Göso
Die Firma Christian Götz und Sohn, kurz Göso, (Akronym aus "Götz und Sohn") war eine bedeutende Fürther Blech- und Kunststoffspielwarenfabrik in der Fürther Oststadt, die 1876 gegründet wurde.
Überblick
Christian Götz (späterer Spitzname: "Krupp von Fürth") gründete im März 1876 einen kleinen Handwerksbetrieb zur Metallverarbeitung, Sohn Konrad Götz setzte auf Spielwarenfabrikation. 1939 Übernahme der jüdischen Spielwarenfabrik M. Apfelbaum. Mitte der 1950er Jahre stellte die Firma auf Kunstoffprodukte um, die die Blechspielwaren schnell verdrängten. Trotz der Umstellung auf den "modernen" Werkstoff konnte der 100. Jahrestag der Gründung nicht mehr gefeiert werden, 1971 meldete das Unternehmen Insolvenz an und stellte seine Produktion ein.[1]
Chronik
- 1876: Gründung der Firma durch Christian Götz. In der Folgezeit verschiedene Standorte, u. a. Hirschenstraße 6a, Marienstraße 39, Marienstraße 38, Nürnberger Straße 39 und Maistraße 11 1/2.
- 1906: Umwandlung in eine Spielwarenfabrik und letztmaliger Umzug (Jakobinenstraße 24/26 sowie Dr.-Mack-Straße 32 - 38). Christian Götz und Sohn Konrad leiten gemeinsam die Firma, der Name "Göso" entsteht.
- 1939: Georg Götz, mittlerweile Inhaber der Firma in 3. Generation, übernimmt während des Nationalsozialismus die jüdische Spielwarenfirma M. Apfelbaum GmbH in der Nürnberger Straße 35 bzw. Königswarterstraße 24 und gründet eine neue Firma (Georg Götz GmbH) mit eigenem Logo, um die Vermischung des Sortiments zu vermeiden. Herstellung von Puppenkleidern, Stickkästen, Arztkoffern und "Mädchenartikeln".
- 1940: Die Fabrikationsräume werden erweitert, die Belegschaft wächst auf 220 Mitarbeiter. Bedingt durch den Zweiten Weltkrieg wird ein Teil des Produktprogramms auf Kriegsspielzeug wie z. B. Panzer, Kanonen und Militärfahrzeuge umgestellt.
- 1942 - 1945: In den letzten Kriegsjahren wird die Spielzeugherstellung stark reduziert. Es werden mit Hilfe von Kriegsgefangenen aus Polen, der Ukraine und Frankreich Rüstungsgüter hergestellt: Filter für Gasmasken, Gehäuse für Minen und Panzerfäuste.
- 1945: Aufgrund der Mitgliedschaft in der NSDAP ist Georg Götz nach Kriegsende der Zutritt zu den Firmen Göso und Georg Götz GmbH untersagt. Die Betriebe stehen unter Zwangsverwaltung und werden von einer langjährigen Sekretärin geführt. Gefertigt werden nun Haushaltswaren wie Töpfe, Schüsseln und Pfannen. Vermietung des Hinterhauses von Jakobinenstr. 24 an Max Grundig, einem Bekannten von Georg Götz.
- 1946: Georg Götz gründet in Parsberg eine Firma zur Herstellung von Holzspielwaren und einen Spielwarengroßhandel namens EGÖ.
- 1947: Nach erfolgter Entnazifizierung kann Georg Götz die Geschäftsleitung der beiden Firmen Göso und Georg Götz wieder übernehmen; die Produktion von Spielwaren beginnt von Neuem.
- 1950: Erfolgreiche Teilnahme der Firmen Göso und Georg Götz GmbH an der Ersten Nürnberger Spielwarenmesse
- 1951: Das 75-jährige Jubiläum der Firma Göso kann gefeiert werden.
- 1952: Mit der Investition in neue Maschinen kann die Umstellung der Produktion auf Plastikspielwaren eingeleitet werden. Die Firma EGÖ in Parsberg wird geschlossen und die Hälfte der Belegschaft kann im Fürther Betrieb weiterbeschäftigt werden.
- 1955: Peter Götz tritt nach einer Ausbildung zum Werkzeugmacher in den väterlichen Betrieb ein (4. Generation).
