Bordelle
Bordell, von frz. bordel „Bretterhütte“, ist die Bezeichnung für ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes, in dem Menschen (meist Frauen) sexuelle Dienstleistungen anbieten und ausüben.[1] Seit der Novellierung des Prostitutionsgesetz vom 1. Januar 2002 gilt in Deutschland die "Förderung der Prostitution" nicht mehr als Straftat, jedoch wurden vom Gesetzgeber einige Auflagen an Betreiber dieser Einrichtungen gemacht, die den Behörden und der Polizei Kontroll- und Zugriffsrechte zum Schutz der Prostituierten gewährt. Im Juli 2017 wurde das Prostitutionsschutzgesetz nivelliert, das neben einer Meldepflicht der Prostituierten auch die Kondompflicht einführte und Beratungsgespräche im Gesundheitsamt vorsieht. In Bayerischen Kommunen über 30 000 Einwohner ist die Beschäftigung der Prostitution primär erlaubt, lediglich auf Straßen, öffentlichen Plätzen und in Sperrbezirken ist dies untersagt. Somit erlaubt die Stadt Fürth im Stadtkern bzw. in einem "Dreieck zwischen Pegnitz und Rednitz, dessen Grundlinie die Flößaustraße bildet", die Prostitution.[2]
Prostitution im 19. Jahrhundert
Der Stadtmagistrat bat 1859 den königlichen Gerichtsarzt Dr. Mair um einen Bericht über eine durchaus "heikle Frage" in Fürth. Darin sollte "das Prostituiertenwesen dahier" unter die Lupe genommen werden. Zu dieser Zeit wurden die Dirnen in einer sog. "Prostitutionsliste" erfasst. Altersdings, so Dr. Mair, war nicht klar, wer wie auf die Liste gelangte. So wurden z.B. alle Frauen pauschal auf der Liste geführt, die einmal positiv auf Syphilis diagnostiziert wurden - unabhängig davon, ob sie dem Gewerbe der Prostitution nachgingen oder nicht. Auch der gesellschaftliche Status der Frau spielte keine Rolle.
Am 6. Februar 1859 legte Dr. Mair dem Stadtmagistrat diesen Bericht vor, in dem er angab, dass auf der sog. Prostitutionsliste zu diesem Zeitpunkt insgesamt 33 Frauen erfasst waren. Von diesen 33 Frauen konnten allerdings nur 28 Frauen im Stadtgebiet gefunden werden. Auf die Einladung in das Krankenhaus zu einer körperlichen Untersuchung kamen von den 28 Frauen lediglich 19. Dr. Mair untersuchte die Frauen im städtischen Hospital. Zehn der Frauen konnte er unmittelbar nach der Untersuchung als "gesund" wieder entlassen, damit diese wieder ohne Bedenken ihrer Arbeit nachgehen konnten. Die anderen Frauen, immerhin neun an der Zahl, mussten gleich im Hospital als "Kranke" bleiben und wurden erst wieder nach ihrer Genesung entlassen.
In dem Bericht an den Stadtmagistrat beklagt Dr. Mair, dass es "aus seiner Sicht unzuträglich [sei und] ... für die betroffenen Frauen höchst entehrend, als Dirnen in der "Prostitutionsliste" geführt zu werden, nur weil sie einmal als syphilitisch erfasst worden waren. So wurden Frauen noch im Alter von 48 oder gar 52 Jahren [sic!] als Dirnen zitiert, gegen die nichts als Beweis vorlag als die oben benannte Krankheit." Nach Auffassung Dr. Mairs ... würde die Moralität ... hierduch nicht gefördert, wenn derlei alte Personen und junge aus derhalben Gründen sich an einem Ort einfinden [müssen]. In Folge seiner Recherche forderte er von den Behörden und dem Magistrat mehr Fingerspitzengefühl, da häufig die Frauen schnell abgestempelt wurden und somit ihr Ruf für alle Zeiten dahin sei. Deshalb forderte er einen "sehr gewandten Polizeibeamten", der sich um den Sachverhalt kümmert - und der Aufgabe gewachsen sei. Dabei sollte offensichtlich auch in einem vermeintlichen "ständischen Modell" gedacht werden, in dem die Frauen u.a. unterschieden wurden in "gewöhnliche Nachtvaganten und Dienstboten" oder um sog. "feineren Lohn-Mädchen".
