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52 – 18/19�  Altstadtverein Fürth

Stadtentwicklung in Für th Eine kritische Liebeserklärung

„Als Stadtentwicklung bezeichnet man die räumliche, historische sowie strukturelle Gesamtentwicklung einer Stadt.“ So die Definition bei Wikipedia. Und weiter präzisiert die Plattform: „Der Begriff Stadtentwicklung wird hier – im Gegensatz zu einer zufällig verlaufenden Entwicklung – als aktiver Planungs- und Veränderungsprozess verstanden.“ Dies lenkt die Zuständigkeit für Stadtentwicklung automatisch auf die Verwaltung und die „Stadtentscheider“, die in meinen Augen Stadtentwicklung in erster Linie moderieren sollten. Proaktiv moderiert wird Stadtentwicklung zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe für die Bürger als Stadtgesellschaft. Betrachtet man Stadtentwicklung speziell in Fürth, lohnt zunächst eine Analyse. Keine wissenschaftliche, eher die subjektiv geprägte Analyse eines engagierten Bürgers, der über seinen Beruf als freischaffender Architekt seit Jahren auch besondere Einblicke in die „Stadtmechanismen“ hat.

Fürth – Gestern, heute und morgen? Wie hat sich Fürth entwickelt und was ist das typisch „Fürtherische“ in der Stadtentwicklung? Wo geht die Reise hin?

Für jeden erkennbar: Das Geschäftshaus aus den 70ern ist hässlich und fehl am Platz.

Will man sich dem Wesen einer Stadt nähern, interessiert natürlich in erster Linie der öffentliche Raum. Er ist – von öffentlichen Parks und Grünanlagen abgesehen – im Wesentlichen ein Raum zwischen den Häusern, im besten Fall ein intakter Straßen- oder Platzraum, ein öffentliches Zimmer mit dem Himmel als Decke, wenn man so will: das Wohnzimmer der gesamten Stadtgesellschaft. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde diesem Bereich von Architekten, die sich damals noch vornehmlich als „Stadtbaumeister“ verstanden, aber v. a. auch von Politikern und Bürgern allergrößte Bedeutung beigemessen. Das Ensemble blieb Jahrhunderte lang im Fokus der städtebaulichen und architektonischen Bemühungen. Neue Gestaltungsansätze standen ganz selbstverständlich im Dialog mit dem Bestehenden. Man baute im Sinne des „Weiterbau-Prinzips“. Baumeister und Bauherren achteten bei Neubauten ganz selbstverständlich auf Proportion, Dachform, Materialität, Farbigkeit, Fassadenund Fenstergliederung, Detailausformung u.v.m. in der unmittelbaren Umgebung, ohne diese lediglich zu kopieren. Im Vordergrund stand eine dezente Neuinterpretation des Bestehenden unter Berücksichtigung der Wirkung im Ensemble. Der Solitär blieb den gesellschaftlich herausragenden Gebäuden wie z. B. Kirchen, Kranken-

häusern und Rathäusern vorbehalten. So konnte sich die weltweit geschätzte, typische mitteleuropäische Stadt mit regionalen Charakteristika, wie sie Anfang des 20.Jahrhunderts in Deutschland vorherrschte, herausformen. Fürth machte hier keine Ausnahme. Durch glückliche Umstände der Geschichte ist dieser ursprüngliche Charakter in Fürth – im Gegensatz zu vielen anderen westeuropäischen Städten – bis heute noch erlebbar. Interessierten Besuchern fallen sofort die nahezu vollständig bauzeitlich erhaltenen Ensembles der westlichen Innenstadt, der Ost- und teilweise auch der Südstadt auf. In dieser Fülle und Geschlossenheit gibt es solche Ensembles vielleicht nur noch in Görlitz, wobei hier Stuckfassaden, in Fürth Sandsteinfassaden vorherrschen. Die Erhebung Fürths zur „Stadt erster Klasse“ im Jahr 1818 durch das Königreich Bayern gilt als Startschuss einer rasanten Stadtentwicklung hin zur heutigen (wenn auch kleinen) Großstadt, trotz direkter Nachbarschaft zur oft übermächtig erscheinenden großen Schwester Nürnberg. Fürths wirtschaftliche – und in dessen Folge auch städtebauliche – Blütezeit war das mittlere und ausgehende 19.Jahrhundert. Hier wuchs die Stadt durch Expansion von Wohn- und Industrievierteln entlang der Ludwigsbahn, der ersten Eisenbahnstrecke Deutsch25