Neue Mitte II
Das Projekt "Neue Mitte II" ist ein innerstädtisches Einkaufzentrum in Fürth, das nach dem Scheitern der Pläne Neuen Mitte I seit 2010 im Bereich der Rudolf-Breitscheid-Straße verwirklicht werden soll. Der Arbeitstitel lautet zunächst „Einkaufsschwerpunkt in der Rudolf-Breitscheid-Straße“, später Neue Mitte. Stadtheimatpfleger Alexander Mayer hat zur Unterscheidung zum Vorgängerprojekt den Begriff „Neue Mitte II“ eingeführt. Als Investor wurde die MIB AG Berlin ausgewählt. Von der Planung betroffen sind vor allem die Rudolf-Breitscheid-Straße und die Hallstraße, das ehemalige Wölfel-Areal, das Parkhotel, das Fiedler-Gelände, die Commerzbank und das City Kino Fürth.
Vorgeschichte
Nach dem endgültigen Scheitern des Projektes Neue Mitte I kündigte Sonae Sierra und die Stadt zunächst an, dass Sonnae Sierra das City Center übernehmen und modernisieren wolle.[1] Im Juli 2010 kaufte die Stadt Fürth Wölfel-Areal, im November wurde noch das Park-Hotel erworben, schon 2007 war das Fiedler Areal von der Stadt übernommen worden, [2] Im Mai 2010 teilte Sonae Sierra mit, dass man sich vorerst nicht weiter in Fürth engagieren wolle. [3]
Auswahl des Investors
Unter konkret ausformulierten Rahmenbedingungen suchte die Stadt Fürth ab November 2011 neue Investoren. Im sogenannten Interessenbekundungsverfahren forderten 65 Unternehmen die Unterlagen für die Bewerbung an. Bis 31. Januar 2011 gingen fristgerecht acht Bewerbungen ein. Diese Unternehmen wurden zu einem „Wettbewerblichen Dialog“ eingeladen, zu der eine entsprechende Aufgabenbeschreibung zugesandt wurde.[4]
Zu Irritationen führte die weder im Stadtrat noch ansonsten abgestimmte Streichung des Satzes „Weitere zwingende Vorgabe ist die Beachtung des Denkmalschutzes“ aus der Aufgabenbeschreibung.[5] Kritik hierzu äußerten die Bürgerinitiative und der Stadtheimatpfleger, Bündnis 90/Die Grünen stellten den Antrag, den Satz wieder aufzunehmen. Hierzu kam es zu folgenden Kommentaren seitens der Stadtspitze: „Kein Verständnis dafür zeigten der OB und Baureferent Joachim Krauße, der darauf verwies, dass die Beachtung des Denkmalschutzes ohnehin gesetzlich vorgegeben sei; die Diskussion sei mithin „überflüssig““. Diese Aussagen vernebelten jedoch die Tatsache, dass die ursprüngliche Formulierung weitergehend war (vgl. Festsaal (Parkhotel). Dennoch wurde der entsprechende Satz wieder aufgenommen und dies den Investoren ausdrücklich mitgeteilt.[6]
Im Stadtrat vom 16. März 2011 - vorberaten im Bau- und Werkausschuss vom 2. März 2011 - wurde eine Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht im Bereich der Neuen Mitte erlassen, so dass die Stadt einen vereinfachten Zugriff auf Grundstücke im Bereich hat.[7]
Im Rahmen des Investoren Auswahlverfahrens wurde ein Projektbeirat in beratender Funktion gebildet, der von März bis Juli 2011 über die Bewerbungen der verbliebenen fünf Interessenten beriet. Am 7. Juli 2011 wurden die Vorstellungen der Investoren in der Aula der Ludwig-Erhard-Schule präsentiert. Schon am 8. Juli sprach sich Stadtheimatpfleger Alexander Mayer für MIB als Investor aus.[8] Der Projektbeirat und der Stadtrat entschieden sich ebenfalls für MIB.
Am 14. September 2011 beschloss der Bauausschuss die Anpassung des schon für die Neue Mitte I aufgestellten Bebauungsplanes 370a auf die Bedürfnisse des neuen Investors.[9]
Im März 2012 kündigte MIB an, dass das Parkhotel in seiner Gesamtheit (einschließlich Festsaal) abgerissen werde, was zu Protesten führte (vgl. Artikel -> Festsaal (Parkhotel)).
