Bernhard Walter (geb. 27. April 1911 in Fürth; gest. 7. Juli 1979 ebenda) arbeitete während des Nationalsozialismus im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau als Leiter des Erkennungsdienstes und Veranstalter von Filmvorführungen für das Wachpersonal und der SS. Walter gilt als einer der Urheber des sog. Auschwitz-Albums, in dem Aufnahmen jüdischer Menschen aus Ungarn von der Ankunft im Lager bis zur Entkleidung vor den Gaskammern enthalten sind. 1951 kam er aus polnischer Kriegsgefangenschaft wieder nach Fürth.[1]


Leben

Walter erlente den Beruf des Stuckateurs. Nach der dreijährigen Lehre arbeitete er ab 1925 bei verschiedenen Arbeitgebern in Fürth und Nürnberg; im Winter sei er meist arbeitslos gewesen. Deshalb ging er nach Ostern 1934 zur kasernierten Waffen-SS. Zuerst in Dachau bei einer Wachtruppe außerhalb des KZ. Im Januar 1935 nach Oranienburg versetzt. Ab 1938 dort SS-Oberscharführer und Spieß in der 8. Kompanie. Zu dieser Zeit war als Heimatwohnsitz die Erhard-Segitz-Straße 25 und der Beruf "Stukkatur-Geschäftsinhaber" mit Ladengeschäft in der Ludwigstraße Ecke Amalienstraße angegeben[2]

Nach einem schweren Autounfall im Herbst 1939 mit Schädelbruch sei er als nicht mehr kriegsverwendungsfähig eingestuft gewesen. Im KZ Sachsenhausen zum Erkennungsdienst versetzt und dort dazu ausgebildet worden. Ab Okt./Nov. 1940 in Auschwitz den Erkennungsdienst als Leiter aufgebaut und bis Januar 1945 geleitet.[3]

Tätigkeit während des Zweiten Weltkriegs

Von Anfang Januar 1941 bis zur kriegsbedingten Räumung des Lagers im Januar 1945 leitete er den Erkennungsdienst der Politischen Abteilung im KZ Auschwitz. Er baute den in Block 26 des Stammlagers befindlichen Erkennungsdienst auf. Sein Assistent war der als Fotograf eingesetzte SS-Unterscharführer Ernst Hofmann, zusätzlich mussten zehn bis zwölf Häftlinge die beiden SS-Männer bei ihrer Arbeit unterstützen. Im Wesentlichen wurden in dem dort befindlichen Fotostudio zur erkennungsdienstlichen Erfassung nichtjüdische Häftlinge für die Akten fotografiert (drei Portraitaufnahmen, frontal mit und ohne Mütze sowie von der Seite) und auch deren Fingerabdrücke abgenommen. Teils wurde auch im Auftrag des Lagerkommandanten oder der SS-Lagerärzte fotografiert. Laut einer Nachkriegsaussage Walters im NS-Jargon sei es vorgekommen, dass „besonders typische Vertreter des Judentums zum Fotografieren in den Erkennungsdienst geschickt wurden“.

Walter und Hofmann gehörten zu den wenigen SS-Männern in Auschwitz, die autorisiert waren, im Lager und im Interessengebiet des KZ Auschwitz zu fotografieren. Diese beiden SS-Männer gelten als die Fotografen des von der Holocaustüberlebenden Lili Jacob überlieferten Auschwitz-Albums. Dieses Album enthält Aufnahmen nach Ankunft jüdischer Menschen aus Ungarn Ende Mai 1944 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, „angefangen von der Selektion auf der Rampe in Birkenau nach dem Ankommen des Zuges bis zum Auskleiden vor den Gaskammern“.

Walter, der in der SS-Siedlung des KZ Auschwitz mit seiner Familie in unmittelbarer Nachbarschaft der Familie seines berüchtigten Kollegen Wilhelm Bogner lebte, wurde im Februar 1942 zum SS-Hauptscharführer befördert. Walter nahm an den Erschießungen von Häftlingen an der Schwarzen Wand teil. Im September 1942 wurde ihm das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern verliehen. Spätestens ab Sommer 1944 war Walter auch zusätzlich zu seiner Funktion als Leiter des Erkennungsdienstes Spieß beim Kommandanturstab des KZ Auschwitz. Er organisierte für die Angehörigen der Lager-SS auch Filmvorführungen. Im Zuge der Räumung des KZ Auschwitz befahl er dem in seiner Abteilung eingesetzten Häftling Wilhelm Brasse vor dem Eintreffen der Roten Armee im Januar 1945 die Negative und Abzüge der erkennungsdienstlichen Häftlingsfotografien zu verbrennen. Brasse entsprach zum Schein dieser Anweisung, solange Walter anwesend war, und löschte anschließend das Feuer im Ofen, um die Dokumente für die Nachwelt zu sichern. Walter floh schließlich auf einem Motorrad aus dem Lager. Sohn Dieter war in Auschwitz an Fleckfieber gestorben, Tochter Heidemarie starb nach Kriegsende unter ungeklärten Umständen, nur Sohn Klaus überlebte. Anschließend leistete Walter Kriegsdienst bei Einheiten der Waffen-SS. Im Frühjahr 1945 war er noch im KZ Mittelbau-Dora eingesetzt.

