Kavierlein
Das sogenannte Kavierlein ist ein Areal im Fürther Stadtteil Espan, statistischer Bezirk 143. Es wird im Westen von der Espanstraße, im Norden von der Poppenreuther Straße, im Osten vom Frankenschnellweg und im Süden von der Straße Am Kavierlein eingegrenzt.
Namensherkunft
Mit der Bezeichnung "Kavierlein" kommen zwei Grundstücke in Betracht, die rechts und links der Espanstraße liegen. In früheren Zeiten war diese lediglich ein Weg und hatte noch nicht den scharf trennenden Einfluss auf die Grundstücke, die daher zusammengehörig wirkten. Im Jahr 1807 waren in der Nähe des Kavierleins zwei Ödflächen vorhanden, die ebenfalls der Gemeinde Poppenreuth gehörten. Diese wurden auf Antrag der damaligen 41 Gemeinderechtler verteilt.[1] Eventuell fielen die beiden Ödflächen auch unter die Begrifflichkeit "Kavierlein". Ob diese zusammen etwa 25 Morgen als Grundbesitz schon immer Gemeindebesitz waren - also Allmende - lässt sich nicht mit Sicherheit verifizieren. Erst im Bamberger Salbuch von 1723 findet sich ein Vortrag, dass die Gemeinde Poppenreuth im Jahre 1788 als gemeindeeigenen Besitz eine Fläche von 25 Morgen mit Holz und Feldern in der Nähe des steinernen Brückleins am Fürther Graben hat.[1][2]
- Als dieses Grundstück 1788 in den Besitz der Gemeinde Poppenreuth kam, nannte man solche Grundstück "Allmende". Für solches Gemeindegut gibt es auch den Begriff "Kaveln oder Kabelland".[3]
- Nach den Beschreibungen des Grundstückes von 1580, 1723 und 1788, durch das heute noch der Landgraben fließt, war dieses seinerzeit teilweise mit Wald versehen. Die Abholzung geschah wohl nur oberflächlich, wodurch der Grund Löcher aufwies. Die Begehung war daher mit Gefahren verbunden, sodass es erklärlich wird, warum es mit dem lat. Ausdruck "caveo" (cavere = auf der Hut sein, Vorsorge treffen, sich Sicherheit geben lassen) belegt wurde, aus dem sich die Bezeichnung "kavieren" entwickelte.[1] Wer das Grundstück betrete solle sich hüten und vorsehen, weil die Gemeinde als Besitzerin für Schaden nicht bürge.
- Weniger wahrscheinlich scheint eine Deutung des "kavieren" = bürgen, wonach es sich bei dem "Kavierlein" um ein Pfandacker bzw. ein Pfandfeld[4] handelte, da diese Rechtsform nicht nachweisbar ist.
- Auch die schon versuchte Lösung, das Wort von "Kafiller" in Verbindung mit "Caballus" (lat = besserer Ackergaul) herzuleiten, was auf einen Wasenmeister, Abdecker oder Schinder hinzielen würde, der auch Pferdehalter war, ist für dieses Grundstück nicht nachweisbar.[1]
- Auch "Cavalier" (als Bezeichnung für eine Art Befestigung) in Berücksichtigung der Kriegsereignisse von 1632 könnte eine Deutungsmöglichkeit ergeben. Allerdings ist der Flurname "Schanzäcker" für die Plannummer 110 erstmalig im Grundstückskataster von 1908 zu finden.[1] Somit dürfte hier eine Flurbezeichnung neuerer Zeit vorliegen, die eventuell im Zusammenhang mit dem Kanalbau entstanden ist.
Bleibt also als schlüssigste Erklärung für den Ursprung des Flurnamens "Kavierlein" die Eigenschaft als Gemeindeland, für die die Gemeinde aber keinerlei Bürgschaft übernimmt, weil der Grund nicht ohne Gefahren betreten werden kann.
