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keine Sonderstellung und keine Almosen, sondern tägliches Brot durch anständige Arbeit. Wie muss man es sich vorstellen, damals an einem Sonntag in ein Gasthaus zu gehen und nach Karte einen „Hackbraten“ zu genießen? Ein Reporter der NN machte die Probe aufs Exempel. Zuerst schnippelte der Ober 50 g Fleisch, 30 g Weißbrot, 5 g Fett und noch eine Kartoffelmarke von der Lebensmittelkarte. Nach langem Warten servierte er einen Teller mit drei Kartöffelchen in „SchusserGröße“ (die Trockenheit!) und einem etwa 4 mm dicken Gebilde, das am ehesten einer Scheibe Leberwurst glich. Das war`s. Man war eine Menge Lebensmittelmarken los, weiterhin hungrig und hinterließ auf der Tischdecke garantiert keine Fettflecken. Bei der städtischen Schuhausbesserungswerkstätte in der Hirschenstraße herrschte nach wie vor großer Andrang. Allein im Juni wurden 166 neue Kunden eingetragen, die ausschließlich aus Flüchtlingskreisen stammten. 2520 Paar Schuhe wurden zur Reparatur angenommen, 2215 von den jetzt 20 beschäftigten Schuhmachern repariert. Aufgrund der Materialknappheit warteten noch immer über 3000 Paar Schuhe auf ihre Reparatur. 13. August 1947 Auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung musste an jedem Haus ein „Hausbewohnerverzeichnis“ angebracht sein. Die Hauseigentümer wurden angewiesen, verschwundene, beschädigte oder unleserlich gewordene Verzeichnisse zu erneuern. 950 SS-Leute befanden sich im Internierungslager Regensburg. Da angenommen werden musste, dass sie sich Häftlingen gegenüber unmenschlich verhalten hatten, wurden alle ehemaligen Fürther KZHäftlinge gebeten, die bei der Betreuungsstelle in der Theaterstraße 14 aufliegenden Listen mit den Namen der damaligen Wachleute genau zu lesen. Um eine Verurteilung der Schuldigen zu ermöglichen, sollten Zeugen gegen die Betroffenen aussagekräftiges Material zur Verfügung stellen. Am Fürther Friedhof verschwanden immer mehr „Dolomitsteine“ von den so genannten Waldgräbern. Die Steine fanden bei anderen Gräbern wieder Verwendung. Dolomit war teuer und nur sehr schwer zu bekommen. Das Fürther Flussbad war völlig überfüllt. Jetzt dachte die Stadtverwaltung darüber nach, den Waldmannsweiher als Sportbad herzurichten. Zwar war das Baden in dem moosgrün schillernden trüben Gewässer mit dem Schlammboden und den vielen Schlingpflanzen verboten, doch einige waghalsige Amerikaner testeten schon mal die Ungefährlichkeit des Badens. 16. August 1947 Auswärtige Schüler der Fürther Oberrealschule kamen in den Ferien nicht in den Genuss der Schulspeisung. Sie waren in Fürth abgemeldet worden, ihre Heimatgemeinden weigerten sich jedoch, eine Anmeldung während der Ferien anzunehmen, da sonst eine gewisse Anzahl von Portionen mehr angeliefert werden müsste. Dies war für die wenigen Ferienwochen organisatorisch viel zu kompliziert. In einem Leserbrief an die NN beschwerte man sich über Jugendliche unter 18 Jahren, die bei Fürther Tanzvergnügungen gesichtet wurden. Die Polizei führte nach Ansicht des Lesers keine Kontrollen durch, um dem „Großzüchten solcher Nachtschattengewächse“ Einhalt zu gebieten. Das Nachkriegselend führte zu einer Steigerung der Fälle von Tuberkulose. Neben der Zusammenballung von Menschen in Wohnungen und Verkehrsmitteln machte man die Unterernährung und die damit verbundene fehlende Widerstandskraft gegen diese Krankheit verantwortlich. Viele Betroffene wussten gar nicht, dass sie an Tuberkulose erkrankt waren. In Fürth stieg die Zahl der Erkrankten seit Kriegsende um ein Drittel. Betroffen waren Männer doppelt so häufig wie Frauen. Der Heilungsprozess zog sich über Jahre, manche blieben zeitlebens unheilbar krank. Man konnte nicht alle Einwohner mit offener Tbc erfassen. Im ersten Halbjahr 1947 untersuchte man Tausende von Fürthern, obwohl das städtische Gesundheitsamt nur über ein einziges Röntgengerät verfügte. Kranke erhielten tägliche Sonderrationen bis zu 4000 Kalorien. 20. August 1947 Diejenigen, die im Winter 1946/47 am lautesten schimpften, wenn sie sich stundenlang nach Heizmaterial anstellen mussten, zeigten sich jetzt unzuverlässig. Die Lagerplätze der Kohlenhändler waren überfüllt, so dass ständig neu ankommende Briketts und Holz nicht mehr untergebracht werden konnten. Die meisten Bürger dachten angesichts der großen Hitze aber nicht an die seit 2. Juli (!) schon aufgerufenen Brikettmengen. Es erging deshalb ein nochmaliger Aufruf in der Presse, dass Säumige ihre Brennstoffversorgung abrufen sollten, da sonst die Versorgung aller Bürger im Winter gefährdet sei. 53