Gleichzeitig forderte Dr. Mair eine regelmässige körperliche Untersuchung der Frauen, um die Ausbreitung der Syphilis weiter eingrenzen zu können. Von einer jährlichen Untersuchung, so gegenüber dem Magistrat, hielt er nichts. Vielmehr forderte er eine wöchentliche Untersuchung von einem erfahrenen Arzt, da die meisten "Assistenzärzte ... noch sehr unerfahren, mitunter auch lax oder nachlässig" die Untersuchungen vornehmen und somit "Anfänger" seien. Er selbst wolle sich der Aufgabe widmen, fand aber kein Gehör dafür. In einem späteren Schreiben beschränkte er sich auf monatliche Untersuchungen, die immer am ersten Dienstag des Monats im Rathaus stattfanden.
Das Rathaus als Ort der Untersuchung war von Dr. Mair bewusst ins Spiel gebracht worden, da seiner Meinung nach das Krankenhaus eine "Krankenanstalt sein und bleiben" soll. Seiner Meinung nach falle es zu sehr auf, wenn gleichzeitig zu viele Mädchen und Frauen sich dort einfinden würden.[3]
Prostitution im 20. Jahrhundert
Auch Fürth hatte sein Rotlichtviertel in jüngster Zeit, dieses befand sich im Bereich der Gustavstraße. Die offiziellen Bordelle befanden sich bis zu ihrer Schließung 1923 in den Gebäuden Gustavstraße 20 , Gustavstraße 22, Untere Fischerstraße 5 und Obere Fischerstraße 2.[4] Neben den "klassischen Bordellen" fielen immer wieder auch Prostituierte in den Kneipen der Innenstadt auf. So gab es u.a. immer wieder Probleme mit den dort "beschäftigten" Prostituierten, z.B. in der damaligen Sternstraße 7 - der heutigen Ludwig-Erhard-Straße 7. In der damaligen Weinstube zum Mohrenkopf waren u.a. die Prostituierte Josefa Moracova aus Schwarz-Costelec tätig und fiel der Sicherheitspolizei negativ auf.[5]
Die "Notwendigkeit" empfanden bzw. der Hauptnutzer dieser Dienstleistung waren vor dem 1. Weltkrieg in der Regel Soldaten. Da Fürth eine Garnisonsstadt mit vielen Militärangehörigen war, entwickelte sich das entsprechende gewerbliche Angebot im Bereich der Altstadt, aber auch zum Teil in unmittelbarer Nähe zu den Garnisonen. Allerdings waren die Einrichtungen in der Bevölkerung nicht unumstritten, da auf Grund fehlender Hygienevorschriften und Schutzmaßnahmen die Anzahl der Geschlechtskrankheiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Fürth deutlich anstieg.
Gleichzeitig stellten die Prostituierten und deren Betriebe eine "Erregung der Öffentlichkeit" dar, so zumindest in der Argumentation der eher konservativen und religiösen Bevölkerungsgruppen. Einer der engagiertesten Wortführer gegen die Prostitution war der Stadtrat und Stadtpfarrer Paul Fronmüller, der die rasche Schließung der Bordelle forderte, zumal sich nach dem 1. Weltkrieg anscheinend die Nutzergruppe dieser Etablissements zu ändern schien. Aufgrund des Versailler Vertrags wurden nämlich viele Garnisonen geschlossen bzw. die Zahl der Soldaten nahm rapide in Fürth ab, sodass laut einer örtlichen Presseberichterstattung zunehmend auswärtige Schieber die Dienstleistung der Prostituierten in Anspruch nahmen. Vor allem die Anzahl der steigenden Geschlechtskrankheiten führte Anfang 1923 zu einem staatlichen Handeln im gesamten Deutschen Reich. Am 23. Januar 1923 gab die Regierung und Kammer des Innern in Bayern eine Verordnung heraus, die eine Schließung der Bordelle bis zum 1. Mai 1923 vorschrieb - mit Ausnahme der Pfalz. Hier hatte sich die französische Regierung gegen die Schließung der Bordelle eingesetzt, sodass diese Region davon ausgenommen war. Die Verordnung sah vor: Den unter Polizeiaufsicht gestellten Dirnen ist zu untersagen: 1. in Häusern, in denen sich Wirtschaften befinden oder in denen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wohnen, Wohnungen zu nehmen, und 2. in größerer Zahl als höchstens 2 zusammen zu wohnen.[6]
