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Altstadtverein Fürth 19/1985

Das Türmchen vom Roten Ross stande, noch willens ist, zur Verbesserung des Zustandes oder wenigstens zum Stillstand der Zerstö­rung ihren Teil beizutragen. Die Bürgervereinigung allein ist mit der Bewältigung des Problems (finanziell wie organisatorisch) überfordert. Man wird wohl nicht mehr um den ersten Fall einer Zwangsversteigerung in der Fürther Altstadt herumkom­men; Zwangsverwaltung wäre eine denkbare Variante, die aber wohl zu wenig Abhilfe bringt. Wegen der historischen Bedeutung dieses Gebäudes (500 Jahre alt, mehrere für den lokalhistorischen Ablauf Fürths wichtige Funktionen, z.B. als Gasthof und Schule, öffentliche Waage) und seiner städtebaulich relativ domi­ nanten Rolle kann nach Ansicht der Altstadt-Bürger­vereinigung die Stadt Fürth – anders als in anderen, äußerlich ähnlichen Fällen – nicht mehr umhin, dieses Haus aufzukaufen und (zumindest zwischenzeitlich) in eigene Regie zu übernehmen. Weiter untätig zuzusehen, wäre ein zusätzliches Verbrechen an der Fürther Altstadt (und davon gab‘s schon einige). Freilich weiß auch die Bürgervereinigung um die damit verbundene Problematik. Zum einen hat die Stadt „kein Geld“ (angesichts so mancher, umstrittener Millionen­projekte ist aber der „Fall Rotes Ross“ ein Klacks); anderer­ seits erkennt man städtische Anwesen schon von weitem an der durch Zumauerung der Tür- und Fensteröffnung „gesicherten“ Bausubstanz. Allerdings muss dieser städti­ sche Nonsens nicht auch noch am „Roten Ross“ praktiziert werden. In Details würde die Bürgervereinigung schon durch praktische Mithilfe tätig werden können (z.B. Re­ staurierung des Fachwerks).

Laut „Wohnungsaufsichtsgesetz“ („Gesetz zur Beseiti­ gung von Wohnungsmissständen“ vom Juli 1974 bzw. Juni 1978) innerhalb der Bayerischen Bauordnung haben näm­ lich die Gemeinden „im eigenen Wirkungskreis die Pflicht­ aufgabe, auf die Beseitigung von Wohnungsmissständen hinzuwirken“ (Art. 1); sie können außerdem eine „Unbe­ wohnbarkeitserklärung“ (Art. 5) verfügen. Natürlich dele­ gieren die einzelnen Kommunen in der Regel diese Ver­ antwortung an den jeweiligen Hausbesitzer; wo aber nichts zu delegieren ist – wie im Fall „Rotes Ross“ – er­ steht der Kommune notwendigerweise die Verpflichtung, eben selbst diesen erkannten Missstand abzustellen. Die Bürgervereinigung meint, dass diese Sachlage am Waag­ platz gegeben ist, und dass deshalb ihre bereits mehrfach und nun erneut vorgebrachte Forderung an die Stadt Fürth (Verwaltung und Stadtrat) durchaus rechtens und angemessen ist. Ein Gespräch zwischen Vertretern der Patrizier-Bräu AG und der Bürgervereinigung über Fragen der Restaurie­rung und Modernisierung brauereieigener Anwesen in der Fürther Altstadt im Dezember befasst sich mit diesem aku­ten Problem; aber das „Rote Ross“ gehört schließlich (noch?) nicht dieser Brauerei; sie hat lediglich einen lang­jährigen Bierlieferungsvertrag (ein anderes Problem also, wie der in Altstadtbläddla Nr. 9 aufgezeigte Fall „Weiße Lilie“ am Marktplatz gelehrt hat!). Ob konkrete Ergebnisse zur Rettung des „Roten Rosses“ aus diesem Gespräch (und etwa folgenden) herauskommen, bleibt (wieder ein­mal ... ) abzuwarten. Die Bürgervereinigung bemüht sich jedenfalls weiterhin; wenn das nur auch andere täten ...�

Das historische Gasthaus zum Roten Ross am Waagplatz, das Hauptgebäude eines ehemaligen großen Fürther Bau­ ernhofes, wurde nach dem Chronisten Fronmüller 1664, nach der Zerstörung im 30jährigen Krieg, wiedererrichtet Aber erst 1862 wurde dem Roten Ross das heute so markan­te, von Denkmalschützern als störender Giebelreiter be­ zeichnete Uhrtürmchen der gegenüber gelegenen ehema­ ligen Armenund Waisenschule, heute Postamt, aufgesetzt. Das heutige Türmchen hat allerdings von außen wenig mit dem ursprünglich barocken, achteckigen Turm der Armenschule gemeinsam, wenngleich es in seinem Kern noch identisch ist. Anläßlich der feierlichen Einweihung des »alten« Türm­ chens auf dem Gebäude der jetzigen Post erschien eine Gedenkmedaille von J. Christian Reich, auf der zu lesen ist: »1728 zur Fürther Armenschule der Anfang ward g e ­m a c h t ;

1767, da wurde der neue Bau durch die Gemein vollbracht; 1774 wurde sie durch Stiftungen mit Thurm und Uhr gezieret«. Warum man dann das Türmchen auf dem Giebel des Roten Rosses versetzt hat, wird wohl immer ein Geheimnis der damaligen Ratsmitglieder bleiben. Zudem lehnte 1875 der Magistrat einen Antrag der Gemeindebevoll­ mächtigten ab, dass »das Läuten auf dem Thürmchen des Roßwirtshauses zu gewissen Tageszeiten beibehalten werden möge«. Die damalige Begründung des Magistrates klingt heute sehr modern: man habe das früher eben so beschlossen! Die Glocken im heutigen Türmchen sind allerdings auch nicht mehr von 1774. Als während des 2. Weltkrieges alle nach 1800 gegossenen Glocken zum Einschmelzen gebracht wurden, fiel durch ein Versehen auch das alte Glöckchen dem Materialbedarf zum Opfer. Ein Kuriosum am Rande: Bis heute befindet sich der Uhr­turm im Eigentum der Stadt Fürth, die auch für dessen Wartung au f z u k o m m e n hat. KGA

Puadignibh erostrud enis (Foto: Denkmäler in Bayern)

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