Frühere Nutzungen
Das Kavierlein hat in den letzten hundert Jahren viele verschiedene Nutzungen erfahren. Die durch den Poppenreuther Landgraben entstandene Mulde lag lange Zeit brach und diente in den 1930er Jahren vor allem als Müllhalde. In dieser Zeit bereitete man auch die Nutzung der Fläche als Kleingartenanlage vor. Das Areal war durch einen Fußgängerweg (von den Anwohnern "Schneckenweg" genannt) zwischen Georgen- und Poppenreuther Straße geteilt, im östlichen Teil befanden sich zwei Teiche zur Fischzucht, die sog. "Schmidtkunstweiher" (benannt nach der bewirtschaftenden Familie aus der Unteren Fischerstraße 6).
Nach dem Krieg und im Sog der sehr erfolgreichen Gartenschau Grünen und Blühen wurde der östlich gelegene Teil mit den beiden Weihern durch Stadtgartendirektor Hans Schiller im Jahr 1952 zu einer idyllischen Parkanlage mit (nun einem) Teich im Stil des Stadtparks umgestaltet. In diesem Zuge wurde auch eine Terrakotta-Figur ("Maja mit Enten") von Gudrun Kunstmann im Stil der Figuren im Stadtpark errichtet. Die Figur gilt heute als verschollen. Auf dem westlichen Teil des Geländes wurde ein Kleingartenkolonie angelegt.
Dieser Zustand blieb gut dreißig Jahre unverändert, bis 1982 das gesamte Gelände an ein Versicherungsunternehmen verkauft wurde und erste Sanierungsüberlegungen für die Bodenaltlasten diskutiert wurden. 1985 wurde die Kleingartenanlage und der Kavierleinpark abgeräumt und in der Folgezeit das gesamte Areal bis auf das ehemalige Bodenniveau abgetragen.[5] Dabei wurden u.a. Schadstoffe im Boden festgestellt, die von einer ehem. Mülldeponie stammten. Vorallem die Schwermetalle wie Nickel, Cadmium, Blei und Quecksilber hatten den Boden stark verunreinigt.[6]
Im Jahr 1988 gab es neue Pläne für die seit der Sanierung brachliegende Fläche. Eigentümer war inzwischen der Immoblienentwickler Renta-Gruppe. Erstmals seit über fünfzig Jahren wurde in Fürth wieder über ein Thermalbad nachgedacht. Standort für den Komplex mit Gesundheitsbad, Sport- und Ruheflächen, Sauna und Solarium, Rehabilitationskliniken und Arztpraxen sowie einem 150-Betten-Hotel sollte das Kavierlein sein, da hier bereits 1904 bei Probebohrungen eine stark schüttende Quelle erbohrt wurde. Wegen der völligen Überdimensionierung des Projekts wurde es schließlich vom Fürther Stadtrat sowie dem bayerischen Umweltministerium abgelehnt.
In der Folgezeit wurden immer wieder neue Pläne für das Kavierlein laut. Unter anderem sollte ein Businesspark, ein Altenheim, ein Multiplexkino mit 5.000 Sitzplätzen und 24 Sälen sowie ein Thermalbad in abgespeckter Form entstehen, nichts von alledem ist verwirklicht worden und am Kavierlein wuchsen derweil die Bäume in den Himmel.[7]
In den 2000er Jahren fand ein Teil an der Espanstraße recht erfolgreich als Dinopark Fürth mit Fossilien Museum eine Zwischennutzung, im östlichen Bereich nutzen BMX-Radsportler das hügelige Gelände als Trainingsplatz. Auch in der Diskussion über die sog. Neue Mitte wurde das Kavierlein wieder als möglicher Standort mit einbezogen.
Heutige Nutzung
Das Bebauungskonzept für das 37 000 Quadratmeter großen Kavierlein-Gelände hatte eine Nürnberger Unternehmensgruppe entwickelt. Seit 2012 erfolgte durch einen Bauträger eine Neubebauung des südlichen Teils mit Wohnhäusern; weitere Bauabschnitte sind in Realisierung. Teilweise wird über eine zu massive Bebauung geklagt.[8]
Ein Restaurant der italienischen Restaurantkette Vapiano mit Platz für 260 Gäste wurde am 21. Mai 2015 eröffnet[9], jedoch nach fünf Jahren wieder geschlossen.[10] An der Poppenreuther Straße entstand das Senioren-Pflegezentrum „Care Center Fürth“ mit 156 Pflegeplätzen, verwirklicht von einer Immobiliengruppe aus Eichenau.[11] Seit Mitte 2019 sind die Bauarbeiten auf dem Gelände weitestgehend abgeschlossen. Es entstanden über 300 Wohnungen für ca. 1.000 Bewohnern. Im südlichen Eckgebäude soll noch ein Nahversorger einzug halten.
