenk- und Totenfeier der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] für die getöteten Anhänger beim [[wikipedia:Hitlerputsch|Hitlerputsch]] am 8. und 9. November 1923 in München statt. Die Fürther Parteiführer versammelten sich im [[Stadttheater]], das sie eine Stunde später verließen, um in ihrem Stammlokal, im Café Fink, weiterzufeiern. Erst nach Mitternacht soll Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] von bevorstehenden Aktionen gegen die Juden erfahren haben. Dieses Gerücht beinhaltete auch das "Inbrandstecken jüdischer Gebäude". Da diese in Fürth über die Stadt zerstreut lagen und sonderlich die Synagogen sich im dicht bebauten Altstadtviertel befanden, bestand für die Altstadt akute Brandgefahr.<ref name="Manfred Mümmler">Manfred Mümmler: "Fürth 1933 - 1945", S.150 ff</ref>  <ref>Niall Ferguson: "Kissinger - der Idealist", S. 98</ref> Jakob befahl dem technischen Leiter der Feuerwehr, Johannes Rachfahl, alle Gebäude neben den vorgesehenen Brandherden - die [[Altschul|große]] und [[Neuschul|kleine]] Synagoge, [[Jüdisches Waisenhaus|Waisenhaus]], [[Israelitische Bürgerschule|Realschule]], [[jüdisches Krankenhaus]] - unter allen Umständen zu schützen.<ref name="Manfred Mümmler"/>  
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Der SA-Obersturmführer von Obernitz mobilisierte seine etwa 150 Mann starke Truppe; zum größten Teil handelte es sich dabei um Schüler der SA-Schule im Fürther [[Stadtwald]]. Zwischen 1:00 Uhr und 1:30 Uhr sprengten diese mit Rammwerkzeugen die schweren Eisentore auf, die den jüdischen Besitz zwischen [[Königstraße|König]]- und [[Mohrenstraße]] abgrenzten. In der Synagoge zerschlugen sie den Thoraschrein, holten die Gebetsrollen heraus, warfen alles, was sie von den Wänden rissen, auf einen Haufen und zündeten es an. Das Feuer breitete sich schnell auf die ganze Synagoge aus.<ref name="Manfred Mümmler"/> [[Albert Neubürger]], ein führendes Mitglied der jüdischen Gemeinde<ref>Albert Neubürger war der jüngste Sohn des früheren Rabbiners [[Jakob Immanuel Neubürger]]</ref>, wurde aus dem Bett geholt und „einige SA-Männer führten den jüdischen Rechtsanwalt Neubürger, der am Kopf blutete und dessen Kleider zerrissen waren, in die Synagoge. Sie schleppten ihn in ein Nebenhaus, in dem sich die Wohlfahrtsstelle der israelitischen Gemeinde befand. Dort versuchten sie, mit seinem Kopf die Tür einzurammen...“<ref>Manfred Mümmler: ''Der Progrom 1938'' in [[Fürth 1933 - 1945 (Buch)|Fürth 1933 - 1945]]. 1995, Seite 152</ref>  Neuburger entging weiterer Tortur nur, weil der Hausmeister inzwischen die Tür mit einem Schlüssel geöffnet hatte. Weisungsgemäß schützte die Feuerwehr die angrenzenden Häuser, wollte jedoch auch im Gotteshaus selbst löschen, was aber durch SA-Männer verhindert wurde. Bis zum Morgen brannte darum die Synagoge vollständig aus.  
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Der SA-Obersturmführer von Obernitz mobilisierte seine etwa 150 Mann starke Truppe; zum größten Teil handelte es sich dabei um Schüler der SA-Schule im Fürther [[Stadtwald]]. Zwischen 1:00 Uhr und 1:30 Uhr sprengten diese mit Rammwerkzeugen die schweren Eisentore auf, die den jüdischen Besitz zwischen [[Königstraße|König]]- und [[Mohrenstraße]] abgrenzten. In der Synagoge zerschlugen sie den Thoraschrein, holten die Gebetsrollen heraus, warfen alles, was sie von den Wänden rissen, auf einen Haufen und zündeten es an. Das Feuer breitete sich schnell auf die ganze Synagoge aus.<ref name="Manfred Mümmler"/> [[Albert Neubürger]], ein führendes Mitglied der jüdischen Gemeinde<ref>Albert Neubürger war der jüngste Sohn des früheren Rabbiners [[Jakob Immanuel Neubürger]]</ref>, wurde aus dem Bett geholt und „einige SA-Männer führten den jüdischen Rechtsanwalt Neubürger, der am Kopf blutete und dessen Kleider zerrissen waren, in die Synagoge. Sie schleppten ihn in ein Nebenhaus, in dem sich die Wohlfahrtsstelle der israelitischen Gemeinde befand. Dort versuchten sie, mit seinem Kopf die Tür einzurammen...“<ref>Manfred Mümmler: ''Der Progrom 1938'' in [[Fürth 1933 - 1945 (Buch)|Fürth 1933 - 1945]]. 1995, Seite 152</ref>  Neuburger entging weiterer Tortur nur, weil der Hausmeister inzwischen die Tür mit einem Schlüssel geöffnet hatte. Weisungsgemäß schützte die Feuerwehr die angrenzenden Häuser, wollte jedoch auch im Gotteshaus selbst löschen, was aber durch SA-Männer verhindert wurde. Bis zum Morgen brannte darum die Synagoge vollständig aus.<ref>ziemlich gleichlautend auch der Auszug aus der "Ballin-Chronik" zum 9. November 1938</ref>
    
