Höfefest 2018 Dieser Artikel war Thema beim Fürther Höfefest vom 21. - 22. Juli 2018. Unter dem Titel "200 Jahre an einem Wochenende" bot die Veranstaltung Einblick in mehr als 50 Fürther Höfe, davon 20 als Themenhöfe mit einem geschichtlichen Thema.

Die Wiedervereinigung Deutschlands machte sich auch in Fürth bemerkbar, wenn auch nicht in dem Ausmaß bzw. Zuspruch wie in den anderen Metropolstädten wie z. B. in Nürnberg. Dabei müssen jedoch zwei Ereignisse unterschieden werden, einmal die Zuwanderung (Übersiedlung) vor dem 9. November 1989 und zum anderen der Ansturm auf die Weststädte nach dem 9. November 1989, als die Mauer in Berlin von allen unerwartet geöffnet wurde. In den darauf folgenden Tagen berichteten die Nürnberger Nachrichten am 13. November 1989, dass jeder fünfte DDR-Bürger sich auf West-Besuch befand.

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Fürther Stadtjubiläums "200 Jahre eigenständig" im Jahr 2018


DDR-Besucher in Fürth

Zunächst kamen die DDR-Übersiedler über die Tschechoslowakei (ČSSR) und Ungarn nach Fürth, also DDR-Bürger, die der DDR dauerhaft den Rücken zugekehrt hatten und in Westdeutschland bleiben wollten. Diese konnten nicht ahnen, dass nur kurze Zeit später die Grenzen ganz geöffnet wurden, womit sich manche sicher viele Strapazen und Schikanen hätten ersparen können. Für die Übersiedler wurde u. a. in der Karolinenstraße ein Auffanglager durch die Stadt Fürth errichtet. Im Oktober 1989 berichtet das Arbeitsamt, dass sich alleine für diesen Zeitraum (Oktober 1989) bereits 240 ehem. DDR-Bürger beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet hatten. Nach der Grenzöffnung der ehem. DDR vom 9./10. November 1989 kam es zur viel größeren Bevölkerungsbewegung, die sich vor allem durch Tagesbesucher kennzeichneten. Die meisten der Tagesbesucher erhielten ein Begrüßungsgeld in Höhe von 100 DM durch den Freistaat Bayern, das sie vor Ort bei entsprechenden Behörden abholen konnten.

Kurz nach Grenzöffnung kamen bereits in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 in den grenznahen Städten Bayerns wie Hof, Weiden und Lichtenfels die ersten DDR-Bürger mit ihren DDR-Fahrzeugen: Trabant und Wartburg. Nach Fürth kamen die ersten DDR-Besucher erst am Samstag, den 11. November 1989. Das Begrüßungsgeld in Höhe von 100 DM pro Person konnten die DDR-Besucher damals im ehem. Sozialrathaus in der Hirschenstraße 27 abholen. Wie in den meisten anderen Städten Westdeutschlands, wurde das Begrüßungsgeld vorwiegend für Elektrogeräte und Kleidung ausgegeben.