Kriegsgefangenschaft und Entnazifizierung

Nach Kriegsende befand er sich in englischer Kriegsgefangenschaft und wurde schließlich nach Polen überstellt. Am 8. April 1948 wurde er durch das Bezirksgericht in Krakau zu einer dreijährigen Haftstrafe und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf eine Zeit von drei Jahren verurteilt. Zugunsten Walters sagte der ehemals beim Erkennungsdienst eingesetzte Häftling Brasse aus, der ihm korrektes Verhalten gegenüber den Häftlingen attestierte. Walter selbst gab über die Zeit nach seiner Gefangenschaft ab 3. Mai 1945 bei einer Vernehmung folgendes an: Zuerst in amerikanischer Gefangenschaft, dann bei den Engländern. Von diesen im Mai 1947 an die Polen ausgeliefert. Im April 1948 von diesen in Warschau zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 18. Juli 1950 aus der Gefangenschaft entlassen und nach Fürth zurückgekehrt.[4] Das Entnazifizierungsverfahren gegen Walter, nun Wasserstraße 17 wurde lt. Mitteilung der Hauptkammer-Außenstelle Nürnberg vom 4.9.1950 eingestellt, da er nicht hinreichend verdächtig war, Hauptschuldiger oder Belasteter zu sein. Die Verfügung galt als Bescheinigung der politischen Überprüfung (§ 1 des Gesetzes zum Abschluss der politischen Befreiung). Im Meldebogen aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5.3.1946, ausgefertigt von B. Walter am 24.7.1950, heißt es: Er wohnte seit Geburt bis April 1934 in Fürth; war dann bei der Waffen-SS; in Gefangenschaft 1945 bis 1950. Bei der NSDAP seit 1.5.1933, bei der Allgemeinen SS ab 1.9.33, Mitglieds-Nr. 104108, ab April 1934 bei der Waffen-SS; Hauptscharführer ab April 1942. Ein Prüfungsverfahren sei gegen ihn nicht gelaufen.[5]

Rückkehr nach Fürth und weiteres Leben

Nach der Haftentlassung im Juli 1950 zog Walter wieder nach Fürth. Walter galt als Kriegsspätheimkehrer und konnte so als Bauherr von Vergünstigungen (zinsniedrige Darlehen) profitieren. Das von Walter im Juli 1955 bezogene Siedler-Haus in der Schmerlerstraße liegt in der so genannten Heimkehrer-Siedlung in Fürth-Unterfürberg. Für die Kriegsspätheimkehrer entstand dort zwischen den Jahren 1953 und 1959 eine Siedlung mit 34 Einfamilienhäusern samt Gärten.

Über seine Arbeit in einem Kino konnten sich Nachbarn wie folgt erinnern: "Der „Kino-Walter“ war in den drei Kinos im Parkhotel das „Mädchen für alles“". Daraus lässt sich schließen, dass Walter nicht nur als Filmvorführer tätig war, sondern sich auch um den gesamten Filmbetrieb im „Park-Lichtspieltheater“, dem „Admiral-Theater“ und dem „Bambi“ Wochenschau-Filmtheater kümmerte. Diese drei Filmtheater im größten Hotelbau in der Stadtmitte wurden betrieben von „Voelter´s Filmbühnen“. Walter bediente die Projektoren in den Kinos und konnte so mit der ihm gewohnten Technik weiter arbeiten.[6]

Im Zuge des ersten Frankfurter Auschwitzprozesses sagte er 1964/65 als Zeuge aus, gab jedoch nur ausweichende Antworten. Walter bestritt, Urheber der von der Zeugin Jacob aus dem Auschwitz-Album vorgelegten Fotografien zu sein. Erst nach hartnäckigen Befragungen gab er zu, einige Aufnahmen gemacht zu haben. Die Identifizierung der mutmaßlichen Fotografen des Auschwitz-Albums war laut Gideon Greif die „eigentliche Sensation“ des Frankfurter Auschwitzprozesses.[7][8]


Siehe auch

Weblinks

  • Bernhard Walter bei Wikipedia
  • Tonbandmitschnitte der Vernehmungen Walters (13.08.64 u. 25.03.65) im Zuge des 1. Auschwitz-Prozesses online abrufbar

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu Bernhard Walter bei Wikipedia, abgerufen am 30. März 2018
  2. Adressbuch der Stadt Fürth, Ausgabe 1935
  3. Vernehmung von Walter bei der Polizeidirektion Fürth durch einen Gerichtsassessor der Oberstaatsanwaltschaft beim LG Frankfurt a. M. am 14.11.1959 anlässlich der Vorbereitung des 1. Auschwitz-Prozesses
  4. Vernehmung von Walter bei der Polizeidirektion Fürth durch einen Gerichtsassessor der Oberstaatsanwaltschaft beim LG Frankfurt a. M. am 14.11.1959 anlässlich der Vorbereitung des 1. Auschwitz-Prozesses
  5. Entnazifizierungsakte, Staatsarchiv Nürnberg (StAN),(Spruchkammer Fürth I, W-388), Hauptkammer München, Außenstelle Nürnberg, Der öffentliche Kläger; Akte abgegeben von der Berufungs- und Hauptkammer München am 19.10.1951.
  6. Recherche Bernd Heitmüller (Hamburg) und Peter Frank (Fürth), Juni 2015 - Januar 2018
  7. Eintrag zu Bernhard Walter bei Wikipedia, abgerufen am 30. März 2018
  8. Recherche Bernd Heitmüller (Hamburg) und Peter Frank (Fürth), Juni 2015 - Januar 2018

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