- 1961: Ein Montagebetrieb in Rednitzhembach (Oberfichtenmühle) mit 30 Mitarbeitern wird gegründet.
- 1967: Die Montage der Spielwaren wird nach Freihung in die Räume eines ehemaligen Siemens-Zweigbetriebs verlagert.
- 1970: Durch stark wachsende Spielwarenimporte aus Asien und einem finanziellen Engpass gerät die Firma in Zahlungsschwierigkeiten.
- 1971: Es muss Insolvenz angemeldet werden. Die Werkzeuge und Maschinen werden an die Fa. Wader in Radevormwald verkauft.
- 1972: Verkauf der Immobilien an die Schäff-Bräu in Treuchtlingen
- 1977: Die Firma Göso wird aus dem Handelsregister gelöscht.
- 1979: Die Firma Georg Götz GmbH wird aufgelöst und teilweise an die Firma Wader verkauft.
- 1991: Die Fabrikgebäude an der Dr.-Mack-Str. werden abgerissen. In den Folgejahren entsteht eine größere Eigentumswohnanlage ("Wohnpark Majala").
- 2004: Das Grundstück Jakobinenstr. 26 (ehemals Bürohaus von Göso) wird mit einem Wohngebäude bebaut.[1]
- 2006: Die Fabrikgebäude der Georg Götz GmbH in der Nürnberger Str. 35 werden zu Wohnraum umgebaut, an der Straßenfront entsteht in der Folgezeit ein umstrittenes Parkhaus.[2]
- 2012: Das Unternehmen Wadertoys, welches die Produktionsmittel von Göso übernommen hat, muss ebenfalls Insolvenz anmelden.[3] Der Firmensitz und das Eigentum werden abgewickelt und durch eine weißrussische Firmengruppe aufgekauft; damit verschwinden die letzten Spuren von Göso in Deutschland. Der letzte Geschäftsführer von Wadertoys macht sich als Produktdesigner für Kinderspielzeug selbständig.[4]
Produkte
Das ursprünglich als Metallwarenbetrieb gegründete Unternehmen spezialisierte sich Anfang des 20. Jahrhunderts auf Spielwaren. Bis in die 1930er Jahre wurden Puppenartikel wie Betten, Waschtische und Badewannen aus Blech produziert, desweiteren Sandspielzeug, Glockenroller und diverse LKW-Serien.
Ab 1936 werden zunehmend Kriegsspielzeuge wie Panzer, Geschütze, Bombenflieger mit Abwurffunktion, Schießstände und Militärlaster hergestellt. Ab 1939 kommen durch die Übernahme einer jüdischen Spielwarenfirma gänzlich andere Produkte wie Puppenkleider, Stickkästen, Arztkoffer und weitere "Mädchenartikel" hinzu. In den Jahren 1942 - 1945 kommt die Spielzeugproduktion fast ganz zum Erliegen, es müssen Rüstungsgüter produziert werden (Filter für Gasmasken, Gehäuse für Minen und Panzerfäuste (Produktionskennung ltf).[5] Letztere wurden im Anschluss zur Endmontage zu Dynamit-Nobel nach Stadeln verbracht.
Direkt nach dem Krieg, als die Firma unter Zwangsverwaltung stand, erfolgte die Produktion von Töpfen, Schüsseln und Pfannen. Aufgrund des von der amerikanischen Militärregierung ausgeprochenen Betretungsverbots für seine Firma gründet Georg Götz eine Zweitfirma in Parsberg zur Produktion von Holzspielwaren. 1947 konnte die Spielzeugproduktion wieder aufgenommen werden und bald stand eine Menge von Artikeln bereit wie Aufziehautos, Sandformen, aber auch technisch ausgeklügelte Spielzeuge, wie z. B. komplette Badezimmer mit fließend Wasser, ein "Boxer-Spielzeug" - zwei Blechmännchen mit beweglichen Armen, welche mittels Federzug ferngesteuert aufeinander einschlagen konnten -, einen "turnenden" Motorradfahrer, zwei auf einem Baumstamm wippende Kinder mit zusätzlicher Drehfunktion und wieder, nun sehr erfolgreich, die LKW-Serien aus der Vorkriegszeit (z. B. Coca-Cola-Laster mit herausnehmbaren Kästen). Besonders hervorzuheben sind hier die wasserspritzenden Feuerwehrautos und das sehr erfolgreiche Motorradgespann "ADAC Straßenwacht".
