Seite:Kuntermann 1946-47.pdf/64

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.

Umfang aus Mitteldeutschland beziehen, da die Kohlenlieferungen von dort pünktlicher eintrafen als die Lieferungen aus dem Ruhrgebiet. Infolge des heißen Sommers war die Rhein-Main-Schifffahrt stark eingeschränkt gewesen. Nun protestierte Nürnberg: Wie das dortige Ernährungsamt mitteilte, war seit 12 Tagen kein Waggon Kartoffeln mehr nach Nürnberg gekommen, weil die Belieferung Nürnbergs zugunsten Fürths „abgestoppt“ wurde. Der Nachfolger von Geistlichem Rat Franz Schwarzmann, Prälat Nicolaus Pieger, wurde als Stadtpfarrer in der St.Heinrichs-Gemeinde festlich begrüßt. Der neue Pfarrherr war früher Direktor des PirkheimerHauses Nürnberg und von 1932 bis 1944 in der deutschen Auslandsseelsorge tätig. 65 Personen, davon 5 Jugendliche, wurden in der Zeit vom 1. bis 26. November vom Gesundheitsamt Fürth wegen Verdachts der Geschlechtskrankheit vorgeführt. In Fürth war doch was los! Aus dem bisherigen „Platzl“ direkt neben der Non-Stop-Schau (später Kino Kristall-Palast) in der Pfisterstraße entstand die Tanzbar „Kolibri“. In der Eröffnungszeit spielte die Kapelle Klausner und Ansager war kein geringerer als der spätere Fernsehstar Peter Frankenfeld. Alhambra-Kino: „Das Haus der Lady Alquist“, ein amerikanischer Kriminalfilm mit Ingrid Bergmann und Charles Boyer in den Hauptrollen. 10. Dezember 1947 Erschütternde Zahlen der ersten Nachkriegszeit: Von den 11.214 Fürther Volksschülern 1947 verfügten nur 7096 über ein eigenes Bett. 4118 schliefen zu zweit und mehr in einem Bett. 4911 Schulkindern fehlte warme Winterbekleidung und 5500 benötigten Winterschuhe. Der Fürther Stadtrat richtete einen scharfen Appell an die Landesstelle Leder in München, um 4381 Paar in Fürth lagernde Kinderstraßenschuhe freizubekommen. Die Unfähigkeit der Landesstelle verhinderte die entsprechenden Bezugsscheine. Die Stadt Fürth drohte jetzt mit Selbsthilfemaßnahmen. Alle Ladengeschäfte einschließlich der Friseurgeschäfte mussten am Heiligen Abend bis 17 Uhr geöffnet sein. Milchgeschäfte hatten sogar am zweiten Weihnachtsfeiertag am Vormittag zwei Stunden zu öffnen. Am Samstag, den 27. Dezember mussten alle Ladengeschäfte während der üblichen Geschäftszeiten öffnen. Zur Müllablagerung für die nächsten zwei Jahre wurde das Gelände am Bahneinschnitt der alten Ringbahn bei Ronhof ausgewählt. Die auf der Pegnitzseite der Friedenstraße vorgesehene Ablagerung wurde dafür einstweilen zurückgestellt. Im September 1947 gab es in Fürth 2025 Schulanfänger. Nach schulärztlicher Untersuchung wurden bei 229 an Brust und Bauch, 363 an Wirbeln und Knochen, 222 an Haut und Parasiten, 112 an den Augen, 13 an den Ohren und 696 (!) an Mund, Hals, Nase und Sprache krankhafte Veränderungen festgestellt. Das BRK-Fürth führte eine Weihnachtsfeier für 200 Ostheimkehrer durch. Sie wurden mit Kaffee und Kuchen verpflegt. Danach erhielt jeder einen Geschenkbeutel, gefüllt mit Alltagsartikeln, die das amerikanische Rote Kreuz gestiftet hatte. 13. Dezember 1947 Ein wenig weihnachtliche Stimmung breitete sich aus: Vom 13. bis 24. Dezember lief in Fürth der Christbaumverkauf. Insgesamt elf Verkaufsstellen waren dazu über das Stadtgebiet verteilt. Angeblich war die Belieferung so ausreichend, dass für jede Fürther Familie ein Christbaum zur Verfügung stand. Der Bayerische Landessportverband München, Rosental 1, hatte ein Sonderkontingent an Turnschuhen erhalten. Auch die Fürther Turn- und Sportvereine konnten sich jetzt um entsprechende Zuteilungen bemühen. Die Anwohner wandten sich an die Fürther Stadtverwaltung: Man empfand es als Schildbürgerstreich, den übelriechenden ehemaligen Löschwasserteich an der Ludwigstraße zwischen Amalienstraße und Fichtenstraße zuerst aufzufüllen, um dann an gleicher Stelle ein Knochensammellager zuzulassen. Die Ratten brauchten so gar nicht umzuziehen. OB Dr. Bornkessel hatte Fraktionsvorsitzende, Referenten, Amts- und Bürovorstände der Stadtverwaltung zu einem kleinen gesellschaftlichen Zusammensein ins „Rote Ross“ eingeladen. Er wollte auf diese Weise mit den verantwortlichen Kräften der Stadt ins Gespräch kommen und auch den Dank für geleistete Arbeit aussprechen. Militärgouverneur Oberst James C. Barnett überprüfte die Landwirte mit einem geschickten Experiment: Er schickte eine Angestellte nur mit Bargeld aufs Land, um Kartoffeln zu holen. Sie bekam an einem Tag etwas weniger als zehn Pfund. Einige Tage später erhielt die mit einigen „Chesterfields“ ausgerüstete Hamsterin in der gleichen Gegend mehr als sie überhaupt tragen konnte. 64