Müll-Schwelbrennanlage
Die 1997 fertig gestellte Fürther Müll-Schwelbrennanlage (kurz: SBA) war ein 125 Millionen Euro teures Pilotprojekt der Firma Siemens zur Verschwelung von Müll und Herstellung von elektrischer Energie. Öffentlich wegen hochgiftiger Schwelgase heftig umstritten, brachten mehrere Störfälle schon nach wenigen Wochen im Betrieb das Aus. Als Folge wird der Fürther Restmüll seit der Schließung des Müllbergs in die Nürnberger Müllverbrennung gebracht.[1]
Initiative
Siemens KWU bot Fürth 1985 eine kostenlose Versuchsanlage zur Müllverschwelung an. Die Kosten wurden 1990 auf 32 Millionen Deutsche Mark beziffert, bis 1995 wuchsen sie auf 66 Millionen DM an.
Protest
Der Bund Naturschutz hielt der SBA gemeinsam mit dem "Müll und Umwelt e. V. Fürth" ein alternatives Abfallkonzept entgegen. Breite Unterstützung kam aus weiten Kreisen der Bevölkerung, es fanden mehrere Demonstrationen statt und 1993 wurden 27.000 Einwendungen gegen die SBA abgegeben. In einer neuntägigen Anhörung im Nürnberger Messezentrum wurde dann das alternative Müllkonzept vorgetragen. Nach Baubeginn klagten fünf Betroffene gegen den Bescheid, als noch während der Bauphase 1995 eine Privatisierung ins Gespräch kam, wurde in Fürth erstmals ein Bürgerbegehren gestartet, dass schließlich knapp mit 49 % zu 51 % scheiterte.[2]
Bau
Nach der Genehmigung durch die Regierung von Mittelfranken begann der Bau der SBA im September 1994. Nach gescheitertem Bürgerbegehren (siehe Abschnitt: Protest) wurde die Anlage noch vor Inbetriebnahme privatisiert und an die Stromkonzern-Tochter UTM GmbH veräußert. Ziel war es, weiteren Müll aus Erlangen aufzunehmen.
Scheitern
Nach Inbetriebnahme 1997 traten zahlreiche Probleme wie Materialstau, Softwareausfall und Schwelgasfreisetzung nach Bypassöffnung auf. Die neugegründete Aktion "Bürger beobachten die Schwel-Brenn-Anlage" dokumentierte dies. 1998 wurde nochmals nachgebessert, doch beim Probelauf im August 1998 kam es zum entscheidenden Störfall, als ein Metallgeflecht im Müll zu einem Materialstau führte, eine Schweltrommeldichtung zerstörte und giftiges Schwelgas austrat und 73 Personen verletzte.[3]
Kosten
Bereits beim Bau mussten die Partner im Zweckverband Abfallbeseitigung Rangau (ZAR) einer Risikobeteiligung zustimmen.
Als die SBA endgültig außer Betrieb ging, hatte die Stadt 8,8 Millionen Mark an Siemens zu zahlen, weitere 5 Millionen Mark musste der damals im Müllzweckverband angeschlossene Landkreis aufbringen.
Verkauf
1999 erwarb der Bauunternehmer Günther Karl die Anlage von Siemens. Wie erst Anfang 2009 bekannt wurde, hatte dieser die stillgelegte SBA bereits zum 13. März 2008 an die Max Aicher GmbH, Freilassing weiterveräußert.[4]
Sonstiges
Gegen 10:24 Uhr ging am Sonntag, den 28. Januar 2018 der Feueralarm bei der Berufsfeuerwehr Fürth ein. Im 2. Obergeschoss brannte ein ca. 20 m2 großer Raum mit Kartonagen und Müll.[5] Vier Wochen später, am 23. Februar, brannte es in der Anlage erneut; kurz danach konnte die Polizei vier verdächtige junge Männer festnehmen, die die Brandstiftung zugaben.[6]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Website der Müllverbrennung Nürnberg
- ↑ Waltraud Galaske: 20 Jahre Müll und Umwelt Fürth, Information der Bundesarbeitsgemeinschaft "Das Bessere Müllkonzept", Oktober 2008 - online abrufbar
- ↑ Johannes Alles: Der Tag, an dem die Giftwolke über Fürth zog. In: Fürther Nachrichten vom 28. August 2008 - online abrufbar
- ↑ Volker Dittmar: Ex-Müllofen wechselte Besitzer. In: Fürther Nachrichten vom 2. Februar 2009 - online abrufbar
- ↑ Feuer in der alten Schwelbrennanlage. In: Fürther Nachrichten vom 29. Januar 2018 (Druckausgabe) bzw. fn: Feuer verwüstet alte Schwelbrennanlage in Fürth. In: nordbayern.de vom 28. Januar 2018 - online abrufbar
- ↑ fn: Festnahme nach Brand. In: Fürther Nachrichten vom 26. Februar 2018 (Druckausgabe) bzw. Serie in Fürther Schwelbrennanlage: Brandstifter gefasst. In: nordbayern.de vom 25. Februar 2018 - online abrufbar
Bilder
Die Müll-Schwelbrennanlage im Mai 2018 von der Hafenbrücke aus gesehen
Von den Bürgerinitiativen gegen die Schwelbrennanlage aufgestelltes "Protest-Marterl" gegenüber der Abzweigung des Aischwegs von der Mainstr.
