Totenbruderschaft - ''Chewra Kadischa''

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Illustration eines Bestattungsrituals anhand des Alten Jüdischen Friedhofs in Fürth

Die „Chewra Kadischa“ (חברא קדישא; heilige Gesellschaft, heilige Bruderschaft, Vereinigung) war eine Beerdigungsbruderschaft, eine sog. Totenbruderschaft, die als jüdische Organisation mit sozialcaritativer Ausrichtung auftrat. Ihr zentrales Anliegen war die Durchführung der rituellen Bestattung Verstorbener[1]. Das Adjektiv „heilig“ ist ein Euphemismus und wohl eher im Sinne von „würdig“ oder „ehrbar“ zu begreifen. Streng genommen werden die Mitglieder ja durch die Beschäftigung mit den Toten rituell unrein.[2] Zu den Aufgaben der Chewrot zählten Sterbebegleitung, Totenwache, Tahara, Anfertigung des Sarges, würdevolles Gestalten des Kondukts, Ausheben des Grabes, Abhalten der Bestattungszeremonie, Setzen des Grabsteins sowie Tröstung der Trauernden und Veranstalten von Lehrvorträgen im Trauerhaus.[2]

In Fürth gab es bis zu vier Bruderschaften, drei für Männer und eine für Frauen[3]. Jede dieser Bruderschaften hatte 24 Mitglieder. Die Mitgliedschaft erstreckte sich bis zum Tode[4]. Eine einzige Chewra wäre wohl genug gewesen, aber weil viele dieses Gebot (םצוה, Mizwa) erfüllen wollten, teilte man die Bruderschaften auf[5].

Geschichte der Totenbruderschaft Chewra Kadischa

Elchanan, der Sohn des Rabbiners Meir Ben Ascher, gilt als der Gründer der Fürther Totenbruderschaft[6]. Dies dürfte nach dem Dreißigjährigen Krieg erfolgt sein.

Pokal der Chewra Kadischa

Der Landesrabbiner des Markgraftums Ansbach mit Sitz in Schwabach stiftete in seiner Amtszeit einen Pokal für die Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa. Dessen Deckelfigur zeigt Mose Katzenellenbogen als Patron der Bruderschaft.[7] Ein dazugehöriges Schild trägt die Namen Mose und Pinchas Katzenellenbogen[8].

In dem Buch Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth Unterhalb Nürnberg/ In zween Theilen, erstmals erschienen 1754, schrieb der Autor Andreas Würfel:

... muß ich noch mit etlichen Worten der Toden_Gesellschaft gedenken. Die Glieder dieser Gesellschaft versammeln sich zur Zeit der Begräbnis, und erweisen ihrem Bruder, die lezte Ehre, mit Waschen, Verfertigung des Sarges und Grabes. Diese Beschäftigungen sehen sie als verdienstliche Werke an, darum müssen auch diejenigen welche in diese Gesellschaft tertten wollen, Geld geben. Welches sie hernach verschmaußen oder die benöthigten Instrumente zur Begräbnis davor anschaffen. Tekunos Büchlein Cap. von traurigen Begebenheiten Anmerkung.[9] Außerdem erwähnt Würfel: „Diese Toden-Gesellschaft hält ein memar (= Memorbuch) ein Leichen-Buch in welches sie alle Personen, sie seyn groß oder klein, die sie begraben, einschreiben lassen.[10]

Um mit Sterbenden richtig umzugehen, orientierte man sich in Fürth an einer Schrift mit dem Titel „Refuat Neschama“ (רפואת הנשמה, Medizin der Seele), der Kurzfassung des Werkes von Aaron Berechja ben Moses ben Nechemja aus Modena, eines italienischen Rabbiners.[11] Ein spezielles Gebet war in Fürth die Bitte um Aufhebung von Gelübden (האטרת נדרים, Erfüllung von Gelübden). Wenn der Sterbende vor dem himmlischen Richter steht, sollten alle aus dem irdischen Leben gegenüber Mitmenschen oder gegenüber Gott geleisteten Gelübde, bereits gelöst sein. Dies wurde mit entsprechenden Bittgebeten bekräftigt.[12].

Die Protokollbücher der Chewra Kadischa stammten von 1730 und 1785[13].

