Die 2004 aufgelöste Dynamit Nobel war ein deutsches Chemie- und Rüstungsunternehmen mit einer Niederlassung in Fürth in der Kronacher Straße 63. Der Hauptzweig der Fürther Produktion besteht unter dem Namen RUAG Ammotec GmbH fort. Das Werksgelände erstreckt sich auf ca. 85ha zwischen der Seeackerstraße im Süden, der Kronacher Straße im Osten, der Stadelner Hard im Norden und der Erlanger Straße im Westen.

Blick auf das Werksgelände

Zur allgemeinen Thematik rund um das Thema Dynamit Nobel sei auf den entsprechenden Artikel auf wikipedia.de verwiesen.

Geschichte der Dynamit Nobel in Stadeln

1896 - 1914 Gründerjahre

 
Historischer RWS-Munitionskatalog von 1908, noch mit Utendoerffer-Logo

Ab 1894 errichtete die Rheinisch-Westfälische Sprengstoff AG (RWS) eine Munitionsfabrik in Stadeln als Erweiterung des seit 1889 in Nürnberg bestehenden Betriebs (Kirchenweg 56, vormals Heinrich Utendoerffer).

1914 - 1918 1. Weltkrieg

Der 1. Weltkrieg ließ das Werk zu einer der größten privaten Zündhütchenproduktionsstätten der Welt werden.

1919 - 1932 Inflation & Weltwirtschaftskrise

1926 wird ein neuartiger, quecksilberfreier Zündsatz und dem Namen SINOXID als Schutzmarke eingetragen. 1931 wird die RWS mit der Dynamit-Nobel AG verschmolzen.

1933 - 1945 Stadeln im Dritten Reich

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion von Zivilmunition zugunsten von kleinkalibrigen Militärpatronen stark reduziert. Auch wurden die Fabriken gezielt bombadiert, das Stadelner Werk (mit der militärischen Produktionskennung "dnf")[1] blieb jedoch weitgehend unbeschädigt.

1945 - 1952 Wiederbeginn, Demontage und Ersatzfertigungen

Nach Kriegsende erfolgte die Demontage der Produktionsanlagen durch die U.S.-Amerikaner. 1948/49 erfolgte die Gründung eines eigenständigen, vom Hauptsitz Troisdorf abgetrennten Industriebetriebs - das Nürnberg-Fürther Industriewerk. Dieser Zustand wurde aber bereits 1952 wieder revertiert und die vor dem Krieg gültige Rechtsform hergestellt.[2]

1952 - 1997 stetiges Wachstum

 
Historischer Briefkopf von 1955
 
Historischer Briefkopf von 1962

Bereits einige Jahre vor der Eingemeindung Stadelns im Jahr 1972 ist die von den Fürthern "Pulver" genannte Fabrik zu Fürth zugehörig. Weithin sichtbares Kennzeichen der ist der sog. Pulverturm, welcher u. A. zur Produktion von Schrotkugeln dient. Mit SINTOX schafft Dynamit Nobel 1982 eine weitere Weltneuheit: den blei- und bariumfreien Zündsatz. 1996 kann das 100 jährige Jubiläum gefeiert werden.[3]

1998 - 2004 Schrittweise Auflösung

1998 übernahm die Aschaffenburger Lenkrad-Firma Petri das Airbag-Geschäft mit 150 Beschäftigten, 2002 die Schweizer Ruag das Munitionsgeschäft mit 800 Beschäftigten und 2004 die amerikanische Delphi Corporation die Automobil-Sicherheitssparte mit 210 Beschäftigten. Heute wird das Gelände und die darauf ansässigen Firmen als Industriepark Stadeln bezeichnet.