Das Thema der Bordellschließungen erreichte schließlich Anfang 1923 den Stadtrat, bzw. einige der Betreiber der Bordelle stellten eine Eingabe an den Stadtrat, dass ihnen die Schließung bis zum 1. Mai 1923 nicht möglich sei. Als Grund dafür gaben sie an, dass sie in dieser kurzen Zeit bis zur Schließung keinen anderen Beruf erlernen bzw. finden könnten - und auch das eingesetzte Personal sei in so kurzer Zeit nicht anderweitig unterzubringen. Der Bezirksarzt sprach sich nach einem von ihm erstellten Gutachten für diese Ausnahmeregelung unter Bezugnahme auf die Gesundheitspolizei aus. Auch der Polizeireferent und Rechtsrat Wilhelm Strobl schloss sich diesem Gutachten an und beantragte, die Schließung der Bordelle erst zum 31. Dezember 1923 vorzunehmen, um den Betroffenen mehr Zeit zu geben. Dem widersprach der Stadtrat Paul Fronmüller mit der Aussage ... daß durch die Bordelle die Unzucht besser kontrolliert und beaufsichtigt werden kann, hält aber trotzdem die Aufhebung der Bordelle als zwingend erwünscht [da] trotz der Bordelle ... die Geschlechtskrankheiten in der letzten Zeit unheimlich zugenommen [haben]. Und für wen werden eigentlich diese Häuser in Fürth gehalten? Es ist ein Ehrenzeugnis für unsere Gemeinde, daß sehr viele Gäste von auswärts sind. Auswärtige Schüler [sic!] (gemeint waren Schieber, hier handelte es sich um einen Druckfehler in der Zeitung) sind die häufigsten Besucher.[7]
Fronmüller gab weiterhin im Stadtrat zu Protokoll, dass stets aus der Bevölkerung über die misslichen Verhältnisse informiert wird. Insbesondere sei zu beobachten, dass insbesondere nachts durch ständig anfahrende Autos die Nachtruhe gestört sei. Zusätzlich erregt "... das Treiben in den Häusern selbst bei offenen oder doch wenigstens nicht verhängten Fenstern ebenfalls..." die Öffentlichkeit. Auch sei beobachtet worden, dass in den Häusern die ganze Nacht "durchgekneipt" wird, und der Wein- und Bierverbrauch "enorm" sei. Es wird horrend verdient und immens vergeudet, während viele alte Leute nicht wissen, wie sie sich ernähren können. Bei der Wohnungsnot ... kann man nicht verstehen, daß eine ganze Masse dem Zweck dieser Häuser zu Verfügung gestellt werden." Auch der Stadtbaurat Hermann Herrenberger meldete sich zu Wort und begrüßte die alsbaldige Schließung der Bordelle. Seiner Meinung nach würden damit 1 bis 2 Dutzend Wohnungen entstehen - zudem sei das Treiben in den Bordellen der Bevölkerung nicht zumutbar. Fronmüller forderte nach einer längeren Diskussion die Ablehnung des Gesuchs der Bordellbetreiber, was ihm auch mit 7 gegen 4 Stimmen gelingt und somit beschlossen wurde.
Damit endet erstmal offiziell die Geschichte der Bordelle in Fürth. Es ist anzunehmen, dass es auch in Fürth nach dem 1. Mai 1923 Prostituierte gab, wenn auch nicht unter städtischer bzw. staatlicher Kontrolle, sondern im Bereich der illegalen Beschäftigung der Frauen. Nach dem 2. Weltkrieg ist die Prostitution in Westdeutschland legal, aber sittenwidrig.[8] Auch in Fürth sind erneut solche Etablissements zu beobachten. Auch die Gustavstraße spielt in diesem Kontext eine Rolle. So wird die Gustavstraße ab 1945, vor allem für die US-Soldaten, eine begehrte Einkehradresse, in der auch Prostitution eine Rolle spielte. Erst nachdem die Exzesse wie Massenschlägereien und permanente Nachtruhestörungen aus dem Ruder liefen, wurde 1954 durch die Stadtverwaltung und die örtliche US-Militärregierung der Bereich um die Gustavstraße zum "Off-Limits" Bereich für US-Soldaten erklärt.[9]
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlagerten sich die Bordelle aus dem Innenstadtbereich. Die Bordelle sind heute eher in der Südstadt wie Oststadt zu finden, vereinzelt mag es aber weiterhin noch einzelne Prostituierte im Innenstadtbereich geben.
