Das Wirtschaftsamt in der Julienstraße war völlig überlastet. Waren die Schlangen im Parteiverkehr zu lang, musste das Amt schon mal polizeilich geschlossen werden. Jetzt wurden zwei Angestellte in zwei Fällen von Wartenden tätlich angegriffen. Die Rheinische Kaufhalle Fürth („Ehape“, im Volksmund „Haperla“ genannt) bereitete ihrer Kundschaft eine lang ersehnte Freude. Die durch die Nazis geschlossene Imbiss-Ecke konnte wieder eingeweiht werden. Fürths Penner hatten eine weitere Anlaufstelle. Die Rechtsabteilung des Fürther Ernährungsamtes verhängte von März bis einschließlich August in 148 Fällen Ordnungsstrafen in Höhe von 35.000 RM. In den häufigsten Fällen handelte es sich bei den Verstößen um Erschleichung einer Bezugsberechtigung. Jetzt wurden auch die „Höchst“-Eintrittspreise für das Fürther Stadttheater festgesetzt: Die besten Plätze kosteten maximal 7,50 RM. Bei den übrigen Plätzen wurde unter Rücksichtnahme auf die derzeit schwierigen Verhältnisse entsprechend abgestuft. Ein Paket des Einweichmittels „Trypton“ konnte ab sofort auf den Sonderabschnitt 6 der Säuglingskarte 93 (Kinder bis zu einem Jahr) mit dem Aufdruck EA Fürth-Stadt entweder bei Seifen-Lang, Sternstraße 3 oder Konrad Eberhard, Rudolf-Breitscheid-Straße 5, bezogen werden. Alhambra-Kino: „Der Teufelsbauer“, ein deutscher Film, in welchem ein Bauer dem Teufel seine Seele verschreibt. In den Hauptrollen waren Walter Huston, Jan Darwell und Simone Simon zu sehen. 25. September 1946 Das Fürther Wirtschaftsamt gab bekannt: Es konnte eine größere Menge an Schuhen verteilt werden sowie die ersten tausend Kochtöpfe. Mangels Masse gab es keine Zuteilungen an die Geschäfte für Porzellan, Seife, Waschmittel und Fahrräder. Ein männlicher Beinamputierter sprach in Fürth bei Lebensmittelgeschäften vor und zog vorzeitig belieferte Bezugsabschnitte der Lebensmittelkarten ein. Durch sein forsches Auftreten wurde der Schwindler als Kontrolleur des Ernährungsamtes angesehen. Die Kripo machte nun Jagd auf den Betrüger. Die „Veronika Dankeschön“ brachte es neben „Fräulein Schwanger“ zu trauriger Berühmtheit. Von den vier Geschlechtskrankheiten waren Tripper und Syphilis weitaus vorherrschend. In Fürth waren während der Vorkriegszeit keine erheblichen Schwankungen festzustellen. Lediglich während der Reichsparteitage erhöhte sich die Zahl, da auch die Prostituierten aus nah und fern daran „teilnahmen“. In den letzten Jahren des Krieges stieg die Zahl ebenfalls an, was sich mit Heimattruppenteilen aus besetzten Ostgebieten erklären ließ. Die Militärregierung verfügte im Mai 1945, dass jede geschlechtskranke Person der Gesundheitsbehörde zu melden sei. Im ganzen Jahr 1945 waren 185 Personen wegen Syphilis und 369 wegen Trippers in Behandlung. Doch nun schnellten die Zahlen nach oben. Ende August 1946 gab es schon 1531 Geschlechtskranke in Fürth. Allein in der vierten Maiwoche kam es zu einem Zugang von 90 Geschlechtskranken. Frauen waren an der Gesamtzahl der Geschlechtskranken mit über zwei Dritteln beteiligt. Ein Ende der Entwicklung war nicht in Sicht. 3. Oktober 1946 Immer mehr Flüchtlinge beschwerten sich über die schlechte Qualität der ihnen übergebenen Kleidung. Die Betriebe der bayerischen Bekleidungsindustrie wurden deshalb eingehend ermahnt, bei der Herstellung geeignete Materialien guter Qualität zu verwenden. Wer weiterhin mangelhafte Ware produzierte, wurde mit Lizenzentzug bestraft. Der Brauerei Grüner wurde für die Zeit der Fürther Kirchweih die Aufstellung eines 700 Personen fassenden Bierzeltes erlaubt. Festwirt war damals Bernhard Brunner. Im wieder instandgesetzten Gebäude des früheren Mädchenhorts im Fürther Stadtpark wurde ein Flüchtlingskinderhort eröffnet. Zur Aufnahme kamen Kinder von 3 bis 6 Jahren, die dort von einer Kindergärtnerin ganztägig betreut wurden. Zum ersten Mal nach 14 Jahren konnte die jüdische Gemeinde Fürths vom 25. bis 27. September ihre Neujahrsfeier begehen. Da keine Synagoge mehr zur Verfügung stand, mussten die Gottesdienste in Privaträumen abgehalten werden. In der Scheune der Brauerei Dorn in Vach brach ein Großfeuer aus, das erheblichen Schaden anrichtete. Der Brand wurde durch spielende Kinder verursacht. Der Gesamtschaden betrug etwa 100.000 RM. Durch Funkenflug wurde sogar der Kirchturm von Vach mit in Brand gesetzt, konnte jedoch wieder gelöscht werden. Zur Erfassung der Zuckerrübenernte wurden sämtliche Zuckerrüben beschlagnahmt. Jeder Verkauf, Tausch oder anderweitige Abgabe waren verboten, ebenso die Verfütterung. 22
Seite:Kuntermann 1946-47.pdf/22
Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.