Unbeachtet von der Presse beschloss der Stadtrat am 28. März 2012: "... falls eine einvernehmliche Einigung nicht erzielt werden kann, Miet- und Pachtverträge an Gebäuden, die zur Schaffung des Einkaufsschwerpunktes erforderlich sind,unter den Voraussetzungen des § 182 BauGB aufzuheben, b) im Falle einer Aufhebung von Miet- und Pachtverhältnissen im gesetzlich erforderlichen Umfang angemessene Ersatzräume sowie ggf. Mittel für Entschädigungsleistungen bereitzustellen" .[10] Dieser Punkt dürfte der größte Risikofaktor für das Projekt darstellen, da es vor allem in den Anwesen Rudolf-Breitscheid-Straße 8 und 10 Widerstände und eventuell erhebliche Abschlagszahlungsforderungen geben wird.
Architektenworkshop
Im September 2011 beschloss der Stadtrat als Vertragsgrundlage mit dem Investor das planerische Konzept von DunnettCraven und MIB. Im Stadtrat vom 23. November 2011 wurde nach kontroverser Diskussion beschlossen, "aufgrund der zentralen Bedeutung der vom Büro DunnettCraven vorgelegten Planung ... im Rahmen des weiteren Verfahrens auf einen Architektenwettbewerb nach § 3 Abs. 2 RPW 2008 zu verzichten. Verfahrensbegleitend soll weiterhin an dem bewährten Instrument eines Projektbeirates festgehalten werden. Über die geänderte Zusammensetzung wird noch gesondert entschieden."[11] Da MIB von der kontroversen Diskussion überrascht war, bot der Investor später einen Architektenworkshop an. Ein wesentlicher Unterschied zum Architektenwettbewerb ist dabei allerdings, dass weder der erste noch sonstige Preisträger einen Rechtsanspruch auf Verwirklichung ihres Entwurfs haben.
Zur Weiterentwicklung, Konkretisierung und Bearbeitung des Konzeptes wurde im März 2012 ein Architektenworkshop Neue Mitte Fürth beschlossen und hierzu ein Preisgericht gebildet. Im Mai 2012 gab MIB die Liste der Wettbewerbsteilnehmer (s.u. "Kritik") und die Zusammensetzung des Preisgerichtes dem Bauausschuss und dem Stadtrat bekannt, die gegenüber dem urspünglichen, im Stadtrat vom 28. März 2012 vorgelegtem Auslobungstext in wesentlichen Dingen erheblich abwich, ohne dass dies explizit bekanntgegeben worden wäre - vor allem waren die Struktur des Preisgerichtes und die Stimmberechtigung verändert worden. [12]
Dies - ein von der Presse mit Ausnahme der Internetzeitung "Fürther Freiheit" völlig unbemerkter Vorgang - führte zu erheblichen Irritationen bei der "Bürgerinitiative Bessere Mitte Fürth", die sich auf den Entzug des Stimmrechtes des BI-Sprechers Christofer Hornstein wie auch auf die Auswahl der zum Wettbewerb ausgewählten Architekten bezogen (s.u.).[13].
Daraufhin wurde das Preisgericht bis zur Stadtratsitzung vom 23. Mai 2012 nochmals geändert (wiederum unbemerkt von der Presse), so dass der Sprecher der Bürgerinitiative doch wieder Stimmrecht hatte und gleichzeitig ein weiterer Vertreter von MIB stimmberechtigt wurde, so dass sich unter den sechs Stimmberechtigen im Preisgericht nunmehr mutmaßlich eine Mehrheit für die Beibehaltung des bisherigen MIB-Konzeptes vom Büro DunnetCraven abzeichnet. [14]
Die Zusammensetzung des Preisgerichts ist nunmehr wie folgt:
- Fachpreisrichter: Joachim Krauße (Baureferent), Michael Stösslein (Architekt, FH-Professor, Baukunstbeirat), Dr. Christofer Hornstein (Architekt, BI Bessere Mitte);
- stellv. Fachpreisrichter: Dietmar Most (Leiter Stadtplanungsamt), Brigitte Sesselmann (Architektin, Sprecherin des Baukunstbeirats).
- Sachpreisrichter: James Craven (Architekt), Andreas Kaiser (MIB), Dr. Alexander Schlag (MIB);
- stellv. Sachpreisrichter: Maik Mehlhose (MIB);
- sachverständige Berater (ohne Stimmrecht): Michaela v. Wittke (SPD), Mathias Bohliner (Stadtplanungsamt), Uwe Laule (MIB), Dr. Alexander Mayer (Stadtheimatpfleger), Harald Riedel (Bündnis 90 / Grüne), Dr. Tobias Wagner (CSU), Dr. Uli Walter (Bay. Landesamt f. Denkmalpflege), Alexander Meyer (MIB).[15]
Die erste Preisrichtervorbesprechung fand Ende Mai 2012 statt. Die Sitzungen sind nichtöffentlich, die Teilnehmer auf Vertraulichkeit verpflichtet, der Auslobungstext ist - abgesehen von der darin enthaltenen Präsentation vom Juli 2011 sowie den in öffentlicher Sitzung des Stadtrates vorgelegten Teilen - ebenfalls vertraulich.
