April 1895 (1.) Zur Feier des 80. Geburtstages des Fürsten Bismarck sind alle staatlichen und viele Privatgebäude beflaggt. Das Rathaus zeigt keinen Flaggenschmuck! - Mit heutigen tritt im deutschen Reich die Sonntagsruhe in industriellen und Handwerksbetrieben in Kraft. (4.) Zur Herstellung einer Militärbadeanstalt überläßt die Stadt der Kommandantur ein ca. 60 Meter langes Areal zwischen der Eisenbahnbrücke [Siebenbogenbrücke] und dem Wasserleitungssteg mit je 15 Metern Tiefe an beiden Ufern. Pachtpreis 80 Mark pro Jahr. Mai 1895 (3.) Die Anlage auf dem Kaiserplatz ist nun fertig gestellt. (10.) Der Verschönerungsverein von Fürth läßt im Gebiet des Vestner Waldes und des Fürther Stadtwaldes 60 Wegweisertafeln anbringen, was, weil schon lange Bedürfnis, allgemeinen Beifall und Anerkennung findet. (15.) Heute mittag 12 Uhr besuchte Prinz Ludwig von Nürnberg über Lohe, Buch und Poppenreuth kommend, die hiesige Stadt und begab sich in den festlich geschmückten Rathaussaal, woselbst nach einer Ansprache des Bürgermeisters die Vorstellung der Mitglieder beider städtischen Kollegien stattfand. Sodann begab sich der Prinz in das Hotel National zum Diner, gegeben von den Industriellen Fürths, woran sich ca. 150 Herren beteiligten. Es wurden mehrere Fabriken besichtigt, auch das Musterlager von Kommerzienrat S. Ullmann, bei welch' Letzterem ein Imbiß eingenommen wurde. Die Abfahrt erfolgte abends 8 ½ Uhr nach Stein. (29.) Mit heutigem wurde das Militärbad dahier eröffnet. Juni 1895 (6.) Eine heute in den „Grünen Baum“ einberufene Antisemitenversammlung hatte keine Beteiligung. (7.) Die Errichtung einer Zündhütchen- und Pulverpatronenfabrik bei Kronach wurde von der k. Regierung der Rheinisch-Westfälischen Sprengstoffaktiengesellschaft unter Auflage verschiedener Bedingungen gestattet. Die vom Magistrat Fürth, dem Kanalamt Nürnberg und dem Distriktsausschuss Fürth erhobenen Einsprüche wurden abgewiesen. - In einer heute stattgehabten Versammlung von Schlagmetall- und Kompositionsschlägern wurde beschlossen, von heute ab in den Streik einzutreten zur Herbeiführung ihrer vor 4 Wochen an die Meister gestellten Forderungen; Lohnerhöhung von 1 Mark 5 Pfennige auf 1 Mark 15 Pfennige per Form; Beschränkung der Blattzahl auf 1025-1050, und der zu schlagenden Formen auf 20 in der Woche. Die Meister würden gerne darauf eingehen, wenn die Kaufleute die Mehrleistung auf sich genommen hätten. Die in Frage kommenden Arbeiter bestehen aus 258 Gehilfen und 230 Zurichterinnen. (11.) Im „Grünen Baum“ versammelte sich eine Anzahl auswärtiger Antisemiten und schimpfte auf das Judentum. Von hier waren nur einige junge Leute anwesend. (14.) Heute fand im ganzen deutschen Reich eine Berufs- und Gewerbezählung statt. Dahier wurden 46.053 Einwohner festgestellt. (23.) Gestern nachmittag geriet in der Engelhardtsanlage ein Kinderwagen, in welchem sich ein Kind befand, ins Rollen und in die Pegnitz. Das herbeigerufene Gärtnerpersonal konnte mittels Stangen den Wagen herausziehen und mit dem unverletzten Kind an das Land bringen. (Man sagt, dass die mit der Aufsicht betrauten Personen sich sehr wichtige Sachen mitzuteilen hatten, wobei das Kind nicht stören wollte und sich deshalb diskreter Weise zurückzog.) (27.) Die Brauereifirma Geismann erhielt die Baugenehmigung zur Herstellung eines Saales mit Faßhalle in dem Anwesen Bäumenstraße. Es wird der größte Saalbau dahier mit einer Bodenfläche von 779 qm; dazu kommen noch 2 Galerien mit je 114 qm Bodenfläche. Juli 1895 (1.) Auf der Strecke Fürth-Erlangen der Staatsbahn wurde ca. 100 Meter nördlich der Farrnbacher Brücke ein „Halteplatz Unterfarrnbach“ für Vorortszüge errichtet. (4.) In heute stattgehabter Schlägerversammlung wurde beschlossen, den Generalstreik aufzuheben und die Arbeit da wieder aufzunehmen, wo die Forderungen der Gehilfen bewilligt sind. Der partielle Streik dauert fort. (14.) Der Metallschlägerstreik ist beendet worden, da die noch ausständigen Meister die Forderungen bewilligten. Eine Anzahl Gehilfen muss trotzdem weiter feiern, nachdem die Aufträge nur spärlich einlaufen; vielleicht eine Folge der erhöhten Preise. (18.) Das Gasglühlicht wird in einem Teil der Schwabacher Straße probeweise eingeführt. (30.) Über die Versorgung hiesiger Stadt mit Milch hat eine im Juli 1894 veranstaltete Enquete ergeben, dass nach Fürth zu jener Zeit 365 Ökonomen, welche zusammen einen Bestand von 1574 Kühen hatten, täglich 10.657 Liter Milch lieferten. August 1895 30
Seite:Käppner-Chronik 1887-1910.pdf/30
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