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Altstadtverein Fürth �

in Papier eingewickelte Streifen, die aber gut nach Pfefferminze schmeckten. Erst zwei Tage später lernten wir, dass das „Tschenggum“ war und nix zum essen sondern zum kauen bestimmt war. Am 3. Mai machten wir uns zu viert auf den Marsch nach Hause, wo wir am 6. Mai ankamen. Wir wussten nichts von der Sperrstunde, die die Militärregierung erlassen hatte und marschierten so auf der völlig menschenleeren Schwabacher Straße Richtung Rathaus. Immer wieder sahen wir ausgebombte Ruinen auf unserm Weg und uns wurde ganz bange, steht unser Haus noch? oder hätten wir besser in Haunsfeld bleiben sollen? Als wir dann in die Sternstraße einbogen sahen wir unsere Burg unzerstört stehen und Tonnen von Stein fielen uns vom Herzen. Der Empfang war grandios „die Buben sind wieder da!“ schrie meine Kusine Marga vom Fenster, wir wurden von allen fast erdrückt, wurden gründlich gebadet und bekamen gut zu essen. Dann mussten wir natürlich erzählen ... Aber mein Souvenir aus diesem Krieg, ein paar Patronen für ein schweres amerikanisches Maschinengewehr, haben sie mir abgenommen. Fürth hatte im Vergleich zu anderen Städten ja Glück und ist mit Schäden relativ glimpflich davon gekommen; aber es gab auch Zerstörungen. So waren sämtliche Brücken und Stege gesprengt und 16

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überall in der Stadt zeigten sich noch die Folgen des unsinnigen Krieges. Auch der Rathausturm war von einer Granate getroffen und hatte im oberen Teil an der Nordecke ein Loch. An allen Häusern waren mit weißer Farbe die Lage der Schutzräume im Keller bis ins Obergeschoss hinauf markiert. Vor Kellerfenster waren genormte schwere Betonteile zum Schutz der Leute im Keller gelegt, an manchen Stellen waren Barrikaden errichtet worden, die den Feind am Vordringen hindern sollten. In der Königstraße vor der Waaggasse lag ein Straßenbahnwagen der Linie 7 auf der Seite, die Scheiben zerbrochen, alles was noch gebraucht werden konnte war schon ausgebaut. Für uns Kinder diente er, bis er einige Zeit später weggeräumt wurde, als Klettergerüst. Vertriebene aus den verlorenen Ostgebieten und die Ausgebombten wurden in beschlagnahmten Wohnräumen untergebracht. Im „Eigenen Heim“ wurden ganze Straßenzüge beschlagnahmt, die Bewohner ausquartiert und „DP“ (displaced persons), Überlebende der KZ, Zwangsarbeiter, Polen, Serben, Juden, Rumänen die vor den Russen flüchteten, -halb Europa- wurden eingewiesen. Die Lebensmittel waren rationiert, man bekam seine kärgliche Ration auf Lebensmittelmarken. Das Geld war nichts mehr wert, es gab die „Zigarettenwährung“, der Schwarzhandel blühte.

Langsam kam das Leben nach der Niederlage wieder in Gang. Die Trümmer wurden weggeräumt und die Verbindungen in der Stadt zunächst provisorisch wiederhergestellt. Für die Brücken und Stege wurden die Schwimmstege aus dem Rednitzbad installiert und die Straßenbahn fuhr auf einigen Strecken auch wieder. Da die Maxbrücke ja zerstört war, wurden in der Königstraße vor unserem Haus Weichen eingebaut, um die Straßenbahnzüge umsetzen zu können. Der Vorzug der Endhaltestelle vor der Haustür war, dass man noch einen Sitzplatz bekam, denn nach ein paar Stationen waren die Wägen restlos überfüllt, die Leute standen in Trauben auch außen auf den Stufen und hielten sich an den Scherengittern fest. Man kann das heute nur mit Bildern aus dem Orient vergleichen. Die Schulen nahmen nach und nach auch wieder den Betrieb auf. Bei einer Klassenstärke von durchschnittlich 44 Schüler (meine Rekordzahl waren 52 Mitschüler), 3 in einer Bank, hatten es die meist älteren Lehrer nicht einfach, uns was beizubringen und es wundert mich nicht, dass aus mir nichts Gescheites geworden ist. Auch das „künstlerische Erscheinungsbild“ der Stadt war damals ein anderes. Farbsprühdosen, mit denen heute Schmierer rationell und dauerhaft Wände verunzieren, waren

noch nicht erfunden. Seinerzeit gab man seine Botschaften noch schlicht mit Schulkreide bekannt. Ein häufig zu sehendes Motiv war ein Kreis, in der Mitte ein dicker Punkt und ein senkrechter Strich, ebenfalls genau durch die Mitte. Dazu gehörte immer, vor oder über das Sgraffito geschrieben noch ein Paar Worte, wie z.B. „Otto ist ein“. (Arsch) Solch rustikalen, aussagekräftigen Notierungen sind der heutigen Jugend offensichtlich nicht mehr geläufig. Bei uns in der Backstube war eine ganz schlechte Zeit, weil nur mit schlechtem Mehl, Ersatzstoffen, künstlichen Aromen und Backhilfsmitteln ließen sich keine leckeren Sachen herstellen. Wenn Kunden eine Torte haben wollten musste das Material dafür mitgebracht werden. Üblich waren für eine Torte 6 Eier, ein 3/4 Pfund Mehl, je ein halbes Pfund Zucker und Butter. Nach etlichen Versuchen gelang es meinem Chef und Papa mit 3 Eiern ein gleichwertiges Produkt herzustellen. Der Trick war, ... Nein, den verrate ich nicht! Von nun an ging es mit dem Geschäft aufwärts weil nicht nur Hühnerbesitzer, Schwarzhändler und displaced persons sich eine Torte leisten konnten. An den großen Feiertagen Ostern, Pfingsten, zum Muttertag oder Weihnachten war Hochbetrieb, bis zu 250 Torten montierten wir am Tag. Da wurde jede Hand gebraucht und nach der Schule ging es für mei-