Kritik
Neben dem Abriss des Festsaals (siehe dort) wird die Auswahl der zum Wettbewerb geladenen Architekten und die Zusammensetzung des Preisgerichtes kritisiert: "Die BI [Bessere Mitte Fürth] sieht in der jetzt vorgeschlagenen Workshop-Konstellation ein erhebliches Gefahrenpotential und befürchtet, daß gegen Ende des Verfahrens das Grundkonzept von MIB (welches große und breite Zustimmung in der Stadtöffentlichkeit erfahren hat) verloren geht und der sehr stadtbildverträgliche Ansatz von Herrn Craven in den Hintergrund gedrängt wird. Enttäuscht zeigt sich die BI auch darüber, daß kein einziger ihrer Vorschläge für Wettbewerbsteilnehmer (Architekturbüros) und Jurybesetzung von MIB aufgenommen wurde [...] Schließlich bekommt auch die jetzt vorgeschlagene personelle Auswahl ein gewisses »Geschmäckle«, wenn man erfährt, dass der [ursprünglich einzige, s.o.] Fachpreisrichter neben Stadtbaurat Krauße ein FH-Professoren-Kollege eines der Wettbewerbsteilnehmer ist! § 6(1) der Richtlinien für Planungwettbewerbe (RPW) legt eigentlich ganz klar fest: »Das Preisgericht darf nur aus natürlichen Personen bestehen, die von den Teilnehmern des Wettbewerbs unabhängig sind.« So handelt die Architektenkammer, die von MIB beratend hinzugezogen worden ist, ganz offensichtlich gegen ihre eigenen Regularien. Angesichts der Professionalität aller Verfahrensbeteiligten erscheint es nicht abwegig, dahinter Kalkül und System zu vermuten, zu wessen Gunsten auch immer ." [16]
Die Kritik bezieht sich einerseits auf Auswahl der Architekturbüros: Behet Bondizio Lin (Münster), dürschinger architekten (Fürth), Gewers & Pudewill GPAI GmbH (Berlin), Niederwöhrmüller + Kief (Nürnberg) sowie Weis & Volkmann (Leipzig). Abgesehen von Weis & Volkmann weisen diese Büros nach Ansicht der BI keine positive Referenzen bezüglich des Bauens im historischen Umfeld auf und sind einer nicht dem Konzept von DunnetCraven entsprechenden Architektursprache verpflichtet.
Andererseits bezieht sich die Kritik darauf, dass der Fachpreisrichter Michael Stößlein ein langjähriger Kollege von Wettbewerbsteilnehmer Hartmut Niederwöhrmeier in der Ohm Fachhochschule Nürnberg war. Zudem sind beide zusammen mit der stellvertetenden Fachpreisrichterin Brigitte Sesselmann und dem Teilnehmer Peter Dürschinger in der BDA-Bezirksgruppe (Bund Deutscher Architekten) untereinander gut bekannt.
Literatur / Medien
- Einkaufsstadt Fürth – quo vadis?. Fernsehreportage der Redaktion POINT, Otto-Seeling-Promenade 2-4, 90762 Fürth, März 2010
- Videos von den Präsentationen der Investoren für einen neuen »Einkaufsschwerpunkt« in Fürth - Weblog-Beitrag der_Medienpraxis e. V., Juli 2011
Lokalpresse
Siehe auch
Weblinks
- Bürgerinitiative "bessere mitte fürth" - Home
- Themenarchiv der Fürther Nachrichten
- "Sonae Sierra"-Gruppe in Deutschland
- Bürgerinitiative „bessere mitte fürth“: Das verlorene Einkaufsparadies. Aufstieg und Niedergang des CityCenter. Vom 7. Februar 2009 - PDF-Datei
- Bürgerinitiative „bessere mitte fürth“: In ihrer Ohnmacht verkauft die Stadt Fürth das Zentrum - im Netz
- Christofer Hornstein: Neues von der "Neuen Mitte". Bei Fuerther-Freiheit.info vom 29. August 2010 - im Netz
- Christofer Hornstein: BI-Presseerklärung: Investoren-Auswahlverfahren Einkaufsschwerpunkt Rudolf-Breitscheid-Straße. Bei: Fuerther-Freiheit.info vom 04. März 2011 - im Netz
- Christofer Hornstein: BI-Presseerklärung: Investoren-Angebote Einkaufsschwerpunkt Rudolf-Breitscheid-Straße. Bei: Fuerther-Freiheit.info vom 11. Juli 2011 - im Netz
Positions-Rundbriefe des Stadtheimatpflegers
- Rundbrief des Stadtheimatpflegers zum Thema "Neue Mitte" Nr. 68
- Rundbrief des Stadtheimatpflegers zum Thema "Neue Mitte" Nr. 69
- Rundbrief des Stadtheimatpflegers zum Thema "Neue Mitte" Nr. 70
- Rundbrief des Stadtheimatpflegers zum Thema "Neue Mitte" Nr. 71, S. 5 f.