1. Wochenende nach Maueröffnung (11. & 12. Nov. 1989)

 
Erste Wartburgs in Fürth, Nov. 1989

Der Freitag verlief weitgehend unaufgeregt, lediglich in Nürnberg wurden die ersten DDR-Besucher gesichtet - Fürth hatte bis dahin noch keine nennenswerte Anzahl an DDR-Besuchern. Das sollte sich rasch ändern. Bereits einen Tag später, am Samstag, den 11. November 1989, traf es die Stadtverwaltung völlig unvorbereitet, da bereits um 9:00 Uhr die ersten Besucher vor dem Sozialrathaus standen und das Begrüßungsgeld entgegennehmen wollten. Die Stadt hatte zwar eigens hierzu das Sozialamt von 9:00 bis 16:00 Uhr geöffnet, doch mit den rund 500 Besuchern an diesem Tag war man in Fürth sichtlich überfordert. Auch am Sonntag riss der Andrang in Fürth nicht ab. Bereits um 7:00 Uhr wurde das Sozialrathaus geöffnet, damit die Wartenden nicht in der Kälte stehen mussten. Gegen 8:00 Uhr brachten Helfer des Roten Kreuzes heißen Tee, eine Stunde später gaben die fünf städtischen Mitarbeiter erneut das Begrüßungsgeld aus, dieses Mal für ca. 600 Personen. Da die finanziellen Vorräte des Sozialrathauses begrenzt waren, half die Stadtsparkasse unbürokratisch mit frischen Geldreserven aus. Der Versuch der Polizei, bei der Landeszentralbank in Nürnberg an frisches Geld zu kommen, war zuvor an der Sonntagsruhe gescheitert. Das Zeitschloss am Safe lies sich nicht austricksen, so dass der Safe am Sonntag nicht geöffnet werden konnte, auch nicht durch die Polizei bzw. dem Filialleiter der Zentralbank. Auch die Hauptpost in Fürth öffnete am Sonntag, da die völlig überlaufenen Nürnberger Zahlstellen für DDR-Besucher überlastet waren, so dass bereits am Sonntag auch die Hauptpost mit sechs Schaltern als Zahlstelle dienen konnte. Als die Antragsformulare ausgingen, fuhr eigens ein Postbeamter nach Neustadt a. d. Aisch, um Nachschub zu holen. Gleichzeitig mit den Besuchern kamen aber auch Übersiedler, also ehem. DDR-Bürger, die trotz geöffneter Grenzen nicht mehr zurück in ihre alte Heimat wollten. Mit Sonderbussen wurden die neuen Bürger aus Nürnberg nach Fürth gebracht, um die große Zahl der Übersiedler im Stadt- und Landkreis zu verteilen. Bis Montag, den 13. November 1989 waren so bereits über 2.000 Übersieder im Stadt- und Landkreis verteilt worden, zum Teil in Notunterkünften bzw. in Notaufnahmelagern, z. B. in der Jahnturnhalle bzw. in der Turnhalle der Hans-Böckler-Schule.

Auch die Städte im Landkreis hatten bereits an dem ersten Wochenende nach der Maueröffnung zahlreichen Besuch von DDR-Bürgern. Die in Omnibussen, Wartburgs und Trabants anreisenden DDR-Bürger wurden aus Nürnberg umgeleitet nach Zirndorf, Stein und Cadolzburg, da die Aufnahme- und Auszahlungsstellen in Nürnberg mit der Auszahlung des Begrüßungsgeldes nicht mehr nach kamen. Auch diese Städte wurden von dem Ansturm völlig überrascht. In Cadolzburg erfuhr man erst von dem Andrang, als die ersten DDR-Bürger bereits direkt vor dem Rathaus standen - in den Kommunen im Landkreis wurden allein am Samstag 167.000 DM Begrüßungsgeld ausgezahlt; allerdings hatte man ebenfalls zuvor Probleme an das Geld im Tresor heranzukommen, da auch dieser Safe bedingt durch ein Zeitschloss nicht geöffnet werden konnte.

Über die "Freizügigkeit" gegenüber den DDR-Besuchern kam gleich zu Beginn erste Kritik auf. Bürgermeister Horst Weidemann entgegnete dieser Kritik bei einer Veranstaltung des "Bundes der Heimatvertriebenen" mit folgenden Worten: Keine Mark, die wir jetzt für unsere Brüder und Schwestern von drüben aufwenden, ist zu viel ausgegeben. Die Veranstaltung mit dem Motto "40 Jahre Bundesrepublik - das ganze Deutschland ist unser Vaterland" bekäme durch die aktuellen Ereignisse eine völlig neue Bedeutung.[1] Personalreferent der Stadt Fürth, Dr. Richard Zottmann, entgegnete allerdings bei einer Veranstaltung der freien Wohlfahrtsverbände am gleichen Tag, dass er eine gewisse Skepsis bzgl. der Euphorie über die Grenzöffnung habe: Angesichts zunehmender sozialer Probleme drohe die Begeisterung in Enttäuschung umzuschlagen. Wenn der Alltag einkehrt, werde der Überschwang rasch vergessen sein... Die Übersiedler stellen uns vor völlig neue Probleme. Niemand könne ein Interesse an einem nie versiegenden Einreisestrom haben, zumal die Bundesrepublik darauf überhaupt nicht vorbereitet ist. Schnell könne aus der momentanen Sympathiewelle Ablehnung werden.... Erst wenn wirklich nicht mehr umkehrbare Reformen stattfinden, wird sich die Situation bessern.[2]