Von den Bürgerinitiativen gegen die Müll-Schwelbrennanlage aufgestelltes "Protest-Marterl" gegenüber der Abzweigung des Aischwegs von der Mainstraße
2015: Blick vom Main-Donau-Kanal Weg auf den Hafen Fürth, Bildmitte die ungenutzt in der Landschaft stehende, 2019 abgerissene Müll-Schwelbrennanlage, rechts Teil von Atzenhof
2001: Blick vom Main-Donau-Kanal Richtung der 2018 abgerissenen Müll-Schwelbrennanlage, der Hafenbrücke und dem Tanklager Hafen Fürth. Im Hintergrund die Kräne vom Hafen Fürth und dem Solarberg.
Blick vom Fürther Müllberg auf den Fürther Hafen und auf Atzenhof, Juni 2001
Blick über den Main-Donau-Kanal auf die brandneue aber nicht funktionstüchtige Müll-Schwelbrennanlage, Abriss 2018, heutiger Standort der Firma Nordfrost, 1999
von den Bürgerinitiativen gegen die Müll-Schwelbrennanlage aufgestelltes "Protest-Marterl" gegenüber der Schwelbrandanlage an der Mainstraße im Januar 1999
die in Bau befindliche Müll-Schwelbrennanlage, heutiger Standort der Firma Nordfrost, mit Wohncontainer der Bauarbeiter im Januar 1999
Eingangsbereich der in Bau befindlichen Müll-Schwelbrennanlage im Januar 1999
Details der von den Bürgerinitiativen gegen die Müll-Schwelbrennanlage aufgestellten "Protest-Marterl" gegenüber der Schwelbrandanlage an der Mainstraße im Januar 1999
die in Bau befindliche Müll-Schwelbrennanlage, heutiger Standort der Firma Nordfrost, hinten links das Mercedes Benz Logistik Center im Januar 1999
von den Bürgerinitiativen gegen die Müll-Schwelbrennanlage aufgestelltes "Protest-Marterl" gegenüber der Schwelbrandanlage an der Mainstraße im Januar 1999
die in Bau befindliche Müll-Schwelbrennanlage, heutiger Standort der Firma Nordfrost, hinten links das Mercedes Benz Logistik Center im Januar 1999
Bauschild der im Bau befindlichen Müll-Schwelbrennanlage im Januar 1999
Im Bau befindliche Müll-Schwelbrennanlage, hinten rechts das Tanklager Hafen Fürth, Januar 1999
die in Bau befindliche, dann 20 Jahre stillgelegte und 2018 abgerissene Müll-Schwelbrennanlage, heutiger Standort der Firma Nordfrost. Rechts Tanklager Hafen Fürth im August 1996
Löscharbeiten im Hafen Fürth auf die Hafenbahn. Rechts die 2018 abgerissene Müll-Schwelbrennanlage, heutiger Standort der Firma Nordfrost im August 1996
Blick Höhe Solarberg auf den Main-Donau-Kanal mit Gebäuden von Atzenhof. Im Hintergrund links der Hafen Fürth und rechts die 2018 abgerissene Müll-Schwelbrennanlage, heutiger Standort der Firma Nordfrost im August 1996
Blick vom Hafen Fürth auf die Hafenbrücke und die 2018 abgerissene Müll-Schwelbrennanlage, heutiger Standort der Firma Nordfrost im August 1996