Julius Hirsch

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Julius Hirsch um 1938. Foto von der NS-"Judenkennkarte".

Julius Hirsch (geb. 7. April 1892 in Achern, gest. an unbekanntem Datum 1943 im KZ Auschwitz; wurde 1950 zum 8. Mai 1945 für tot erklärt) war mehrfacher deutscher Fußball-Nationalspieler, zweifacher Deutscher Meister und spielte 1913 bis 1919 bei der SpVgg Fürth. Mit der SpVgg wurde er 1914 Deutscher Fußballmeister.

Als Jude wurde er 1933 aus den Sportvereinen ausgeschlossen und durch die NSDAP verfolgt und ermordet.

Leben

Julius Hirsch wurde als jüngster von vier Söhnen von insgesamt sieben Kindern während eines Kuraufenthaltes seiner Mutter in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau im badischen Achern geboren. Seine Eltern Benjamin und Emma (geb. Erlanger) Hirsch waren jüdischen Glaubens und betätigten sich in der Landwirtschaft. Julius Hirsch ging 1898 in Karlsruhe zur Schule und beendete die Schulzeit mit der Mittleren Reife. Anschließend besuchte er die Handelsschule und schloss nach zwei Jahren die Kaufmannslehre bei einer Karlsruher Lederhandlung am 1. Oktober 1908 ab. In seinem Ausbildungsbetrieb blieb er bis zum 22. März 1912, um dann im April 1912 in den einjährigen freiwilligen Militärdienst beim 1. Badischen Leib-Grenadier-Regiment Nr. 109 Dienst zu tun. Im Anschluss an seine Dienstzeit zog er nach Nürnberg, wo er eine Stelle bei der Spielwarenfabrik Gebrüder Bing AG antrat.

Julius Hirsch als Dt. Meister

Vermutlich in Nürnberg heiratete er 1920 die gebürtige Karlsruherin Ella Karolina Hauser, die er beruflich als Chefverkäuferin in einem Textilgeschäft kennen gelernt hatte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Heinold Leopold Hirsch (geb. 3. September 1922, gest. 9. August 1996) und Esther Carmen Hirsch (geb. 3. März 1928). Die Ehefrau Ella war evangelischen Glaubens, die Kinder wurden jedoch in der jüdischen Tradition erzogen.

Um seine Frau vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu schützen ließ sich Julius Hirsch von ihr am 2. Dezember 1942[1] scheiden, was ihn selbst aber des Schutzes einer sog. "priviligierten Mischehe" beraubte. Die beiden Kinder Heinold und Esther mussten als "Mischlinge ersten Grades" 1938 die Schule verlassen und ab 1941 den Judenstern in der Öffentlichkeit sichtbar tragen. Am 14. Februar 1945 wurden die beiden Kinder im Alter von 22 und 17 Jahren zum Arbeitseinsatz in das KZ Theresienstadt deportiert. Beide überlebten die Zeit im KZ und wurden durch die Rote Armee am 7. Mai 1945 befreit.

Fußball-Leistungen

Seine fußballerische Laufbahn begann der aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammende Julius Hirsch im Alter von 10 Jahren beim Karlsruher FV, einem der stärksten Vereine der damaligen Zeit. Nach sieben Jahren in den Jugendmannschaften des KFV gelang Hirsch im Jahre 1909 unter dem damaligen Karlsruher Trainer William Townley, der später auch in Fürth anheuern sollte, der Sprung in die erste Mannschaft.

Hirsch überzeugte seinen Trainer mit einer guten Leistung und konnte sich in Folge schnell einen Platz in der Stammelf erarbeiten. Die Spielzeit 1909/1910 krönte der Karlsruher FV am Ende mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1910.

Insgesamt war es eine sehr erfolgreiche Zeit für Hirsch bei seinem Stammverein. Neben dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Jahr 1910 stehen bis zu seinem Wechsel nach Fürth im Jahre 1913 insgesamt drei süddeutsche Meistertitel sowie die Deutsche Vizemeisterschaft 1912 für Hirsch und dem Karlsruher FV zu Buche.