Einzelnachweise
- ↑ FN vom 01.07.09: Pläne für die Neue Mitte haben sich erledigt; FN v. 24.12.09: City-Center: Sektkorken knallen erst später
- ↑ FN v. 17.09.10: Stadt steht vor dem Kauf des Park-Hotels ; FN v. 27.07.10: Die Stadt hat das Wölfel-Areal gekauft; FN v. 23.11.10: Der Weg zum Einkaufszentrum ist frei“; FN v. 31.1010: Der Traum vom Leuchtturmprojekt in der City
- ↑ FN v. 08.05.10: Chronologie des Scheiterns.
- ↑ Vorlage zur Sondersitzung des Wirtschafts- und Grundstücksausschusses und des Bau- und Werkausschusses am 21.02.2011; FN v. 10.01.11: Bewerber stehen bei der Stadt Schlange; FN v. 20.12.11: Neue Geschäftszentrum: Die Stadt wirbt um Investoren.; FN v. 23.11.11: Der Weg zum Einkaufszentrum ist frei; FN v. 19.11.11: Fürther Einkaufslandschaft vor dem Befreiungsschlag.
- ↑ FN v. 16.03.2011; FN v. 20.03.2011.
- ↑ FN v. 18.03.2011]
- ↑ Vorlage für den Stadtrat vom 16. März 2011, TOP 20, Erlass einer Satzung der Stadt Fürth über ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1. Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) für den Bereich des geplanten neuen Einkaufsschwerpunktes an der Rudolf-Breitscheid-Straße, abrufbar über: Stadtratsinfosystem Fürth
- ↑ Rundbrief des Stadtheimatpflegers zum Thema "Neue Mitte" (Nr. 68).
- ↑ Vorlage zur Beschlussfassung für den Bauausschuss am 14.09.2011, TOP 7.
- ↑ Stadtrat vom 28. März 2012, Tagesordnungspunkt 13, abrufbar über das Stadratsinfosystem
- ↑ Vorlage zur Sitzung des Stadtrates vom 23.11.2011: Neuer Einkaufsschwerpunkt in der Rudolf-Breitscheid-Straße 1. Investorenverfahren, 2. Weiteres Vorgehen"
- ↑ Beschlussvorlage zum Stadtrat vom 28.03.2012: Architektenworkshop "Neue Mitte Fürth", Verfahrensvorschlag MIB zum kooperativen, wettbwerblichen Dialogverfahren. Anlage; Architektenworkshop Auslobungsrtext MIB Stand 19.03.2012; Tischvorlage zur Sitzung des Bau- und Werkaussschusses 09.05.2012 (mit Anlage), TOP 4: Architektenworkshop Neue Mitte Fürth von MIB vorgelegte Liste der Wettbewerbsteilnehmer und Zusammensetzung des Preisgerichts
- ↑ Fürther Freiheit vom 15. Mai 2012: Irritierende Entwicklungen rund um den Architektenworkshop »Neue Mitte Fürth«
- ↑ Anlage zur Beschussvorlage des Stadtrates vom 23.05.2012, TOP 11: Architektenworkshop Neue Mitte Fürth - von MIB vorgelegte Liste der Wettbewerbsteilnehmer und Zusammensetzung des Preisgerichts.
- ↑ Anlage zur Beschussvorlage des Stadtrates vom 23.05.2012, TOP 11: Architektenworkshop Neue Mitte Fürth - von MIB vorgelegte Liste der Wettbewerbsteilnehmer und Zusammensetzung des Preisgerichts.
- ↑ Fürther Freiheit vom 15. Mai 2012: Irritierende Entwicklungen rund um den Architektenworkshop »Neue Mitte Fürth«