In ersten Interviews mit den Besuchern gaben viele an, dass sie bereits nachts um 2:00 bzw. 3:00 Uhr in ihre Autos stiegen und gegen Westen fuhren, da in den Radios von bis zu 10 Stunden Stau die Rede war. Der Grenzübertritt gestaltete sich aber nach eigenen Angaben in der Regel als unproblematisch, so dass die ersten Besucher bereits gegen 8:00 Uhr die mittelfränkische Region erreichten. Zuvor wurden die nächtlichen Besucher bereits weitergeleitet, da die Städte Hof, Weiden, Bayreuth, Kulmbach etc. völlig überfüllt waren. Die Fürther Nachrichten interviewten am ersten Wochenende in der Fürther Fußgängerzone die DDR-Besucher nach ihrem ersten Eindruck im Westen. Viele DDR-Besucher gaben an: Hier ist es irgendwie bunter, die Häuser sind sauberer. Zum ersten Besuch gehörte nach Aussage eines DDR-Besuchers in Fürth aber auch: In Nürnberg wollen wir Bekannte besuchen und Sachen einkaufen. Außerdem möchte ich unbedingt einmal so richtig schön Hamburger essen.

2. Wochenende nach Maueröffnung (18. & 19. Nov. 1989)

Auch an dem zweiten Wochenende nach der Öffnung der Mauer wurden wieder viele Besucher aus der DDR erwartet, dieses Mal wollte sich aber die Stadtverwaltung auf den Ansturm vorbereiten. Allerdings kam es zunächst zu einer Auseinandersetzung zwischen den Stadtverwaltungen Nürnbergs und Fürths. Nürnberg hatte die Stadt Fürth wissen lassen, dass sie eine Hilfe aus Fürth nicht bräuchten, da sie den Ansturm der DDR-Besucher alleine bewerkstelligen können. Bürgermeister Weidemann entgegnete seinen Nürnberger Kollegen, dass er dies für unmöglich halte, zumal der 1. FC Nürnberg in Gera für ein Spiel in Nürnberg am bevorstehenden Wochenende 10.000 (!) Freikarten verteilt hatte.[3] Die Nürnberger konnten schon am vergangenen Wochenende den Ansturm nicht bewältigen und baten uns um Hilfe ... wie wollen sie nun alleine mit zusätzlichen 10.000 Personen fertig werden? Derartige Überheblichkeiten fand der Bürgermeister einfach "großkotzig" - er wisse zwar, dass die Nürnberger keinen Wert darauf legen, dass wir etwas für sie tun, aber er fühle sich zur Nachbarschaftshilfe verpflichtet, so die damalige Berichterstattung in den Fürther Nachrichten.[4]

 
Besuch aus Leipzig, Nov. 1989

Deshalb wurden auf Weisung der Stadtverwaltung erneut das Sozialrathaus in der Hirschenstraße 27 zur Auszahlung des Begrüßungsgeldes am Samstag und Sonntag geöffnet. Zusätzlich öffnete die Stadtsparkassenfiliale im ehem. City-Center und die Hauptpost am Bahnhofplatz. DDR-Besucher, die bereits zum zweiten Mal nach Westdeutschland kamen, erhielten erneut ein Begrüßungsgeld in Höhe von 40 DM (vom Freistaat) und 20 DM (von der Kommune). Um einem Verkehrschaos entgegenwirken zu können, wurden im Verkehrsgroßraum Nürnberg-Fürth-Erlangen rund 1.000 Familienkarten kostenlos ausgegeben. Ebenfalls zur Diskussion stand die Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte in der Fürther Innenstadt. Begonnen hatten die Diskussion zur Öffnung der Geschäfte am Sonntag die Händler der Nürnberger Innenstadt. Auch der Fürther Einzelhandelsverband begrüßte die Öffnung der Geschäfte, allerdings sagte der damalige Sprecher des Einzelhandelsverbands Hans-Jürgen Haken, dass nicht alle öffnen werden, da die Nachfrage fast ausschließlich nach Südfrüchten, Textilien und technischen Geräten bestünde.[5]

