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Wiener Memorbuch
Buchtitel
Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge
Genre
Buch
Ausführung
Pergament
Erscheinungsjahr
1633 - 1932
Verlag
handgeschrieben

Das Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge ist ein Gedenkbuch (Memor), das ab 1633 in der jüdischen Gemeinde in Wien entstanden und bis 1932 in Fürth weitergeführt wurde. Es unterscheidet sich einerseits von anderen Memorbüchern aufgrund seiner prächtigen Ausgestaltung und weil es mit zwei „Heiligen Gemeinden“ (Wien und Fürth) verbunden ist, andererseits weil über kein anderes Memorbuch in den Jahren vor 1933 so viel publiziert wurde.[1]

polnischer Teil

Das Memorbuch hat 58 Blatt, ist eine Handschrift mit Buchmalereien und die Einträge sind mit Tinte auf Pergament geschrieben. Der erste Teil der Handschrift enthält Gebete, die in der Synagoge vom Gebetspodium (Almemor) aus gelesen wurden. Dieser Teil wurde von einem polnischen Schreiber (Sofer) erstellt und illustriert. Er unterscheidet sich deutlich durch eine kunstfertige Gestaltung von anderen Memorbüchern. Die Initialen eines Gebetsanfangs sind jeweils in Gold- und Silberfarben ausgeführt.[2] Der erste datierte Eintrag ist aus dem Jahr 1633 und wird durch die Erwähnung von Wladislaw IV. (1595 - 1648) im ersten Gebet für den Landesherrn untermauert.[3]

Wiener Teil

Bereits 1633 kam dieses Memorbuch nach Wien und befand sich womöglich in einer Privatsynagoge.[4] Auch gibt es ein Gebet für einen Landesfürsten, das zuerst Ferdinand III. (Kaiser ab 1637) und dessen erster Frau Anna Maria zugedacht war.[5] Anna Maria starb 1646, die zweite Frau Maria Leopoldine starb dann 1649 und wurde nicht ins Gebet ausgenommen, während der Name der dritten Gattin Eleonore an den Rand in punktierter, hebräischer Kursivschrift zugefügt wurde. Nach Ferdinands Tod 1657 kratzte man seinen Namen aus dem Pergament, um den neuen Kaiser Leopold I. dafür einzusetzen.[6] Die Namen der beiden Ehefrauen Ferdinands blieben dagegen stehen.
Im Wiener Teil gibt es auch Gebete für die Chewra Kadischa, die Talmudschule und für diejenigen, die im „Gottesdienst nicht durch Sprechen stören und gewissenhaft Amen sagen“, sowie für alle „die sich des verbotenen, also unkoscheren Weines enthalten.“[7] Daran schließen sich die Wiener Gedenkeinträge bis 1670, insgesamt 139 Stück bis zur Vertreibung der Juden aus Wien.

Fürther Teil

Als Kaiser Leopold I. die Vertreibung der Juden aus Wien verfügte, kam das Memorbuch mit der Familie Fränkel aus Wien nach Fürth. Die Einträge bis 1708 blieben der Familie Fränkel vorbehalten. Der noch in Wien geborene Bärmann Fränkel, der dann als ansbachischer Landesrabbiner tätig war, stiftete im Jahr seines Todes 1708 die Fürther Klaussynagoge, in der dann die Einträge des Memorbuchs wieder aufgenommen wurden bis zum Jahr 1932. Der erste Fürther Eintrag von 207 benennt Isaak Seckel Segal Fränkel (gest. 4. November 1691), der letzte den Rabbiner der Klaussynagoge Markus Mordechai Leib Faust, der am 5. Mai 1932 starb. Als Besonderheit finden sich auch Einträge gefallener jüdischer Soldaten aus der Zeit des Ersten Weltkrieges.

Geschichte der Wiederauffindung

Der Kunsthistoriker Theodor Harburger hinterließ Ende der 1920er Jahre bei Inventarisierungsarbeiten eine Notiz zum Aufbewahrungsort des Memorbuches: „In Verwahrung bei Herrn Hirschhorn, Friedrichstr. 20[8], also in der privaten Wohnung. 1938 emigrierte Hirschhorn und seit der Reichspogromnacht galt das Memorbuch als verschollen.

Es wurde aber vor dem Naziterror gerettet und tauchte 1998 angeblich nach einer Wohnungsauflösung in Nürnberg auf[9] und konnte aus einem Altwarenhandel von dem Jüdischen Museum in Fürth erworben werden. Es ist eines der bedeutendsten Zeugnisse der jüdischen Geschichte von Fürth. Daniela Eisenstein bekundet im Jahr 2020, dass sie das Memorbuch digitalisieren lassen will, wenn der Titel Kulturhauptstadt 2025 in die Region geht. Damit könnten die Informationen im Buch mit Daten und Orten aus vielen Archiven vernetzt werden.[10]

Literatur

Lokalberichterstattung

  • Christiane Krodel: Eine ganze Region bewirbt sich. In: Fürther Nachrichten vom 14. Oktober 2020 (Druckausgabe)

weblinks

Einzelnachweise

  1. Bernhard Purin: „Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge“ in: „Buch der Erinnerung“, 1999, S. 52 f; Zu den Forschern über dieses Memorbuch zählten Leopold Löwenstein, David Kaufmann und der Fürther Direktor der Israelitischen Realschule Moritz Stern.
  2. Bernhard Purin: „Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge“ in: „Buch der Erinnerung“, 1999, S. 50
  3. Bernhard Purin: „Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge“ in: „Buch der Erinnerung“, 1999, S. 47
  4. ebenda
  5. Bernhard Purin: „Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge“ in: „Buch der Erinnerung“, 1999, S. 50
  6. ebenda
  7. Bernhard Purin: „Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge“ in: „Buch der Erinnerung“, 1999, S. 51
  8. Bernhard Purin: „Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge“ in: „Buch der Erinnerung“, 1999, S. 49. Purin zitiert dabei: Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, P160, Kuvert 60, Bl.5
  9. ebenda
  10. Christiane Krodel: Eine ganze Region bewirbt sich. In: Fürther Nachrichten vom 14. Oktober 2020

Siehe auch

Bilder