In der Nationalmannschaft gab der Mittelfeldspieler am 17. Dezember 1911 im Spiel gegen Ungarn in München sein Debüt. In seinem zweiten Länderspiel im März 1912 gegen Holland gelangen Hirsch gar vier Tore. Im selben Jahr wurde Julius Hirsch von seinem früheren Trainer William Townley, der Mitte 1911 von Karlsruhe nach Fürth wechselte und auch für den Deutschen Fußball-Bund tätig war, in das deutsche Aufgebot für das Olympische Fußballturnier berufen. Bei dem Turnier in Schweden absolvierte Hirsch zwei Einsätze.

Julius Hirsch leistete zu diesem Zeitpunkt bereits als Freiwilliger Militärdienst. Nach einjähriger Dienstzeit nahm er Mitte 1913 eine Stelle bei der Nürnberger Spielwarenfabrik Bing an und setzte seine Fußballerkarriere bei der SpVgg Fürth fort. Auch hier kreuzten sich die Wege des Spielers Hirsch und des Trainers Townley und es war wohl auch Townley, der Hirsch zu einem Wechsel nach Fürth bewog. Allerdings währte die gemeinsame Fürther Zeit zunächst nur kurz, denn Townley wechselte im Dezember 1913 zum FC Bayern München.

Im Sommer 1914 kehrte Townley nach Fürth zurück. Er wurde für die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft von den Bayern „ausgeliehen“ und so fand die Zusammenarbeit zwischen Julius Hirsch und seinem einstigen Entdecker eine Fortsetzung. Der Erfolg blieb nicht aus, denn Townley führte die SpVgg Fürth am Ende zum Titel und so konnte das Duo Hirsch/Townley mit den „Kleeblättlern“ seinen zweiten gemeinsamen Deutschen Meistertitel feiern.

Die gemeinsame erfolgreiche Arbeit endete nach dem Endspiel aber nun endgültig. Townley zog es zurück zum FC Bayern München, Julius Hirsch setzte seine Karriere zunächst in Fürth fort.

Im August 1914, nach Ausbruch des 1. Weltkrieges, wurde Hirsch erneut zum Militär eingezogen und musste seine Karriere daraufhin für mehrere Jahre unterbrechen. Im Krieg diente Julius Hirsch an vorderster Front. Bis zum Kriegsende hatte er den Rang des Vizefeldwebels erreicht und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Angesichts der Opferzahlen, die der Krieg forderte, schien es eine glückliche Fügung des Schicksals gewesen zu sein, dass Hirsch diese Zeit überlebte.

Nach dem Krieg kehrte Hirsch nach Fürth zurück und kam im Jahr 1919 noch einige Male für die SpVgg zum Einsatz. Sein letztes Spiel für die SpVgg Fürth bestritt Julius Hirsch am 5. Juli 1919 mit dem 2. Entscheidungsspiel um die Mittelfränkische Gaumeisterschaft gegen den 1. FC Nürnberg.

Danach zog es ihn zurück nach Karlsruhe, wo er seine aktive Laufbahn nach zwei gewonnenen Deutschen sowie vier süddeutschen Meisterschaften, einer Deutschen Vize-Meisterschaft, sieben Länderspielen und einer Olympiateilnahme für Deutschland langsam ausklingen ließ.

Als im Jahre 1939 im Nürnberger Kicker-Verlag das Sammelalbum „Die deutschen Nationalspieler“ erschien, fehlten bereits die Einträge der ehemaligen jüdischen Nationalspieler: Julius Hirsch und Gottfried Fuchs. Als Juden waren sie bereits aus der Geschichte des deutschen Fußballs gelöscht worden.

Tod und Andenken

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler Anfang 1933 waren Sportvereine angehalten, jüdischen Bürgern den Zutritt und die Mitgliedschaft zu verwehren. Hirsch trat, als er hiervon erfuhr, „bewegten Herzens“ im April 1933 aus seinem Stammverein, dem Karlsruher FV, aus. Julius Hirsch selbst sah sich zu diesem Zeitpunkt als „national denkender“ deutscher Jude, der seine Vaterlandsliebe im 1. Weltkrieg als „durch die Tat bewiesen“ sah, wie er in seinem Austrittsgesuch schrieb.