An dem zweiten Wochenende brach dann doch das erwartete Verkehrschaos in den süddeutschen Städten aus, wenn auch nicht in Fürth. Das Bonner Innenressort gab für Freitag, den 17. November 1989 in Zahlen an, dass bis zur Abendstunde ca. 1 Mio. DDR-Besucher sich im Westen befanden. In den Grenzstädten ging am Freitagvormittag bereits nichts mehr - es herrschte heilloses Chaos, die Parkflächen waren überfüllt und an der Grenze standen noch die Menschen in einem 70 km langen Korso - dabei waren die Innenstädte schon übersät mit Warteschlangen der DDR-Bürger vor den Geschäften und Behörden. Ein Sprecher in Bayreuth meinte: Das ist echt Wahnsinn, dabei steht am Samstag und Sonntag noch ganz anderes bevor.[6] In Nürnberg und Fürth kamen bereits am Freitag mit Sonderzügen mehrere 1.000 DDR-Besucher in die Region. Zuvor wurde in der örtlichen Presse berichtet, dass die grenznahen Städte wie Hof, Bayreuth oder Weiden bereits "leergekauft" waren, so dass nun viele DDR-Besucher weiter Richtung Westen und Süden fahren - also auch in Richtung Nürnberg und Fürth. Das Bay. Rote Kreuz rief die Bevölkerung auf, Notquartiere zur Verfügung zu stellen, da die 100 Notbetten in der Jahnturnhalle bei weitem nicht ausreichen würden.[7] Gleichzeitig brachte das BRK Fürth täglich mehrere Laster Lebensmittel und Obst in die nordbayerischen Städte zur Unterstützung der dortigen Behörden in der Versorgung der Übersiedler und Besucher.[8] Auch das BRK Nürnberg rief die Bevölkerung um Mithilfe, allerdings war bereits ab 6:30 Uhr früh das gesamte Haustelefonnetz zusammengebrochen und konnte erst wieder am späten Nachmittag in Betrieb genommen werden.

Die Befürchtungen Weidemanns bestätigten sich ebenfalls, dass nämlich die Stadtverwaltung Nürnberg dem Ansturm nicht gerecht werde konnte. Die Fürther Nachrichten schrieben bereits am Samstag, den 18. November 1989 über die chaotischen Verhältnisse in Nürnberg: Peinliches Warten - Stadt lässt Besucher aus der DDR in Stich. ... Die Verwaltung hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Eine Woche lang hieß es, nächste Woche werde sie Nägel mit Köpfen machen. Während dieser Woche haben die Verantwortlichen kaum mehr auf die Beine gebracht, als ein unzulängliches Faltblatt und Freifahrscheine für einen Tag, die noch dazu nur der bekommt, der sich sein Begrüßungsgeld abholt... OB Peter Schönlein hat erklärt, er wolle die DDR-Bürger nicht gängeln. Das erwartete auch niemand. Deshalb aber gleich auf jegliche Hilfe zu verzichten, ist genauso falsch.[9]

Am Freitag erhielten bis zum Nachmittag in Fürth erneut über 100 DDR-Besucher im Sozialrathaus Begrüßungsgeld. Für das kommende Wochenende werden deutlich mehr Besucher erwartet, so die Stadtverwaltung gegenüber der örtlichen Presse. Das Hotel Forsthaus bot spontan fünf Doppelzimmer kostenlos für DDR-Touristen an, während die meisten anderen Besucher in den Notunterkünften des BRK Unterschlupf fanden. Die Spielvereinigung zeigte sich nicht ganz so spendabel wie der Club in der Nachbarstadt. Stadionsprecher Bernhard Saller verteilte in einer Notunterkunft für Übersiedler in der Karolinenstraße lediglich 80 Freikarten für das "Landesliga-Spitzenspiel" gegen Passau.