Ein Kuriosum bildet die von 1949 bis 1954 gebaute Non-Stop-Kurvenbahn: technisch aufwendig und teuer in Produktion bei eher geringem Spielwert (die Herausforderung war hauptsächlich der Zusammenbau). Für den Export (vor allem nach Amerika) wurde der Name "Coney Island Coaster" gewählt in Erinnerung an den legendären New Yorker Freizeitpark. Die Idee für die Entwicklung dieser Bahn kam Georg Götz beim Besuch des nahegelegen Nürnberger Volksfestes (damals noch auf dem Quelle-Areal an der Fürther Straße).
Ab 1952 wurde die Produktion schrittweise auf Plastikspielwaren umgestellt; hier fertigte man vor allem Parkhäuser, einfachere Kunststoffautos und Einbauküchen, welche individuell zusammengestellt werden konnten.[6][7][1]
Literatur
- Christian Götz & Sohn, Fürth/Bayern. In: Tradition verpflichtet, Stuttgart, 1953, S. 250 - 255
- Karl Arnold: Fürther Spielwarenproduktion: GÖSO - Götz und Sohn. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2008, S. 95 - 97, auch online zugänglich als PDF
- Walter Ley: Fürther Spielwarenhersteller im vergangenen Jahrhundert. In: Fürther Geschichtsblätter, 4/2009. S. 118 ff, auch online zugänglich als PDF
- Karl Arnold: Mit GÖSO nach Amerika. Coney Island Coaster. In: SPIELZEUGKULTUR, Ausgabe 6/2014, S. 22 - 24
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Privatarchiv und Erinnerungen von Peter Götz, letzter Inhaber von Göso
- ↑ Birgit Heidingsfelder: Parkhaus mit Gardine sorgt für Ärger. In: Fürther Nachrichten vom 17. Januar 2013 - online
- ↑ RP: Spielzeug-Wader ist Geschichte. RP-Online vom 25. August 2012, online abgerufen am 24. Oktober 2016 | 22.35 Uhr - online
- ↑ Manfred Wader, Webpräsenz online abgerufen am 25. Oktober 2016 | 22.36 Uhr - online
- ↑ Liste der Fertigungskennzeichen für Waffen, Muntition und Gerät. Berlin 1944, unveränderter Nachdruck, Pawlas Verlag 1977, ISBN 3-88088-214-2
- ↑ Karl Arnold: Fürther Spielwarenproduktion: GÖSO - Götz und Sohn. In: Fürther Geschichtsblätter, 3/2008, S. 95 - 97
- ↑ Christian Götz & Sohn, Fürth/Bayern. In: Tradition verpflichtet, Stuttgart, 1953, S. 250 - 255
Bilder
"Neuer" Göso-Messestand bei der Nürnberger Spielwarenmesse 1952 in der Messehalle am Berliner Platz
Georg Götz am "neuen" Göso-Messestand mit Präsentation der Fa. Georg Götz GmbH bei der Nürnberger Spielwarenmesse 1952 in der Messehalle am Berliner Platz
Werksgelände Dr.-Mack-Str. 32 - 38. "Das Auto des Chefs" (VW Käfer). Im Hintergrund die Rückseite von Lange Straße 41
Jubiläum "75 Jahre Göso", 1951, Inhaber Georg Götz mit der Parsberger Belegschaft vor Einfahrt ins Werksgelände Dr.-Mack-Str. 32 - 38. Rechts Wäschefabrik mifra, ganz rechts Rückseite von Jakobinenstraße 28
Fabrikgelände von Göso in der Dr.-Mack-Str. 32 - 38 während des 2. Weltkriegs. Im Hintergrund links der Seitengiebel von Jakobinenstraße 32
Fabrikgelände von Göso in der Dr.-Mack-Str. 32 - 38 während des 2. Weltkriegs. Fertigung von Rüstungsgütern. Ganz rechts Mauer zum Nachbargrundstück (Wäschefabrik mifra).
Fabrikgelände von Göso in der Dr.-Mack-Str. 32 - 38 während des 2. Weltkriegs. Im Hintergrund die Fensterfront der Wäschefabrik mifra
Fabrikgelände von Göso in der Dr.-Mack-Str. 32 - 38 während des 2. Weltkriegs. Im Hintergrund rechts oben der Seitengiebel von Lange Straße 53
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