In dieser Nacht kam es zu weiteren Ausschreitungen: Die Schaufenster jüdischer Geschäfte zerbarsten, das Inventar wurde zertrümmert, die Warenbestände teilweise geplündert. Fast alle Juden wurden aus ihren Häusern geholt und auf dem [[Fürther Freiheit|Schlageterplatz]] zusammengetrieben.<ref>[[Paul Rieß]] in seiner Chronik zum 10. November 1938</ref> Dort wurde Rabbiner [[Siegfried Behrens]] unter dem Gejohle der gaffenden Menge gezwungen auf einer Thora herumzutrampeln.<ref>Edgar Rosenberg: [https://haitiholocaustsurvivors.wordpress.com/anti-semitism/kristallnacht/kristallnacht-memories-of-edgar-rosenberg/ Kristallnacht Memories]</ref> Dem orthodoxen Rabbiner [[Leo Breslauer]] wurde an gleicher Stelle der Bart abgeschert.<ref>Niall Ferguson: Kissinger - Der Idealist", 2016 dt. Ausgabe, S. 99</ref>  
 
In dieser Nacht kam es zu weiteren Ausschreitungen: Die Schaufenster jüdischer Geschäfte zerbarsten, das Inventar wurde zertrümmert, die Warenbestände teilweise geplündert. Fast alle Juden wurden aus ihren Häusern geholt und auf dem [[Fürther Freiheit|Schlageterplatz]] zusammengetrieben.<ref>[[Paul Rieß]] in seiner Chronik zum 10. November 1938</ref> Dort wurde Rabbiner [[Siegfried Behrens]] unter dem Gejohle der gaffenden Menge gezwungen auf einer Thora herumzutrampeln.<ref>Edgar Rosenberg: [https://haitiholocaustsurvivors.wordpress.com/anti-semitism/kristallnacht/kristallnacht-memories-of-edgar-rosenberg/ Kristallnacht Memories]</ref> Dem orthodoxen Rabbiner [[Leo Breslauer]] wurde an gleicher Stelle der Bart abgeschert.<ref>Niall Ferguson: Kissinger - Der Idealist", 2016 dt. Ausgabe, S. 99</ref>  
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Auch die 42 Kinder aus dem Waisenhaus in der [[Julienstraße]] mussten, teilweise nur mit ihren Nachthemden bekleidet, in der kalten Novembernacht bis zum Morgen ausharren. Frauen und Kinder entließ man nach Hause. Der Chronist berichtet, dass 132 Männer in Autobussen nach Dachau abtransportiert wurden.<ref>Manfred Mümmler: Der Pogrom zu Fürth. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In: Fürther Heimatblätter, 1988/4, S.101 - 112</ref>  
 
Auch die 42 Kinder aus dem Waisenhaus in der [[Julienstraße]] mussten, teilweise nur mit ihren Nachthemden bekleidet, in der kalten Novembernacht bis zum Morgen ausharren. Frauen und Kinder entließ man nach Hause. Der Chronist berichtet, dass 132 Männer in Autobussen nach Dachau abtransportiert wurden.<ref>Manfred Mümmler: Der Pogrom zu Fürth. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In: Fürther Heimatblätter, 1988/4, S.101 - 112</ref>  
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"Am nächsten Tag wurde der Schulhof durch Militärposten abgesperrt. SA-Abteilungen marschierten singend zum Synagogenplatz und einige Schulen erschienen geschlossen bei den verwüsteten Geschäften und ließen Sprechchöre erklingen. Es handelte sich dabei anscheinend um Privatleistungen besonders gesinnungsechter Lehrer."<ref>Ballin: ''Chronik Fürth 1933 - 1945''</ref>
    
[[Datei:Pogromnacht.jpg|mini|right|Hauptsynagoge nach der Pogromnacht 1938]]
 
[[Datei:Pogromnacht.jpg|mini|right|Hauptsynagoge nach der Pogromnacht 1938]]
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