Doch wider Erwarten blieb der Zustrom der DDR-Besucher in Fürth fast gänzlich aus. Während in Nürnberg 40.000 Besucher (!) die Stadt bevölkerten und sich bereits ab 4:00 Uhr früh die Schlangen vor der Landeszentralbank für das Begrüßungsgeld bildeten, herrschte in Fürth fast gähnende Leere. Die Fürther Nachrichten schrieben: Während die DDR-Besucher am vergangenen Wochenende wieder die grenznahen Städte oder auch Nürnberg massenhaft bevölkerten, musste man die Ostdeutschen in Fürth schon ziemlich suchen. Nur vereinzelt standen Trabis am Straßenrand, die Geschäfte hatten geschlossen, und auch die Angebote für Übernachtungen, die zwar zahlreich vorlagen, wurden nicht genutzt.[10] So schliefen in der Jahnturnhalle, in der über 100 Betten aufgestellt waren, lediglich von Freitag auf Samstag fünf DDR-Touristen. Auch die Begrüßungsgeldausgabe wurde zwar genutzt, war aber nach Bekunden der dort arbeitenden Angestellten bei weitem nicht ausgelastet. Eine Erklärung, warum die DDR-Besucher nicht bis nach Fürth kamen, wird allerdings in der Presse nicht geliefert.

3. Wochenende nach Maueröffnung (26. & 27. Nov. 1989)

Am 20. November 1989 beschloss die Stadtverwaltung in einer dringlichen Anordnung, die freiwillige Zahlung von 20 DM als kommunales Begrüßungsgeld für die DDR-Bürger auszusetzen, die bereits zum zweiten Mal in der BRD waren. Zuvor hatte bereits Nürnberg angekündigt, die freiwillige Zahlung nicht mehr auszuschütten. Erlangen zahlte bis dato 40 DM freiwillig aus der städtischen Kasse, aber mit Blick auf eine einheitliche Regelung im Ballungsraum stellte auch Erlangen mit Fürth gemeinsam die Zahlungen am 20. November 1989 ein.[11] Bis dahin hatte die Stadt ca. 15.000 DM in den städtischen Haushalten bereitgestellt, tatsächlich ausgezahlt wurden lediglich 9.000 DM.

Als Reaktion auf das nur wenig genutzte Angebot am zweiten Wochenende nach Maueröffnung wurden die Servicezeiten am dritten Wochenende nur noch in einem sog. "Jourdienst" mit verkürzten Öffnungszeiten angeboten. So konnten am Samstag die DDR-Besucher ihr Begrüßungsgeld am Sozialrathaus nur noch in der Zeit von 9:00 bis 12:00 Uhr abholen, und am Sonntag von 10:00 bis 11:30 Uhr. Der Presse konnte man entnehmen, dass mit einem neuen Ansturm erst wieder zur Eröffnung des Christkindelsmarkt in Nürnberg ab dem 4. Dezember 1989 gerechnet wird, davor wird man die Servicezeiten eher noch weiter kürzen.

Erste Zeit nach Maueröffnung

Nach den ersten chaotischen Tagen der Grenzöffnung gab es für die Lokalredaktion kaum noch Gesprächsstoff bzw. Handlungsbedarf zur Berichterstattung über die Übersiedler bzw. DDR-Besucher - vielmehr kehrte bereits nach kurzer Zeit wieder der Fürther Alltag ein. Lediglich in der Stadtratssitzung am 6. Dezember 1989 rechtfertigte sich Oberbürgermeister Lichtenberg über seine dringliche Verfügung vom 17. November 1989, in der er die Zahlung des kommunalen Begrüßungsgeldes von 20 DM eingestellt hatte. Der Grüne bzw. Unabhängige Stadtrat Lothar Berthold schlug vor, sich eine Partnerstadt auf Augenhöhe in der ehem. DDR zu suchen und nannte auch gleich drei Städte, die seiner Meinung nach geeignet wären - gemessen an der Anzahl der Einwohner (≥ 100.000 Bewohner): Halle-Neustadt, Zwickau und Dessau. Lichtenberg erwiderte, dass Dessau und Zwickau bereits Partnerstädte im Westen hätten, lediglich Halle-Neustadt wäre noch nicht gebunden, so dass man diesen Vorschlag prüfen werde. Allerdings sind auf die gleiche Idee auch andere westdeutsche Städte gekommen, so dass viele DDR-Städte bereits "vergriffen" sind. Im Januar 1990 konnte die Stadtverwaltung eine vermeintliche Partnerstadt anbieten, da der Kreis Aue das Angebot der Stadt Fürth "dankend annahm". Dies verkündete zumindest der Oberbürgermeister den etwas verdutzten Stadträten in der Stadtratssitzung vom 10. Januar 1990. Lichtenberg las das Telegramm vor: Die Stadtregierung von Aue bedanke sich darin herzlich für das Interesse der Stadt Fürth an einer Partnerschaft und nimmt das Angebot dankend an. Gleichzeitig wird eine Delegation für den 12. Januar angekündigt.