Ungeachtet seiner Heimatverbundenheit und seiner für Deutschland im 1. Weltkrieg erbrachten Entbehrungen und Strapazen wurde er von der Gestapo im Februar 1943 zu einem Arbeitseinsatz bestellt und unter diesem Vorwand ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Im KZ verliert sich seine Spur im Jahr 1943, die Umstände sowie das genaue Todesdatum blieben ebenfalls unbekannt. Das letzte Lebenszeichen, dass die Familie von Julius Hirsch erhielt, war eine Geburtstagskarte vom 3. März 1943 aus Dortmund an seine Tochter: „Meine Lieben! Bin gut gelandet, es geht gut. Julius. Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse Euer Juller“.[2] Erst im Jahre 1950 setzte das Amtsgericht Karlsruhe das Todesdatum auf den 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation der Wehrmacht, fest.

Es dauerte lange, ehe man sich wieder der Geschichte von Julius Hirsch im Speziellen und die der umgekommenen jüdischen Fußballer im Allgemeinen bewusst wurde. So wurde 2006 in Gedenken an Julius Hirsch die Spielstätte des jüdischen Fußballvereins TuS Makkabi Berlin in „Julius-Hirsch-Sportplätze in Eichkamp“ umbenannt und in Karlsruhe wurde im selben Jahr ein sogenannter „Stolperstein“ gesetzt. Der Deutsche Fußball-Bund rief bereits ein Jahr zuvor den „Julius-Hirsch-Preis“ ins Leben. Mit ihm werden seither jährlich Personen und Organisationen gewürdigt, die ihre gesellschaftliche Stellung für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit nutzen. Prominente Preisträger bisher waren der FC Bayern München sowie die Fanprojekte des FC Schalke 04 und Borussia Dortmund.

Am 27. Februar 2014 beschloß der Fürther Stadtrat, das neue Sportzentrum am Schießanger nach Julius Hirsch zu benennen (siehe: Julius-Hirsch-Sportzentrum).

Literatur

  • Jürgen Bitter: Deutschlands Fußball-Nationalspieler - Das Lexikon, 1997, ISBN 3-328-00749-0
  • Schollmeyer, Swantje: Julius "Juller" Hirsch: 1892 Achern - 1943 Auschwitz; deutscher Fußballnationalspieler. - Teetz, 2007. - (Jüdische Miniaturen; 51)
  • Pfeiffer, Lorenz: Gefeiert, verfolgt, ermordet - und dann vergessen? - Das Schicksal des Julius Hirsch und anderer jüdischer Sportler. In: Schwerpunktthema: Entrechtung und Enteignung / hrsg. von Jim G. Tobias ... - Nürnberg, 2008. - (Nurinst  ; 4). - S. 49 - 62
  • Skrentny, Werner: Julius Hirsch: Der Nationalspieler, den die Nationalsozialisten ermordeten. In: Hakenkreuz und rundes Leder / Lorenz Peiffer (Hrsg.). - Göttingen, 2008, S. 489 - 497
  • Skrentny, Werner: Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet: Biografie eines jüdischen Fußballers / Verlag Die Werkstatt GmbH, 2013, ISBN 3895338583

Lokalberichterstattung

Weblinks

  • Julius Hirsch in der Online-Chronik der SpVgg Gr. Fürth - im Internet
  • Julius Hirsch - Wikipedia
  • Julius-Hirsch-Preis - Wikipedia
  • Julius Hirsch - Stadtwiki Karlsruhe
  • Julius-Hirsch - Deutscher Fußball-Bund
  • Pfeiffer, Lorenz: Gefeiert, verfolgt, ermordet - und dann vergessen? Das Schicksal des Julius Hirsch und anderer jüdischer Sportler, Vortrag vom 27. Januar 2008 in Karlsruhe anlässlich des Holocaust-Gedenktages - im Internet
  • Hartmut Voigt: Grausames Schicksal eines jüdischen Fußball-Stars. In: Nürnberger Nachrichten vom 9. März 2013 - im Internet
  • Gedenkbuch für die Karlsruher Juden - im Internet

Einzelnachweise

  1. Gedenkbuch für die Karlsruher Juden, Homepage abgerufen am 28. Februar 2014 um 12 Uhr im Internet
  2. Gedenkbuch für die Karlsruher Juden, Homepage abgerufen am 28. Februar 2014 um 12 Uhr im Internet

Für die Recherche dieses Artikels wurden o. g. Literatur, die o. g. Weblinks sowie die Datenbestände auf der Kleeblatt-Chronik bzw. der Statistikbereich auf den Seiten des Deutschen Fußball-Bundes verwendet.