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Version vom 4. Dezember 2013, 23:29 Uhr
Zwölf Jahre "Tausendjähriges Reich" hinterließen in Fürth irreversible Schäden, die bis heute weit über die unbeschreibliche Auslöschung zahlloser Leben, die Vernichtung zahlloser Existenzen und Zerstörungen historischer Bausubstanz und anderer Kulturschätze hinausgehen.
Opfer des NS-Terrors
Vor allem die Verfolgung von Personen jüdischen Glaubens und linker Überzeugungen hat die Kulturszene, aber auch die intellektuelle Oberschicht der Stadt in ihrer Gesamtheit tiefgreifend zerstört. Viele fielen der Gewalt der Nazis unmittelbar zum Opfer: Der Kunstmaler Julius Graumann starb ebenso im KZ wie Volkswirt Rudolf Benario und Antifaschist Ernst Goldmann. Vor dem "Dritten Reich" landesweit bekannte Persönlichkeiten wie Jakob Wassermann, der in den 1920er Jahren in einem Atemzug mit Thomas Mann genannt wurde, blieben auch nach 1945 bis heute weitestgehend unbekannt und fristen ein Schattendasein als "Insidertipp". Vom einstigen Starverteidiger Max Bernstein sind heute nicht einmal mehr Fotografien überliefert, weil sein Nachlass den Nazis zu brisant war, obwohl er lange vor 1933 starb.
Wissenschaftler wie der Metallurg und spätere Cambridge-Professor Robert W. Cahn, der Politikprofessor Joseph Dunner, der erste Direktor des neuen Fürther Klinikums Jakob Frank oder Albert Uffenheimer, ebenfalls Arzt, und die Schriftstellerin Ruth Weiss setzten ihre Karriere nach der Emigration im Ausland fort. Allein aus der Familie des späteren US-Außenministers Henry Kissinger wurden 13 Mitglieder von den Nazis ermordet.
Weitere Opfer bzw. verfolgte Fürther und Fürtherinnen der NSDAP:
- Grete Ballin - Sekretärin der Israelitischen Kultusgemeinde Fürth bis 1943, verschollen in Auswitz 1944
- Rudolf Benario - Mitglied der KPD, ermordert im KZ Dachau
- Josef Blöth - Mitglied der KPD, mehrfach verhaftet
- Hans Blöth - Mitglied der KPD, mehrfach verhaftet
- Michael Blöth - Mitglied der KPD, 1934 ermordet durch die Gestapo
- Hilde Gerber - Mitglied der KVJD (Komm. Jugendverband), mehrfach verhaftet
- Anton Hausladen - Mitglied der KPD und mehrfach verhaftet, verstarb 1949 an den Folgen der Inhaftierung
- Georg Hausladen - Mitglied der KPD, mehrfach verhaftet
- Kunigunde Hausladen - Mitglied der KPD, mehrfach verhaftet
- Christian Hofmann - Mitglied der KPD, ermordet in Dachau
- Ernst Goldmann - Mitglied der KPD, ermordet im KZ Dachau
- Julius Graumann - Kunstmaler, ermordert im KZ Auschwitz
- Fritz Gräßler - Metallpolier und SPD Mitglied, wegen illegalen Parteitätigkeiten 1934 ein Monat in Haft
- Walburga Müller - Mitglied der SPD und wegen Hochverrat verurteilt
- Fritz Örter - Mitglied der SPD, Tod durch eine Lungenentzündung nach einem Verhört mit der SA
- Michael Platzer - Mitglied der KPD, 1944 ermordet in Dachau
- Dr. Albert Rosenfelder - Mitglied der SPD, ermordet in Dachau
- Hedwig Tenart - Mitglied der KPD, verhaftet wegen "kommunistischer Tätigkeit"
- Karl Sahlmann - Hopfenhändler, Selbstmord nach der Pogromnacht
- Babette Zuckermantel - Mitglied der KPD, mehrfach verhaftet
Die Stadtgemeinschaft, z. B. durch ihre Stiftungen, tragende und prägende Familien wurde wie die Sahlmanns ausgelöscht oder emigrierten wie die Berolzheimers. Auf beiden Wegen verschwanden sie fast vollständig aus der Gegenwart und Zukunft der Stadt, viele schafften es nicht einmal in die Geschichtsbücher.
Nicht zuletzt deshalb bleibt auch wirtschaftlich viel Kontinuität zwischen Drittem Reich und BRD: Viele NS-Günstlinge werden ab 1945 inhaftiert, in den als "Persilscheinfabriken" verspotteten Gerichtsverfahren jedoch als "Mitläufer" eingestuft und konnten weitestgehend unbestraft weiterarbeiten - Meistens unverändert mit vormals jüdischem Besitz: Mal weil die Eigentumsübergabe in juristischem Graubereich stattfand, mal weil ganze Familien in KZs ausgelöscht wurden, viele die das Unheil kommen sahen wie der Hopfenhändler und Großkaufmann Karl Sahlmann Suizid begingen oder aus dem Exil nicht zurückkehrten und folglich keine Ansprüche mehr geltend machen konnten oder wollten.
Literatur
- Lothar Berthold, Peter Krauss, Andy Reum, Josh Reuter (Redaktion): „Kristallnacht“ in Fürth In: Sondernummer der Fürther Freiheit, Fürth: (Ehemals Wissenschaftlich-Publizistischer Verlag) heute: „Städtebilderverlag Fürth“, Postfach 1212, 90702 Fürth V.i.S.d.P.: Andy Reum, Erlanger Str. 71, 8510 Fürth - im Netz
- Rainer Hambrecht: Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken, Nürnberg, 1976
- Manfred Mümmler: Fürth in nationalsozialistischer Zeit. Das Alltagsleben 1933 - 1945. Universität Bayreuth, Dissertation, 1994, IV, 355 S.
- Manfred Mümmler: Fürth 1933 - 1945. Emskirchen: Verlag Maria Mümmler, 1995, 224 S., ISBN 3-926477-13-X
- Heinrich Strauß: Fürth in der Weltwirtschaftskrise und nationalsozialistischen Machtergreifung - Studien zur politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung einer deutschen Industriestadt 1928 - 1933, Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte - Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg Band 29, Nürnberg
- Renate Trautwein: Marie Venediger, in: FrauenLeben in Fürth, Spurensammlung und Wegweiser, Nürnberg 2003, Seite 64 - 66
Siehe auch
- Mary Rosenberg
- Holocaust-Denkmal
- Orte der Verfolgung und des Gedenkens
- Zweiter Weltkrieg
- NSDAP
- SPD
- KPD
Einzelnachweis
Weblinks
- Presseausschnitte (FN, NN, Plärrer) und Archivalienkopien (Staatsarchiv München) zu Veranstaltungsverboten der NSDAP 1925/26, der Schoa in Fürth, dem von Alfred Nathan gestifteten König-Ludwig-Brunnen, den hebräischen Druckereien und Akten der Israelitischen Kultusgemeinde. In: Nr. 2 Jüdisches Leben und Antisemitismus in Fürth. Bestandsgruppe F - Findliste F 14 Dokumentationsgut zum jüdischen Leben in Nürnberg und Franken. Erstellt und geschrieben: Gerhard Jochem, Nürnberg, August 1999 - StAN
- Ekkehard Hübschmann: Arbeitsgemeinschaft fränkisch-jüdische Geschichte - im Netz