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Die Auslastung mit Aufträgen war gut, aber im März 2001 wurde die seit 1997 betriebene Produktion von Seitenairbags im Rahmen der Globalisierung zunächst zur Hälfte nach Ungarn verlagert. Angesichts der sehr unterschiedlich behinderten Menschen mussten die Betreuungs- und Beschäftigungsangebote aktualisiert werden, was aber aufgrund fehlender Räumlichkeiten nicht im optimalen Maß möglich war. Deswegen waren Grundsatzentscheidungen zur Konzeption der Werkstatt fällig. Zudem war das Werkstattgebäude in Dambach nach 30 Jahren in vielerlei Bereichen sanierungsbedürftig. Zum 1. Juli 2001 trat das Neunte Buch im Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Kraft, das die Rehabilitation und die Teilhabe für behinderte Menschen regelt. Entsprechend den dortigen Bestimmungen musste nunmehr kein Werkstattbeschäftigter aus seinem Privatvermögen Kosten für seinen Arbeitsplatz finanzieren. Wer unter 630 Mark verdiente, bekam ein Arbeitsförderungsgeld. Das Gesetz machte auch die Bezeichnung „Werkstatt für behinderte Menschen“ (WfbM) verbindlich und schaffte damit den seit 1961 im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) verwendeten Begriff „Werkstatt für Behinderte“ (WfB) ab (andere veraltete Bezeichnungen waren Beschützende Werkstätte oder Behindertenwerkstatt). Neu geregelt wurde auch die Mitwirkung der behinderten Menschen in Form eines Werkstattrates. Die Mitarbeiter wählten aus dem Betreuungspersonal eine Vertrauensperson, die zunächst die neuen gesetzlichen Vorgaben erklären und bei der Werkstattarbeit unterstützend und beratend zur Seite stehen sollte. Der Arbeitstrainingsbereich wurde in Berufsbildungsbereich umbenannt, die Einführung des Detmolder Lernwegemodells wurde durch Fortbildungsveranstaltungen forciert. Das Detmolder Lernwegemodell (DLM) ist ein wissenschaftlich fundiertes und berufspraktisch differenziertes Förderprogramm. Zugleich mit der beruf lichen Bildung will es die Persönlichkeit fördern sowie kognitive Fähigkeiten und psychomotorische Fertigkeiten entwickeln. Betreute sollen nicht mit von außen vorgegebenen Lernzielen gefördert und geleitet werden, sondern der behinderte Betreute soll ein Mitarbeiter werden, mit dem die Fachkraft zur Arbeitsund Berufsförderung partnerschaftlich zusammenarbeitet. Das DLM setzt sich aus einem Katalog von Lernzielen zusammen, die sich auf Wahrnehmungs- und Denkprozesse (kognitive Lernziele), Bewegungsausführungen (psychomotorische Lernziele), Arbeitskontakte und Arbeitsumfeld (soziale Lernziele) sowie auf die allgemeine Berufstüchtigkeit und die Arbeitssicherheit der Mitarbeiter beziehen. Leider musste die Montage der Airbagleitungen im November 2001 vollständig eingestellt werden. Es wurden seit 1997 immerhin 10 Millionen Airbagkabel produziert, es gab keinerlei Reklamationen. Ende 2001 spürten die Werkstätten vermehrt die allgemeine wirtschaftliche Abkühlung, nach stetigem Wachstum war nun eine Zeit der Neukonsolidierung und Neuausrichtung angesagt, um den veränderten Bedingungen auf dem Weltmarkt gerecht zu werden. Die Beschäftigung der Mitarbeiter war zwar durch neue Aufträge gesichert, aber im Rahmen der

Neuausrichtung musste das Vertrauen der neuen Kunden erst erarbeitet werden, um auch wirklich lukrative Aufträge zu erhalten. Das neue Sozialgesetzbuch forderte, dass auch Arbeitsplätze direkt bei den Partnerfirmen angeboten werden sollten. Dazu führten die Werkstätten Ende 2001/Anfang 2002 intensive Gespräche mit einer Firma, die Meeresfrüchte vertrieb. Die Mitarbeiter blieben jedoch nach wie vor Werkstattbeschäftigte, nur der Einsatzort sollte ausgelagert werden. Langfristig sollte aber durchaus für leistungsstarke behinderte Menschen die Möglichkeit geschaffen werden, den Sprung in die freie Wirtschaft zu schaffen. Die Betreuungsmannschaft der Werkstätten bereitete sich in Schulungen weiter auf die Einführung des Detmolder Lernwegemodells vor, die Mitte des Jahres 2002 erfolgen sollte. Im Dezember 2001 wurde ein externer Datenschutzbeauftragter entsprechend Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für die Dambacher Werkstätten bestellt. Inzwischen waren die ersten Gespräche mit Behörden und Stellen über die Sanierung des Werkstattgebäudes geführt worden, wobei der Bedarf einer Sanierung grundsätzlich anerkannt wurde. Gleichzeitig versuchte die Lebenshilfe, die zu jener Zeit mit 221 Plätzen voll belegte Werkstatt mit 30 zusätzlichen Plätzen zu erweitern. Im Juni 2001 konnte mit einer offiziellen Einweihungsfeier der Abschluss des ersten Bauabschnittes des Wohnkomplexes für behinderte Menschen in der Fronmüllerstraße gefeiert werden. Die vier Gebäude sollten in fünf Wohngruppen 44 Plätze für behinderte Menschen bieten. Der erste Spatenstich für das Wohnpflegeheim mit angegliederter Förderstätte war schon zuvor im Mai 2001 erfolgt. Dem Karl-Reinmann-Kindergarten wurde im Sommer 2001 für sein beispielhaftes musikalisches Wirken die Auszeichnung FELIX, das Gütersiegel des deutschen Sängerbundes, zuerkannt. FELIX, der bunte Singvogel, wird an Kindergärten verleihen, die besondere Leistungen in der musikalischen Früherziehung erbringen.

3. Jubiläumsjahr und Schultaufe Zum „Jubiläum 40 Jahre Lebenshilfe“ fanden am 22. September 2001 ein Festgottesdienst in der Markgrafenkirche Cadolzburg, im Oktober eine große Baumpflanzaktion „40 Bäume für 40 Jahre Lebenshilfe“ und vom 31. Oktober bis zum 21. November 2001 die Ausstellung „Geschichte der Behindertenarbeit“ in der Sparkasse Fürth /Maxstraße statt. Die Lebenshilfe brachte zudem die JubiläumsDokumentation „Eine Geschichte der Behinderten“ heraus, die breite Beachtung selbst im (deutschsprachigen) Ausland fand. In der Mitgliederversammlung 2001 konnten Hildegard Linz, Marie Würl und Edmund Kiener für 40-jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet werden. Das deutsche Heimgesetz (HeimG) vom 5. November 2001 normierte in Deutschland die stationäre Pflege (gültig bis zum bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, in Kraft getreten am 1. August 2008). Es verbesserte die rechtliche Lage von damals rund 850.000 älteren und behinderten

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