keine Selbständigkeit in Vertretung seiner Interessen, wir sind dazu verurteilt, Statisten von Nürnberg zu spielen... Januar 1890 (1.) Mit heutigem Tag tritt die zum Teil neue Straßenbenennung und Umnummerierung in Kraft. (6.) Mit 7 gegen 5 Stimmen beschloss der Magistrat wegen Influenzaerkrankung unter den Kindern, die zwischen 15 und 30 Prozent variieren, die Volksschulen bis 13. des Monats zu schließen. (9.) In einem Anerkennungsschreiben der kgl. Kreisregierung über das hiesige Volksschulwesen wird hervorgehoben, dass die Schulen durchweg in sehr gutem Zustand erhalten seien, Dank der Fürsorge der städtischen Kollegien, der Umsicht und Energie der Schulinspektion und dem Fleiß der Lehrer. Die Zahl der definitiven Lehrer ist 79, die der Schüler 5230 (2431 männl., 2799 weibl., 4094 Protest., 913 Kathol., 220 Israel., 3 and. Konf.). Auf eine Schulklasse entfielen durchschnittlich 66 Kinder. Die Taubstummenschule hatte 7 Kinder. (16.) Durch Entschließung des kgl. Staatsministeriums des Innern ist für den Bezirk Fürth die Bildung eines Bezirksgremiums für Handel und Gewerbe genehmigt worden, und erhalten der Handel 12 und das Gewerbe 6 Vertreter... (29.) Dem Magistratsbeschluss, mit einem Kostenaufwand von 125.000 Mark einen Hauptsammelkanal vom Kaiserplatz durch die Jakobinenstraße zur Pegnitz anzulegen, wird vom Gemeindekollegium zugestimmt. Februar 1890 (11.) In der Chatullefabrik von Jakob Schaller ist ein Streik ausgebrochen und seitens der Arbeiter Sperre über die Fabrik verhängt worden, infolgedessen bewachen dieselben die Straße, um Arbeiter, die allenfalls dort eintreten wollen, abzuhalten. Die Arbeitgeber dieser Berufszweige haben sich auch solidarisch erklärt und darf keiner derselben einen aus dieser Fabrik zuletzt in Arbeit gestandenen Gehilfen bei Konventionalstrafe aufnehmen und beschäftigen. (20.) Reichstagswahl: Im ganzen Wahlkreis ... haben 19.053 Personen = 69 ½ Prozent gewählt; Stimmen erhielten: A. Bebel (Sozialdemokrat) 5811, Frhr. von Stauffenberg (deutschfreisinnig) 5376, W. Kahl (nationalliberal) 3926, Evora (Demokrat) 3631, Dr. Windhorst (Zentrum) 300. Stichwahl zwischen Bebel und v. Stauffenberg. Die Sozialisten entwickelten eine großartige Tätigkeit; viele Häuser, Planken etc. waren mit „Wählt Bebel“ teils mit roten Zetteln beklebt, teils aufschabloniert. Folgendes Inserat ist in einer der hiesigen Zeitungen zu lesen: Bebel oder Kahl? Auf jetzt kommt die Wahl: - Bebel oder Kahl, - Einer von den zwei'n, - Wird die Frage sein. Was der Bebel ist? - Er ist Atheist. - Glaubt an keinen Gott, - Religion nur Spott. Und was ist die Eh'? - Bebel spricht - o weh! - „Fort mit Ehestand! - Das ist alter Tand.“ Keine Treu soll sein - Bis in den Tod hinein. - Freie Liebe nur - Nach der Tiere Spur. Nichts gilt's Vaterland; - Dem Franzmann reicht er die Hand. „Fort mit dem Kaisertum! - Es lebe das Menschentum!“ Nun, mein Freund, sag an, - Ist denn das dein Mann? - Macht des Bebels Wahl, - Dir noch eine Qual? Was ist's nun mit Kahl? - Prüfe noch einmal. - Hier kein Atheist; - Nein, ein guter Christ. Nicht bloß Mann des Worts - Wie bekannt des Orts. - Fest und klar und wahr, - Aller Lügen bar. Vaterlandes Freund, - Allem Welschen feind. - Träume bringt er nicht, - Hält, was er verspricht. Nun, du deutscher Mann, - Schau die beiden an: - Bebel oder Kahl, - Wird dir schwer die Wahl? Auch durch nachstehendes Gedicht wurde Propaganda gemacht: Auf zur Wahl! Ob Ihr auch angesichts der Wahl - Viel Mitleid für uns heuchelt, und ob mit Lügen sonder Zahl - Um unsere Gunst Ihr schmeichelt: „Wir kennen Euch! Ihr fangt uns nicht!“ - Wir sind nicht mehr die Dummen. - Wenn unser August Bebel spricht, - So müsst Ihr doch verstummen. Die Ihr so falsch mit Edelmut - Und Freundlichkeit Euch gürtet, - Was habt Ihr denn für uns gethan? Als Lasten aufgebürdet? Was Ihr auch Gutes uns versprecht, - S'ist doch nur blauer Nebel, - Wir wollen nichts als unser Recht Und wählen August Bebel. Ob seine Gegner auch vor Wut, - Vor Hass und Ärger kochten, - Für unser Wohl, für unser Recht - Hat kühn er stets gefochten. Was Ihr geleistet, edle Herren! - Wir werden's nie vergessen. - Wir denken dran bei jedem Schluck, Bei jedem Bissen, den wir essen. Wir denken dran! drum jede Zeit - Sollt uns're Macht Ihr spüren. - Das Volk ist hell, es lässt sich nicht Am Narrenseil mehr führen. Wir wollen keinen Stauffenberg, - Was kann ein Mann uns dienen, - Der nicht einmal wenn's nötig war - Im Reichtstag ist erschienen. 15
Seite:Käppner-Chronik 1887-1910.pdf/15
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