Literatur
- Am Kavierlein. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 22
- Hans Moreth u. A.: Der Fürther Nordosten, Fürth, Nordöstlicher Vorstadtverein, 1990
- Franz und Rolf Kimberger: Bad Fürth - Wunschtraum und Wirklichkeit, Fürth: Geschichtsverein Fürth, 2003
- Helmut Mahr: Memoiren: "Es fing so harmlos an". (Erinnerungen an eine Jugend am Espan, Widderstr., Kavierlein, Ludwigskanal, (Anm. der Red.)) In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2016, S.75 - 91
Lokalberichterstattung
- Kahlschlag am Kavierlein. In: Fürther Nachrichten vom 22. März 2010 - online abrufbar
- Wolfgang Händel: Brache im Umbruch: Auf einem Teil der früheren Kleingartenkolonie Kavierlein sollen Eigentumswohnungen entstehen. In: Fürther Nachrichten vom 6. November 2011 - online abrufbar
- Wolfgang Händel: Auf der Kavierlein-Brache rollen die ersten Bagger. In: Fürther Nachrichten vom 17. Juni 2012 - online abrufbar
- Reinhard Kalb/Birgit Heidingsfelder: Awo plant Pflegezentrum am Kavierlein. In: Fürther Nachrichten vom 3. Juli 2013 - online abrufbar
- Claudia Ziob: Kavierlein: Die Brachfläche wird immer kleiner. In: Fürther Nachrichten vom 23. Dezember 2014 - online abrufbar
- Claudia Ziob: Das Fürther Kavierlein füllt sich. In: Fürther Nachrichten vom 2. April 2015 - online abrufbar
- Armin Leberzammer: Richtfest im Abschnitt vier: Das Kavierlein füllt sich. In: Fürther Nachrichten vom 15. Oktober 2016 (Druckausgabe) bzw. Richtfest im Abschnitt vier: Das Fürther Kavierlein füllt sich. In: nordbayern.de vom 18. Oktober 2016 - online abrufbar
- Gwendolyn Kuhn: Kavierlein: Die letzte Baulücke schließt sich. In: Fürther Nachrichten vom 6. Juni 2018 (Druckausgabe) bzw. nordbayern.de vom 7. Juni 2018 - online abrufbar
- Armin Leberzammer: Die einstige Brache ist komplett gefüllt. In: Fürther Nachrichten vom 20. August 2019 (Druckausgabe) bzw. Happy End? Das Kavierlein ist komplett gefüllt. In: nordbayern.de vom 21. August 2019 - online abrufbar
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Gottlieb Wunschel: "Die Poppenreuther Flur" in: Poppenreuth - einst und jetzt, S. 51 ff.
- ↑ Bereits 1580 wird das Grundstück mit diesen Worten beschrieben (Holz = Wald) und im Jahr 1758 befand sich dieses Grundstück im Besitz von Leonhard Lederer; siehe Gottlieb Wunschel.
