Zwangsarbeiterlager Würzburger Straße
Das Zwangsarbeiterlager Würzburger Straße war ein Barackenlager während des Zweiten Weltkriegs und befand sich auf der Hardhöhe zwischen der Würzburger Straße und der Trasse der Flughafenbahn.
Geschichte
Es handelte sich hierbei höchstwahrscheinlich um ein betriebseigenes Lager der Fa. Bachmann, von Blumenthal & Co. Die Häftlinge waren lt. Zeitzeugenberichten russische Kriegsgefangene. Nach Kriegsende wurde die Baracken als Flüchtlingslager bzw. DP-Camp genutzt ("Camp for Jews at Airfield Fürth").[1] Mitte der 1950er Jahre wurde das Lager für die ersten Erweiterungsbauten der Fa. Grundig ("Grundig-Bahnhof") abgerissen. Heute finden sich vor Ort keinerlei Hinweise mehr auf dieses Lager. Die Karte rechts zeigt den ungefähren damaligen Standort. Auf der Luftbildkarte von 1945 sind die Baracken gut erkennbar.
Zeitzeugenberichte
Zeitzeugenbericht I:
Winfried Roschmann (damals etwa 10 Jahre alt, wohnte in unmittelbarer Nähe zum Lager in der Würzburger Straße und begegnete den Gefangenen tagtäglich):
„Sie waren kahlgeschoren und schlurften in Holzpantoffeln umher. Wir sahen diese Menschen praktisch jeden Tag. Wenn man von der Endhaltestelle der Straßenbahn Linie Nummer 1 über den Hochberg an der Pfründ vorbei, die Brücke der Eisenbahn überquerte, konnte man entweder die Würzburger Straße entlang bis zum Gasthof Straußberger laufen, oder als Abkürzung den sogenannten Wiesenweg benutzen. Dieser schmale Weg verlief an der Flugplatzbahn entlang und mündete in den Ruhsteinweg, um dann wieder als Wiesenweg bis zur Falklandstraße zu verlaufen. An dieser Stelle treffen heute die Hamburger Straße und die Kieler Straße zusammen. Beide Male musste man an den langgestreckten Baracken des Russenlagers vorbei. Man sah entweder die Vorderseite oder die Rückseite des Gefangenenlagers. Oftmals war ein großes Geschrei zu hören. Offenbar befolgten die Gefangenen nicht immer die Anweisungen des Wachpersonals. Ich habe allerdings niemals gesehen, daß eine Russe geschlagen wurde. Die Kriegsgefangenen mussten entweder in der Flugzeugfabrik Bachmann, von Blumenthal, oder am Fliegerhorst, dem ehemaligen Flugplatz Atzenhof, arbeiten. Wenn die Gefangenen in Atzenhof eingesetzt waren, wurden sie immer von deutschen Soldaten in Luftwaffenuniform mit umgehängtem Gewehr auf einem Fahrrad bewacht. Sie marschierten in Reih und Glied an unseren Gärten in der damaligen Falklandstraße (heute Hamburger Straße) vorbei. Wir unterbrachen dann immer unser 'Soldaterles-Spiel'. Wir gingen zur Seite und ließen die Kolonne passieren. Bald hatten wir Kinder uns mit ihnen angefreundet, obwohl das nicht gern gesehen war. Sie grüßten uns, lachten und machten eine Handbewegung zum Mund. Sie hatten Hunger und bettelten uns an. So sammelten wir in unseren Gärten Fallobst für die Russen, obwohl unsere Eltern das eigentlich selber brauchten. Sie freuten sich und sagten zu uns 'spasivo' was 'Danke' heißt. Als Kinder meinten wir freilich damals, sie hätten ihren Spaß daran. Besonders Sonnenblumenkerne liebten die Russen über alles. Wenn sie in der Abenddämmerung wieder an uns vorbei in Richtung Lager marschierten, verstauten sie unsere Äpfel und Birnen in umgehängten Stoffbeuteln und sagten zu uns 'toswi-tanja', also 'Auf Wiedersehen'. Dies alles ging aber nur wenn der deutsche Posten dies duldete. So hatten wir Kinder bemerkt, daß immer nur einer von zwei Luftwaffensoldaten die Kriegsgefangenen begleitete. Einer, ein schon etwas älterer und gütiger Mann, sagte zu uns immer: 'Ja wo san den meine Kinderlein?' Die Russen wussten auch bald, daß dieser Aufpasser unsere Geschenke duldete. Wir nannten ihn daher den 'braven Onkel'. Da war aber noch ein anderer, der keinesfalls Kontakt zu den Kriegsgefangenen duldete. Er schrie die bettelnden Russen an: 'Dawei, dawei!' und wir nahmen unser Fallobst wieder mit und versteckten es jeder in seinem Garten bis zum nächsten Tag. Dieser Begleiter wurde von uns 'böser Onkel' genannt.
