Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten

Der Gesamtdeutscher Block/ Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) war eine bundesweit politisch tätige Partei, die auch in Fürth einen Kreisverband hatte. Von 1952 bis 1966 war die BHE im Fürther Stadtrat vertreten.

Wahlkampfwerbung der BHE, ca. 1960

Entstehung

Die Partei wurde im Januar 1950 in Schleswig-Holstein gegründet und hatte eine klare politische Ausrichtung: sie war die Interessenvertretung der nach dem Ende des 2. Weltkrieges Flüchtlingsdeutschen aus den ehem. Ostgebieten des Deutschen Reichs. Insgesamt 8,4 Mio Menschen (bis 1953) flohen in die drei Westzonen, davon ca. 2. Mio nach Bayern. Damit waren knapp 20 % der Bayrischen Bevölkerung Flüchtlinge, die zum Teil unter schier unüberwindlich erscheinenden ökonomischen und sozialen Härten unter den "Einheimischen" wohnten.

 
Wahlkampfwerbung der BHE, ca. 1960

Besonders in der Fürther Altstadt, aber auch in den Wohnsiedlungen Eigenes Heim, Südstadt und später auf der Hardhöhe war der Anteil der Flüchtlingsdeutschen sehr hoch. Die Fürther Bevölkerung war zunächst dieser Bevölkerungsgruppe gegenüber sehr Misstrauisch bzw. sehr ablehnend gegenüber gestanden. Erst mit der Integration der neuen Bewohner in Fürth in den 1960er und 1970er Jahren verschwanden die Grenzen und Ausgrenzungen[1].

Die BHE stand im Wesentlichen für zwei Forderungen: "Lebensrecht im Westen" sowie "Heimatrecht im Osten". Unterstützt wurde die BHE dabei auch von vielen ehem. Nationalsozialisten (die sog. "Entrechteten"), die also durch die Entnazifizierung eine Beeinträchtigung ihrer persönlichen und beruflichen Karriere sahen. Programmatisch beschwor die Partei das sog. "christliche Abendland" und verteufelte den "Kommunismus". Gleichzeitig propagierten sie das "Heimatrecht", welches sich mit der Wiederherstellung des Reiches in den Grenzen von 1937 befasste. In seinem Programm wandte sich der BHE auch an die Opfer des Bombenkrieges, Geschädigte der Währungsreform und ehemalige Beamte, die nach 1945 im Rahmen der Entnazifizierung entlassen worden waren. Dabei spielte die BHE, die in vielen Bundesländern an der Regierung beteiligt war bzw. ab 1953 im Bundestag vertreten war in der Regierung von Konrad Adenauer, eine nicht ganz unwesentliche Rolle in der Beendigung der Entnazifizierungsaktionen. Der Vorsitzende der BHE Partei legte in einem Interview 1952 Wert auf die Feststellung, dass die BHE zwar die Partei „auch der ehemaligen Nazis, aber nicht derjenigen, die heute noch Nazis sind" sei[2].

BHE in Fürth

In Fürth kandidiert die Wählervereinigung der "Flüchtlingsgruppen" erstmals 1948 für den Stadtrat. Auf Anhieb erhielt die Wählervereinigung einen Sitz im Stadtrat, vertreten durch den Kaplan Franz Zimmermann. Inzwischen hatte sich im August 1950 die BHE in Fürth gegründet und konnte bei der nächsten Kommunalwahl erstmals gewählt werden. 1952 erreichte die BHE 7,1 % und somit drei Sitze (Dr. Jochen Klings, Alfred Gibisch und Franz Kolbe). Auch bei der nächsten Kommunalwahl 1956 konnten die BHE ihre drei Sitze behaupten, auch wenn sie prozentual etwas eingebüßt hatten und nur noch 6,6 % erreichten. Das Wahlergebnisse konnte bei der nächsten Wahl 1960 fast gehalten werden, es wurden dies Mal 6,7 % erzielt (Stadträte: Alfred Gibisch, Gerhard Freund, Erich Müller).

Allerdings war 1960 der Zenit der Partei erreicht - ab diesen Zeitpunkt sank die BHE in der Wählergunst. Dies hatte mehrere Ursachen. Primär waren die ehem. Flüchtlinge gegen Ende der 1960er Jahre soweit integriert, so dass die Interessensvertretung durch die BHE für viele nicht mehr notwendig erschien. Gleichzeitig radikalisierte sich mit dem Niedergang der BHE die Partei, so dass viele ihr den Rücken kehrten - sei es aus Ablehnung - oder aber auch, weil Ihnen die BHE nicht radikal genug erschien. So verließen viele gemäßigten BHE Mitglieder die Partei in Richtung CSU und FDP, zum Teil auch zur SPD - oder aber, für die die Partei nicht radikal genug erschien, zur NPD.

In Fürth wechselte zum Beispiel Erich Müller, der 1960 noch für die BHE in den Stadtrat kam, die Fronten und ging 1966 zur FDP. Hier wurde er erneut gewählt und war bis 1972 als Mitglied der FDP im Stadtrat. Ein weiteres Beispiel war Gerhard Freund. 1960 wurde Freund noch für die BHE in den Stadtrat gewählt, sechs Jahre später zog er erneut in den Stadtrat, diese Mal für die SPD Stadtratsfraktion. Freund war noch bis 1978 für die SPD im Stadtrat.

Auflösung

Anfang der 1960er verschwand die BHE aus den meisten Landesparlamenten, so dass der Niedergang nur eine Frage der Zeit war. Viele Mitglieder wechselten die Lager bzw. die Partei und gingen zur CSU, FDP und SPD bzw. zur NPD. Nachdem sich die Partei durch interne Streitigkeiten zu einer Splitterpartei entwickelt hatte, kam der langsame Siechtum der Organisation - bis sich die Partei 1981 endgültig auflöste. In Fürth spielte die BHE bereits ab Mitte der 1960er keine aktive politische Rolle mehr. Richard Stöss schrieb in seiner Publikation zu den Parteien in der Nachkriegszeit: "... je mehr der Integrationsprozeß voranschritt, um so mehr verblaßte auch die Sehnsucht nach der Rückkehr in die alte Heimat, der BHE verlor seine soziale Basis trotz vermehrter Anstrengungen, durch eine nationalistische, revisionistische oder gar revanchistische Agitation das Heimatbewußtsein aufrecht zu erhalten."[3]

Siehe auch

Literatur

  • Karl-Ulrich Gelberg, Neubildung von Parteien und Verbänden, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band, 1. Teil, München 2. Auflage 2003, 757-802.
  • Richard Stöss, Der Gesamtdeutsche Block, in: Ders. (Hrsg.), Parteien-Handbuch der Parteien der Bundesrepublik Deutschland, 1945-1980. 3. Band, Opladen 1986, 1424-1459

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten. Online abgerufen am 3. August 2016 | 0:31 Uhr online abrufbar
  2. Richard Stöss, Der Gesamtdeutsche Block, in: Ders. (Hrsg.), Parteien-Handbuch der Parteien der Bundesrepublik Deutschland, 1945-1980. 3. Band, Opladen 1986, 1424 ff.
  3. Richard Stöss, Der Gesamtdeutsche Block, in: Ders. (Hrsg.), Parteien-Handbuch der Parteien der Bundesrepublik Deutschland, 1945-1980. 3. Band, Opladen 1986, 1424 ff.