Der Zwist um die Reformierung der Totenbruderschaft nach 1833

Am 1. Dezember 1833 wurden die Totenbruderschaften vom Magistrat verpflichtet, Todesfälle unverzüglich beim Rabbinat anzuzeigen.[14] Dagegen wehrte sich die Chewra, weil durch die Ausstellung eines Totenbesichtigungsscheines keine schnelle Beerdigung mehr möglich war. Ihr Widerstand beruhte allerdings auch auf der Gegnerschaft zu dem reformorientierten Rabbiner Isaak Loewi, die auch die Leichenordnung zu reformieren gedachte. Nach Meinung der orthodoxen Bruderschaften gehörten aber Beerdigungen nicht zum Aufgabengebiet eines Rabbiners. Ihre Beschwerde bei der Regierung hatte zur Folge, dass Bürgermeister Bäumen einen Bericht vorlegen musste, der ziemlich negativ ausfiel.[15] Die Regierung bestand daraufhin auf der Totenschau und der Meldung im Rabbinat.[14] Es gab sogar unter den Mitgliedern des israelitischen Religionsvereins eine Bewegung die Totenbruderschaft ganz aufzulösen, die wegen ihres Starrsinns und ihrer Renitenz alle Reformversuche scheiterten.[14] Die Regierung verfügte dass eine genaue Anzeige innerhalb von 24 Stunden zu erfolgen habe. Zur Auflösung der Bruderschaften, der Chewrot, kam es aber nicht. Über eine Satzung, die 1840 in Kraft trat, gab es erneute Auseinandersetzungen zwischen orthodoxen Totenbrüdern und reformorientierten Vereinsvorstand.[14]

„1841 brannte das für die Todtenbrüderschaft bestimmte Häuschen auf dem jüdischen Friedhofe in Folge Blitzschlags nieder; auch gelangte in diesem Jahre eine israelitische Leichenzugsordnung zur Geltung.“[16]

Mitglieder der Totenbruderschaft

Lokalberichterstattung

Weblinks

  • Paul Christian Kirchner: „Von den Ceremonien bey sterbenden Juden / bey ihrer Begräbniß / und der gewöhnlichen Trauer“ in: Jüdisches Ceremoniel, oder Beschreibung dererjenigen Gebräuche, welche die Juden so wol inn-als ausser dem Tempel, bey allen und jeden ..., Nürnberg, 1726, S. 207 - 226, online
  • Takkanot (תקנות, Vorschriften, Satzung) der Chewra Kadischa Erzieher der Waisen in Fürth, 1767/68

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. beispielhaft: Chewra Kadischa
  2. 2,0 2,1 siehe dazu: Nicole Grom, Inaugural-Dissertation, 2012: „Dokumentation des jüdischen Friedhofs Reckendorf. Geschichte – Begräbniskultur – Bestand“ S. 147 ff
  3. Ludwig Rothschild: „Die Totenbruderschaften von Fürth“ in: Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths (NJBF) 1966, S. 15
  4. ebenda
  5. Ludwig Rothschild: „Die Totenbruderschaften von Fürth“ in: Nachrichten für den Jüdischen Bürger Fürths (NJBF) 1966, S. 16
  6. Gisela Naomi Blume: Häuser um den Königsplatz und ihre jüdischen Besitzer, Teil 1; in: Fürther Geschichtsblätter 2/13, Seite 44
  7. Julia Haarmann: „Hüter der Tradition - Erinnerung und Identität im Selbstzeugnis des Pinchas Katzenellenbogen (1691 - 1767)“ in: Jüdische Religion, Geschichte und Kultur, Band 18, 2013; Seite 52
  8. Der Pokal ist heute im Israel-Museum in Jerusalem.
  9. Andreas Würfel: „Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth Unterhalb Nürnberg/ In zween Theilen“, S. 37, § 10
  10. Andreas Würfel: „Historische Nachricht von der Judengemeinde in dem Hofmarkt Fürth Unterhalb Nürnberg/ In zween Theilen“, S. 38, § 11
  11. Robert Jütte: „Leib und Leben im Judentum“, 2016
  12. Robert Jütte: Aufhebung von Gelübden
  13. siehe Auflistung Ballin: Chronik Fürth 1933 - 1945, S. 55
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 siehe Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth, S. 170
  15. Bäumen schrieb dabei: „... dass bei Leichenbegräbnissen ein Bild der Regellosigkeit herrsche, ihre Beschwerde ein Machwerk ... einer Anzahl von Finsterlingen gegen ihren würdigen Rabbiner Dr. Loewi, der einen feierlichen, geordneten Leichenzug verfügt hatte“ sei. Zitiert nach Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth, S. 170
  16. Hugo Barbeck in seinem Buch: „Geschichte der Juden in Nürnberg und Fürth“, S. 91

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