Eines Tages waren uns die Russen noch näher. In unserem Luftschutzbunker in der Falklandstraße war ein großer Raum, in dem jeder Siedler einen Koffer mit ganz wichtigen Dingen deponieren durfte. Jeder war froh, das Wichtigste vor den Bomben in Sicherheit gebracht zu haben. Doch eines Tages verkündete der Luftschutzwart , daß alle Leute ihre Koffer wieder mit nach Hause nehmen müssten. Auch die russischen Kriegsgefangenen müssten offiziell vor den Angriffen der Amerikaner und Engländer geschützt werden. So wurde der große Raum mit Bänken ausgestattet. Bei Fliegeralarm hörten wir schon das klappern der Holzpantoffeln auf den Steintreppen. 'Achtung, die Russen kumma' sagten dann die Siedler in ihren 'Kämmerli', wie die kleinen Räume genannt wurden, die immer für zwei befreundete Nachbarsfamilien gedacht waren. Zusammen, Russen und Deutsche, warteten wir auf Entwarnung.[2]
Zeitzeugenbericht II:
Lore Heidner zum Kriegsende in Fürth:
Wir haben damals in der Cadolzburger Straße 24 gewohnt, am 18. April hieß es die Amerikaner kommen, wir sollen uns alle im Keller verstecken, was wir dann auch gemacht haben. Keiner wusste was passieren wird, die Deutschen haben vom Canu-Klub an der Rednitz aus noch Widerstand geleistet. Ich war mit meiner Mutter im Keller, mein Vater war nicht da, der war damals bei der Dynamit angestellt und die hatten ihre Produktion teilweise ausgelagert. Irgendwann polterte es gegen die Tür und es wurde auf Englisch gerufen „Get Out“, „Get Out“, also sind wir mit erhobenen Händen rausgegangen. Draußen standen US-Soldaten mit Gewehren die alle Leute aus der Cadolzburger-, Hard-, Gutenbergstraße und der ganzen Ecke zusammengetrieben haben. Ein etwas älteres Mädchen aus dem Nachbarhaus rief den Soldaten mehrfach zu „dann erschießt mich doch“, meine Mutter hat die dann gepackt und gesagt „sei doch ruhig du dumme Kuh“. Wir wurden dann die Würzburger Straße raufgetrieben bis zu dem Zwangsarbeiterlager auf der Hardhöhe. Dort mussten wir ausharren und man hat uns gesagt wenn bis zum nächsten Tag um 11 Uhr nicht die weiße Fahne am Rathausturm wehen würde, werden wir erschossen. Wir haben also die Nacht in den Baracken verbracht, den Rathausturm konnte man damals vom Lager aus noch sehen, es war ja auf der Hard noch nichts bebaut. Also haben wir am nächsten Morgen auf den Turm gestarrt und gestarrt bis endlich eine weiße Fahne zu sehen war. Plötzlich wurden die Tore geöffnet und wir durften einfach so gehen. Als wir heimkamen waren die Fensterscheiben vom Wohnzimmer zertrümmert und an der Wohnzimmerwand waren lauter Einschusslöcher. Die Amerikaner haben dann am selben Tag noch Mannschaftszelte an der Cadolzburger Straße aufgebaut, da wo heute das Hochhaus steht.[3]
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Aus: Die Fürther Hardhöhe, S. 46
- ↑ Aus: Die Fürther Hardhöhe, S. 37 ff.
- ↑ Zeitzeugenbericht, Archiv FürthWiki, Aktennr. '19'