Auch dies wusste die örtliche Presse zu berichten: Am 15. Dezember 1989 erhielt die Redaktion eine Weihnachtskarte, freigemacht mit 20 Ostpfennige. Auf ihr stand: Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen wir allen Fürther Bürgern und danken für die herzliche Aufnahme in der Stadt Fürth. Die Karte stammte von der Familie Ursula und Rolf Baumgartl aus Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz.[12]

Ein Jahr später (1990)

Ein Jahr später war das Thema den örtlichen Nachrichten lediglich eine kleine Schlagzeile wert: "Ex und Hopp" hat ausgedient. Dabei handelte es sich um eine Glosse über einen liegen gebliebenen Trabi am Lohnert-Sportplatz aus Zwickau, der offensichtlich von seinem Besitzer widerrechtlich dort entsorgt wurde. Die Polizei hatte das Auto bereits mit einem "roten Punkt" markiert, so dass der Abtransport nur noch eine Frage der Zeit war.[13] Eine weitere Berichterstattung über die Anzahl der Übersiedler bzw. über den weiteren Fortgang der Wiedervereinigungszeit und deren Folgen in der Fürther Bevölkerung findet nicht statt.

Insbesondere für die Firma Quelle war die Grenzöffnung Fluch und Segen gleichzeitig. Durch die Erschließung des "neuen" Marktes kamen über Nacht 16 Mio. potentiell neue Kunden und Konsumenten auf die Firmen zu, so dass die Geschäftsleitung massiv in den neuen Bundesländern investierte, u. a. in ein neues Versandzentrum in Leipzig. Letzteres war rückblickend jedoch viel zu groß geplant, so dass es nie seine volle Kapazität erreichte und somit einige Investitionen sich bis zum Aus der Firma Quelle im Jahr 2009 nicht mehr refinanzierten.

Erster Fernverkehr DDR – BRD über Fürth/Bay.

Am Freitag, den 18. November 1989 um 9:02 Uhr hielt in Fürth der erste planmäßige Zug auf Gleis 3 des Hauptbahnhofs Fürth, der auch in der ehem. DDR halt machte. Der Zug mit einer DB-Lokomotive und zehn DDR-Reichsbahn-Waggons kam von Ost-Berlin und fuhr planmäßig zum erstem Mal (mit 2 Minuten Verspätung) nach München, über Halle, Jena und Saalfeld. Der Zug fuhr nun täglich - mit Halt um 9:02 Uhr in Fürth - von Berlin nach München, abends hielt er erneut um 20:36 Uhr in Fürth, dieses Mal Richtung Berlin. Zu den ersten Fahrgästen zählte ein Besucher aus der DDR, der seine Verwandten am Stresemannplatz in Fürth mit einem Blumenstrauß besuchen wollte.

Symbolische Wiedervereinigung von Nürnberg und Fürth

 
Wiedervereinigungsfeier Nürnbergs und Fürth an der "ehem." Stadtgrenze, 1990
 
Pressemitteilung zur "Wiedervereinigung beider Städte"

Den letzten, wenn auch nicht wirklich ernst gemeinten, Versuch der "Wiedervereinigung" beider Städte unternahmen die Grünen im Jahr 1990 anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990. Hierzu luden die Grünen-Kreisverbände der Städte Fürth und Nürnberg zu einer Vereinigung der beiden Städte an die "ehem. Stadtgrenze" ein mit Freibier - um Nürnberg in Fürth-Ost umzutaufen. Das Motto der Veranstaltung lautete: "Jetzt wächst zusammen, was immer schon daneben war."[14] Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang, dass die Patrizier Brauerei hierzu ein 50-Liter-Fass Bier spendierte.[15]