- ↑ Richard Schröder/Eberhard Frhr. von Künßberg: "Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte", Berlin, Leipzig (1932), S. 460, Anm. 24
- ↑ Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z, Fürth, 1968, S. 22
- ↑ ar: Kavierlein wurde zu Kleinholz - Das Ende vom Ende. In: Fürther Freiheit vom März 1991, S. 2
- ↑ Armin Leberzammer: Die einstige Brache ist komplett gefüllt. In: Fürther Nachrichten vom 20. August 2019, S. 27
- ↑ Franz und Rolf Kimberger: Bad Fürth - Wunschtraum und Wirklichkeit, Fürth: Geschichtsverein Fürth, 2003, S. 150
- ↑ Leserbrief APO Fürth zum Artikel fn: Bautätigkeit in Fürth ist stark rückläufig. In: Fürther Nachrichten vom 27. Mai 2014 - online abrufbar
- ↑ Neues Gastro-Flaggschiff für Fürth. Wirtschaftsnachricht vom 21. Mai 2015 im Internetportal der Stadt Fürth
- ↑ Armin Leberzammer: Vapiano stellt Betrieb im fünften Jahr ein. In: Fürther Nachrichten vom 4. April 2020 (Druckausgabe) bzw. Fürther Vapiano-Filiale stellt Betrieb im fünften Jahr ein. In: nordbayern.de vom 6. April 2020 - online abrufbar
- ↑ Fürths Norden erhält Senioren-Pflegezentrum. Nachricht vom 22. Oktober 2015 im Internetportal der Stadt Fürth
Bilder
Wohngebäude am Kavierlein Poppenreuther Straße Blickrichtung Frankenschnellweg im Juni 2020
Poppenreuther Straße mit Einmündung Schulstraße Blickrichtung zur Erlanger Straße, andere Straßenseite die Wohnanlage Kavierlein im Juni 2020
Kinderheim St. Michael an der Poppenreuther Straße 13, gegenüber Wohnanlage Kavierlein, im Juni 2020
Kinderheim St. Michael Giebelseite von der Erlanger Straße aus. Gegenüber die Wohnanlage Kavierlein, im Juni 2020
Wohngebäude am Kavierlein Poppenreuther Straße Blickrichtung Frankenschnellweg im Juni 2020
Wohngebäude am Kavierlein Poppenreuther Straße Blickrichtung Frankenschnellweg im Juni 2020
Wohngebäude am Kavierlein Poppenreuther Straße und Espanstraße im Juni 2020
Blick von der Erlanger Straße zur Wohnanlage Kavierlein an der Poppenreuther Straße und Espanstraße. Links angeschnitten Geschäftshaus Erlanger Straße 32, im Juni 2020
Neubauten am Kavierlein, im Vordergrund links das Haus Espanstraße 7, 2019
Das abgeräumte Kavierlein von Westen aus gesehen. Im Hintergrund die Häuser Am Kavierlein
ungenehmigte Abholzaktion am verwilderten Kavierlein Areal, im Hintergrund die Espanstraße mit Hochhaus Espanstraße 8, im März 2007
ungenehmigte Abholzaktion am verwilderten Kavierlein Areal, rechts die Poppenreuther Straße mit Kinderheim St. Michael im März 2007
ungenehmigte Abholzaktion am verwilderten Kavierlein Areal, im Hintergrund die Espanstraße mit Hochhaus Espanstraße 8, rechts die Poppenreuther Straße im März 2007
ungenehmigte Abholzaktion am verwilderten Kavierlein Areal, im Hintergrund die Espanstraße, im März 2007
Blick über den verwilderten, heute überbauten Kavierlein, im Hintergrund die Gebäude Am Kavierlein, im Vordergrund der kanalisierte Poppenreuther Landgraben im Juli 1997
Blick über den verwilderten, heute überbauten Kavierlein, im Hintergrund das Gebäude Espanstraße 8, im Vordergrund der kanalisierte Poppenreuther Landgraben im Juli 1997
Blick über den verwilderten, heute überbauten Kavierlein, im Hintergrund Hochhaus Laubenweg 1 im Juli 1997
Das Kavierlein von der Georgenstraße aus gesehen, um 1930 – in Bildmitte verläuft der Poppenreuther Landgraben,
im Hintergrund sind die Espanstraße und Häuser der Poppenreuther Straße mit Kinderheim St. Michael zu erkennenDas Kavierlein von der Espanstraße aus gesehen. In der Bildmitte verläuft der Poppenreuther Landgraben, im Hintergrund ist das Pestalozzi-Schulhaus zu erkennen sowie die beginnende Auffüllung des Taleinschnittes mit Abfall. Um 1930