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Fiskus unerwartet mit der Steuerbegünstigung der Werkstätten Schwierigkeiten, da hierfür die - bisher nicht vorhandene Mitgliedschaft in einem der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Voraussetzung war. Auch verspäteten sich die staatlichen Zuschüsse für die Werkstatt und für die Schule, obwohl die Einrichtungen längst arbeiteten. Die notwendige Zwischenfinanzierung seitens der Lebenshilfe war für den Schatzmeister alles andere als erbaulich. Die beschützende Werkstätte, in der noch wenige Jahre zuvor Plätze angeboten wurden, platzte mittlerweile aus allen Nähten. Über die 120 in dem seinerzeit bestehenden Bau angebotenen Plätze hinaus war die Nachfrage so groß, dass das Platzangebot auf 180 erhöht werden sollte. Die Kosten waren auf 2,5 Millionen Mark veranschlagt. Im Herbst 1978 begannen - relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit - die Arbeiten am Erweiterungsbau. Im Schuljahr 1978/79 besuchten zwischen 92 und 102 Kinder die elf Gruppen der Schule, 21 Kinder die drei Gruppen der Schulvorbereitenden Einrichtung. Das staatliche Schulamt bestellte am 1. März 1979 Peter Pschörer zum Schulleiter, er leitete die Schule schon seit 1974. Am Beispiel der 1978 eingerichteten Sprachheilschule zeigte sich, dass die Lebenshilfe mit Vorbehalten und Vorurteilen zu kämpfen hatte, das Odium der „Anstalt“ nicht überwunden war: Die Sprachheilschule war für Sprachbehinderte mit normaler Intelligenz gedacht. Eltern sprachlich behinderter Kinder mit normaler Intelligenz zeigten jedoch erhebliche Vorbehalte, da die Sprachheilschule zunächst im Gebäude der Lebenshilfe angesiedelt war: Die Eltern weigerten sich vielfach, ihre Kinder in die Obhut der Lebenshilfe zu geben. Sie glaubten einfach nicht, dass ihre Kinder bei der Lebenshilfe gut aufgehoben waren und befürchteten eine Stigmatisierung. Den Eltern entstanden außer den Essenskosten in Höhe von 34 Mark und einem Lehrmittelbeitrag von fünf Mark im Monat keine Kosten. Es gab keine Wartezeiten für den umfassenden Beratungsdienst, aber auch keine Meldepflicht der Ärzte für Problemkinder. Transportkosten zur Lebenshilfe wurden voll erstattet, die „Fürther Transportgesellschaft für Behinderte“ konnte auf sieben Busse und zwei Lastkraftwagen zurückgreifen. Im Schuljahr 1979/80 umfasste die Schule zwischen 102 und 107 Kinder in 11 bzw. 12 Gruppen, davon zwei Gruppen Berufsschule (20 Kinder). Die Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) wurde von 21 Kindern in Anspruch genommen. 1979 konnte die Lebenshilfe auf eine türkische Dolmetscherin zurückgreifen - dreizehn der Schützlinge waren Türken. Eine Vielzahl von integrativen Festen prägte das Jahr 1980. Neben einem Flamenco-Fest im Juni wurde auch ein Rock-Festival im Folgemonat durchgeführt, eine Klasse des Hardenberg-Gymnasiums besuchte die Sonderschule. Eine Wohltätigkeitsveranstaltung „Tanz im Herbst“ fand dagegen leider nur geringen Anklang. Im März 1980 erschien die erste Nummer einer eigenen Zeitung der Lebenshilfe in Fürth, damals noch unter dem Titelkopf „Gemeinsam“. Die Publikation sollte nach damaliger Planung einmal monatlich mit einer Auflage von angeblich 50.000 Stück erscheinen. Im Geleitwort hieß es:

„Mit der Zeitung will die Lebenshilfe ihre Stimme erheben für eine Gruppe von Mitbürgern, die auch heute noch - trotz aller Bemühungen - im Schatten der Gesellschaft steht: die Behinderten, Alten und Sozialschwachen... Was diese Zeitung nicht will: Mitleid hervorrufen: Sie will vielmehr aufrufen zur Integration dieser Menschen in unserer Gemeinschaft, zu ihrer Anerkennung, nicht zuletzt aber auch zur aktiven Mithilfe der Bürger zu diesem Vorhaben.“ 1980 richtete die Lebenshilfe in Fürth die erste Außenwohngruppe mit sechs Bewohnern ein, das Haus Korczak im Krähenweg 65. Benannt wurde es nach Janusz Korczak (eigentlich: Henryk Goldszmit). Der polnische Arzt, Kinderbuchautor und bedeutende Pädagoge beschäftige sich vor allem mit Kinderrechten, Sonderpädagogik und Alternativschulen. Er war von 1911 bis 1942 Leiter eines jüdischen Waisenhauses in Warschau. Ähnlich wie Isaak Hallemann, der Fürther Waisenhausleiter, begleitete Korczak die etwa 200 Kinder seines Waisenhauses im August 1942 in das Vernichtungslager Treblinka, obwohl ihm selbst Fluchtmöglichkeiten offenstanden. Ein weiterer Versuch zur Begegnung von behinderten und nichtbehinderten Menschen war im Dezember die Gründung eines Filmklubs, der monatliche Filmabende durchführen wollte. Zum Advent richtete die NürnbergFürther Frauenloge bei der Lebenshilfe eine Feier aus. Die Schule umfasste im September 107 Kinder in 13 Klassen, die schulvorbereitende Einrichtung 15 Kinder in zwei Gruppen. Der Transport behinderter Menschen wurde inzwischen von der eigenständigen „Fürther Transportgesellschaft für Behinderte“ vorgenommen, bei der die Lebenshilfe Hauptgesellschafter war.

3. Das „Jahr der Behinderten“ und der beginnende Sozialabbau Im Januar 1981 fand erstmals eine Dichterlesung in der Aula der Schule statt, Fürths Theaterleiter Kraft-Alexander las eine Geschichte des tschechischen Autors Karel Capek. Zum „Jahr der Behinderten“ war eine vermehrte Aufmerksamkeit der Medien zu verzeichnen. Längere Reportagen zum Klassenunterricht, zur Frühförderung und über Einzelschicksale erschienen.

Heidi Dröge mit einem behinderten Kind im Kugelbad der Frühförderung, 1981 war das Kugelbad noch eine therapeutische Sensation. (Foto: Knut Meyer).

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