Siehe auch

Lokalberichterstattung

  • hei: Der Trabi ist versichert - HUK-Verband begleicht Schäden, den DDR-Autos im Westen verursachen - Nummernschilder sind allerdings nirgends registriert - bis jetzt in Fürth aber noch kein Unfall bekannt. In: Fürther Nachrichten vom 8. November 1989, S. 45
  • di: Ausreisestrom beunruhigt Wohlfahrtsverbände - Große Aufgabe aber keine Lobby. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 39
  • hei: Am Sonntag wird wieder ausbezahlt - Post, Sparkasse und das Sozialamt öffnen. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47
  • FN: Der Ansturm bricht alle Rekorde. Schon vormittags waren die nordbayerischen Grenzstädte total dicht - Mindestens 20.000 Besucher in Nürnberg. In: Fürther Nachrichten vom 18./ 19. November 1989, S. 1
  • di: Mit neuer Hoffnung - aktuelle Lage in DDR bestimmte die Reden. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 37
  • di/hk: Mit Improvisation über Runden gerettet - Großer Ansturm aus der DDR auf Begrüßungsgeld überraschte am Wochenende die Behörden. Postler und Sozialamtsmitarbeiter opferten ihre Freizeit - VAG setzte Sonderbusse ein - Disziplin in den Ausgabestellen. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 37
  • fn: Quartiere gesucht - Sonderdienst für Besucher aus der DDR. In: Fürther Nachrichten vom 17. November 1989, S. 37
  • Roland Englisch: Der Kommentar - Peinliches Warten. In: Fürther Nachrichten vom 18./19. November 1989, S. 14
  • noa: DDR-Besucher machten sich rar. In: Fürther Nachrichten vom 20. November 1989, S. 39
  • noa: Kein Extra-Geld von der Stadt - DDR-Bürger, die das zweite Mal in der BRD sind, bekommen nur 40 DM. In: Fürther Nachrichten vom 21. November 1989, S. 29
  • fn: Rund um den Trabi - auch das noch. In: Fürther Nachrichten vom 16./17. November 1989, S. 45
  • fn: Ex und Hopp hat ausgedient. In: Fürther Nachrichten vom 8. November 1990, S. 41
  • wst: DDR-Partnerstädte sind "schnell vergriffen". In: Fürther Nachrichten vom 7. Dezember 1989, S. 49

Einzelnachweise

  1. di: Mit neuer Hoffnung - aktuelle Lage in DDR bestimmte die Reden. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 37
  2. di: Ausreisestrom beunruhigt Wohlfahrtsverbände - Große Aufgabe aber keine Lobby. In: Fürther Nachrichten vom 13. November 1989, S. 39
  3. Anmerkung: Der Club spielte am 17. November 1989 vor heimischem Publikum gegen den 1. FC Kaiserslautern 0 : 0, womit nicht nur die 10.000 DDR-Besucher eher unzufrieden waren, also auch die 20.000 zahlenden Nürnberger Gäste.
  4. hei: Am Sonntag wird wieder ausbezahlt - Post, Sparkasse und das Sozialamt öffnen. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47
  5. hei: Am Sonntag wird wieder ausgezahlt. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47
  6. FN: Der Ansturm bricht alle Rekorde. Schon vormittags waren die nordbayerischen Grenzstädte total dicht - Mindestens 20.000 Besucher in Nürnberg. In: Fürther Nachrichten vom 18./19. November 1989, S. 1
  7. fn: Quartiere gesucht - Sonderdienst für Besucher aus der DDR. In: Fürther Nachrichten vom 17. November 1989, S. 37
  8. Zeitzeugengespräch mit K. Salimi und einem ehem. Mitarbeiter des BRK, geführt am 9. Juli 2018
  9. Roland Englisch: Der Kommentar - Peinliches Warten. In: Fürther Nachrichten vom 18./19. November 1989, S. 14
  10. noa: DDR-Besucher machten sich rar. In: Fürther Nachrichten vom 20. November 1989, S. 39
  11. noa: Kein Extra-Geld von der Stadt - DDR-Bürger, die das zweite Mal in der BRD sind, bekommen nur 40 DM. In: Fürther Nachrichten vom 21. November 1989, S. 29
  12. fn: Rund um den Trabi - auch das noch. In: Fürther Nachrichten vom 16./17. November 1989, S. 45
  13. Fn: Ex und Hopp hat ausgedient. In: Fürther Nachrichten vom 8. November 1990, S. 41
  14. Die Grünen, Kreisverband Fürth & Nürnberg, Pressemitteilung vom 1. Oktober 1990
  15. Die Grünen, Kreisverband Fürth, Rundbrief Januar 1991, S. 24

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