Namenswechsel

Die wechselvolle Geschichte des Betriebs spiegelt sich auch in den häufigen Wechseln des Namens und der Unternehmensform wieder. Bekannt sind folgende Firmennamen, chronologisch gelistet:

1. Rheinisch-Westfälische Sprengstoff-AG, Munitionsfabrik Nürnberg, vormals H. Utendoerffer (verschiedene Abwandlungen)

2. Dynamit Actien Gesellschaft vormals Alfred Nobel & Co. (nach Kriegsende mit dem Zusatz: In Dissolution = Auflösung)

3. Nürnberg-Fürther Industriewerke (in dieser Form losgelöst von Troisdorf)

4. Dynamit Actien Gesellschaft vormals Alfred Nobel & Co.

5. Dynamit Nobel AG

6. Dynamit Nobel GmbH, Explosivstoff- und Systemtechnik

7. Dynamit-Nobel-Ammotec GmbH

8. RUAG Ammotec GmbH

Die älteren Firmennamen trugen meist noch den Zusatz Werk Stadeln.

Verzeichnis der von 1947 - 1954 im Werk Stadeln ansässigen Fremdfirmen

  • Bavaria Batterie und Metallwarenfabrik
  • Doria Leuchten (Lampenfabrik)
  • Erma (Feinlederfabrik)
  • Faun (Maschinenfabrik)
  • Fränkische Pelzindustrie Märkle & Co (Pelzverarbeitung)
  • Fröschle (Strickwaren)
  • Hauke (Leimfabrik)
  • Hösslinger (Pressenbau)
  • Kopp (Schweißelektroden)
  • Lubich (Leinen- und Damastfabrik)
  • Löwinger (Maschinen- und Apparatefabrik)
  • Mändel (Landesprodukte)
  • Norchema Chemisches Labor (Schuhcreme und Bohnerwachs)
  • Rotos (Industriebedarf, Feilen)
  • Unger (Klinische und Medizinische Glaswaren)
  • Wienert (Lacke)
  • ZEIKRA (Zeilein & Kraft Kofferfabrik)[4]

Produkte (Auswahl)

Die Produktion umfasste Jagd-, Sport-, Schreckschuss- und militärische Munition sowie verschiedene Sorten von Zündmitteln und Patronen bei denen die Pulverkraft als Treibmittel genutzt wird (z. B. Kartuschen für Bolzensetzgeräte in der Bauindustrie, Airbags im KFZ-Bereich, usw.)

Eigenmarken

Unter der Dachmarke Dynamit Nobel wurden weiterhin alte bzw. hinzugekaufte Marken unter deren Eigennamen produziert und vertrieben. Dies waren: Rottweil (Vereinigte Köln-Rottweil AG) seit 1926, RWS (der ursprüngliche Name des Unternehmens bis 1931), GECO (Gustav Genschow & Co AG) seit 1931, norma (Norma Precision AB, Schweden) seit 1990 sowie HP (Hirtenberger Patronenfabrik AG, Österreich) seit 2003 (nach der Übernahme durch RUAG).

Literatur

  • Das Werk Stadeln der Dynamit Nobel AG. In: Deutsches Waffen-Journal Nr. 12, Dezember 1968, S. 904 - 910
  • Wiederladen - Ein praktisches Handbuch für Jäger und Schützen, Troisdorf, 1983 - ?, div. Auflagen, 614 S.

Lokalpresse

  • Johannes Alles: Die Wirtschaftskrise holt auch Delphi ein. In: Fürther Nachrichten vom 27. November 2009 - FN

Weblinks


Einzelnachweise

  1. Liste der Fertigungskennzeichen für Waffen, Muntition und Gerät. Berlin 1944, unveränderter Nachdruck, Pawlas Verlag 1977, ISBN 3-88088-214-2
  2. Das Werk Stadeln der Dynamit Nobel AG. In: Deutsches Waffen-Journal Nr. 12, Dezember 1968, S. 904 - 910
  3. Dynamit Nobel - 100 Jahre Werk Stadeln, Troisdorf, 1996, S. 5 - 51
  4. Dynamit Nobel - 100 Jahre Werk Stadeln, Troisdorf, 1996, S. 95

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