Aktuelle Bordelle
Die Kriminalpolizei gab 2011 gegenüber der örtlichen Presse an, dass es im Stadtgebiet neun "bordellartige Etablissements" und 15 Terminwohnungen und kleine Appartements gibt, in denen Sexarbeiter ihrem Geschäft nachgehen. Ein Rotlichtviertel, ähnlich wie in Nürnberg am Frauentorgraben, gab es in Fürth nie. Während in Nürnberg ca. 800 Prostituierte tätig sind, sind offiziell in Fürth Stand 31. Dezember 2022 insgesamt 207 Prostituierte gemeldet. Damit liegt Fürth in Bayern an siebter Stelle nach München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Würzburg und Ingolstadt. 2011 beschwerten sich Anwohner über ein neu entstandenes Bordell in der Flößaustraße 169. Aktuell (Stand 2021) wurden im Stadtgebiet auf einer einschlägigen Homepage noch an folgenden Orten jeweils "bordellartige Etablissements" aufgezeigt:
- Angerstraße 13, 15
- Fichtenstraße 60
- Flößaustraße 91
- Herrnstraße 89, 91
- Gebhardtstraße 2
- Leyher Straße 10
- Nürnberger Straße 89, 121
- Schwabacher Straße 265
- Sonnenstraße 7, 15[10]
Sonstiges
Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde am 17. März 2020 durch die Bay. Staatsregierung der allgemeine Katastrophenfall ausgerufen. Eine Folge dieser Maßnahme war, dass alle Bordelle im Stadtgebiet mit sofortiger Wirkung schließen mussten.
Literatur
- Manfred Mümmler: "Die Aufsicht auf liederliche Dirnen". In: Alltagsgeschichten aus dem 19. Jahrhundert, Emskirchen: Verlag Maria Mümmler, 1990, S. 48, ISBN 3-926477-07-5
Lokalberichterstattung
- n.n.: Aufhebung der Bordelle. In: Fürther Neue Zeitung vom 18. April 1923 - abgebildet in Die Fürther Altstadt (Buch), S. 121 ff.
- Johannes Alles: Adresse ohne Rotlicht. In: Fürther Nachrichten vom 5. April 2008 - online
- Johannes Alles: Bordell in der Südstadt empört die Anwohner. In: Fürther Nachrichten vom 11. März 2011 - online
- Johannes Alles: "Das Bordell ist wirklich leise". In: Fürther Nachrichten vom 16. März 2011 - online
- Johannes Alles: Stadt Fürth geht gegen Bordell vor. In: Fürther Nachrichten vom 7. Juli 2011 - online
Siehe auch
Weblinks
- Fachberatungsstelle für Prostituierte Kassandra e. V. - Homepage
Einzelnachweise
- ↑ Artikel Bordell aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
- ↑ Johannes Alles: Bordell in der Südstadt empört die Anwohner. In: Fürther Nachrichten vom 11. März 2011
- ↑ Manfred Mümmler: "Die Aufsicht auf liederliche Dirnen". In: Alltagsgeschichten aus dem 19. Jahrhundert, Emskirchen: Verlag Maria Mümmler, 1990, S. 48ff.
- ↑ Gerd Walther: „Die Fürther Altstadt - Rund um Sankt Michael“, Fürth, 1990, S. 120 ff.
- ↑ Stadtarchiv Fürth AR 14 / 305, Prositution
- ↑ A. Gottstein, A. Schlossmann, L. Teleky (Hrsg.): Wohlfahrtspflege, Tuberkulose, Alkohol, Geschlechtskrankheiten - Hans Haustein: Die Geschlechtskrankheiten einschließlich Prostitution, Springer Verlag Berlin Heidelberg, 1926, S. 666 ff.
- ↑ nn: Aufhebung der Bordelle. In: Fürther Neue Zeitung vom 18. April 1923
- ↑ Wikipedia: Prostitution in Deutschland, online abgerufen am 2. April 2020 | 14:50 Uhr
- ↑ fn: Altstadt - "Off Limits" für Besatzungsmächte. In: Fürther Nachrichten vom 8. November 1954
- ↑ Yellowmap online abgerufen am 1. November 2021 | 13.15 Uhr - online