(29.) Zum Zeichen, dass auf der Staatsbahn sonntags Züge verkehren, wird sich bereit erklärt, eine rot-gelbe Fahne auf dem Rathausturm aufzuhängen, wie auch auf der Polizeistation Auskunft erholt werden kann. Mai 1909 (2.) In abgelaufener Nacht waren an Häusern, Läden, Abfallrohren usw. rote und weiße ca. 50 qcm große Zettel aufgeklebt, auf denen nachstehendes gedruckt war: „Traut nur der eignen Kraft, / folgt nicht der Führerschaft, / die Euch mit dem Maifest äfft, / denn für sie ist’s ein Geschäft! / Feste feiern, Reden schwingen, / wird Euch nicht die Freiheit bringen. / Wer nicht selber sich befreit, / bleibt ein Knecht für alle Zeit.“ Man nimmt an, dass die Veranstalter dieser Kundgebung unter hiesigen AnarchoSozialisten zu suchen sind. – Des ganz abscheulichen Wetters wegen unterblieb der Festzug und die Feier im Evora-Keller. (4.) Die durch das Hochwasser vollständig zerstörten Fußwege Karlsteg – Poppenreuther Brücke, ab da am Batzenhaus vorüber zum Friedhof und Friedhofsteg sind nun wieder in guten Stand gesetzt worden. (6.) Der Magistrat in seiner Mehrheit hat heute 3 Gesuche zum Ausschank von Schnaps in Spezereiläden wegen mangelnden Bedürfnisses abgelehnt. – Gefundenes Geld. Vor dem Ludwigsbahnhof in Fürth stehen auf dem Trottoir an der Friedrichstraße zwei kleine Holzbuden, in denen seit vielen Jahren Bäckereiwaren feilgehalten werden. Da die beiden Buden auf städtischem Grund stehen, wurde von den Inhabern der Verkaufsstellen ein jährlicher Pacht von je [10 Mark] an die Stadt gezahlt. Der Besitzer der dem Eingang zum Ludwigsbahnhof zunächst gelegenen Bude, ein hiesiger Mehlversteller, verpachtete nun die Bude weiter um den jährlichen Pachtschilling von 400 Mark, so dass er auf diese Weise von einem städtischen Grundstück lediglich durch Unterverpachtung einen jährlichen Nutzen von 390 Mark zog. Außerdem hatte sich der Unterpächter, ein hiesiger Bäckermeister, auch noch verpflichten müssen, dem Mehlversteller 1000 Zentner Mehl jährlich abzukaufen. Dieser Unfug würde wohl auch noch länger zum Schaden der Stadt getrieben worden sein, wenn der Mehlversteller nicht versucht hätte, aus dem Unterpächter in Zukunft noch mehr Pacht herauszuschinden. Er verlangte nämlich plötzlich 600 Mark jährliche Pacht und die Abnahme der 1000 Zentner Mehl wie bisher. Das wurde nun dem Bäckermeister zu dumm. Er wandte sich direkt an den Magistrat und bot der Stadt für die Überlassung des kleinen Budenplatzes eine Jahresmiete von 400 Mark. Das Erstaunen unserer Stadtväter über dieses Angebot kann man sich denken. Wie erstaunten sie aber erst, als sie den ganzen Sachverhalt erfuhren. Interessant ist, dass der Mehlversteller die ihm gehörige kleine Holzbude und das Recht, den städtischen Platz um 10 Mark zu pachten, an den Bäckermeister um 5000 Mark verkaufen wollte. darauf ging natürlich der Bäckermeister auch nicht ein. Nun wird die Stadt auf die geschilderte Weise zu erhöhten Einnahmen kommen. Man sieht, dass im wahrsten Sinne des Wortes das Geld auch heutzutage auf der Straße liegt. Man braucht es nur aufzuheben. (14.) Der Wasserstand beider Flüsse ist infolge der anhaltenden Trockenheit sehr niedrig, so dass verschiedene Wasserschöpfräder der Rednitz nicht funktionieren. (21.) Ein Gesuch des Magistratsbeamtenvereins, seinen Mitgliedern die Flusszahlbäder um die Hälfte des Preises zugängig zu machen, wurde mit Rücksicht auf die Konsequenzen abgelehnt. (23.) Das altertümliche Schloss Bislohe bei Großgründlach wurde am 16. des Monats durch einen Brand total eingeäschert; die Gegend verliert damit ein interessantes Wahrzeichen. (27.) Die Beratungen einer neuen Straßenpolizeiordnung für Fürth gelangten heute im Magistrat zum Abschluss. Juni 1909 (3.) Der 5-jährige Sohn eines Wachtmeisters, den ein Artillerist auf ein Pferd setzte, stürzte infolge Scheuens des Pferdes herab und erlag seinen Verletzungen. (7.) Ein hiesiger Großindustrieller hat zum Bau der St. Heinrichskirche dem katholischen Pfarramt 3000 Mark übergeben. (14.) Verstorben Kommerzienrat Anton Sahlmann, früher Gemeindebevollmächtigter, 75 Jahre alt. – Heute wurde die erweiterte elektrische Straßenbeleuchtung in der Nürnberger Straße bis Jakobinenstraße zur Leyher Unterführung eröffnet. (20.) Der 1. Verbandstag des bayr. Polizeibeamtenverbandes findet gegenwärtig dahier statt und ist von auswärtigen Mitgliedern sehr gut besucht. Als Sitz des Verbandes wurde Fürth bestimmt. (23.) Im Gemeindekollegium ist der Handfertigkeitsunterricht für die 8. Knabenklassen – wohl in missverstandener Auffassung des Lehrprogramms – namentlich von demokratischer Seite als Spielerei bekämpft worden. Im Gegensatz hierzu erklärte heute Gemeindebevollmächtigter Lehrer Eisenbeis den beim Handfertigkeitsunterricht in erster Linie vorherrschenden Modellierunterricht für eine notwendige Ergänzung des Zeichenunterrichts und auch die Papparbeit (Zusammensetzen von Körpern) und die Hantierung mit Hammer, Säge und Stemmeisen nicht als „Postelei“, sondern für etwas, das den jungen Leuten im späteren Leben sehr zustatten kommen könne. Die Mittel für einen besonderen Raum für die Handfertigkeitsarbeiten wurden schließlich auch einstimmig bewilligt. – Mit 72
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