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Zukunft Leben und Werk:

In Nürnberg wuchs er auf. Mit 15 war er Volksstürmer In Hitlers letztem Aufgebot. Später studierte er Sprachen, Philosophie und Literaturwissenschaften u.a. In Erlan­ gen. Er arbeitete als Rundfunkredakteur beim SDR, als Gastdozent und Lektor, ab 1957 mit Erscheinen des Gedichtbandes "Verteidigung der Wölfe" als freier Schrift­ steller. Einflüsse von Brecht, Benn und Heine waren deutlich zu spüren. Dieser Band machte durch Angriffe auf den Kapitalis­ mus, den Imperialismus und die sonstigen Musen der westlichen Welt, die sog. linksin­ tellektuelle Uteräturszene auf Ihn aufmerk­ sam. Sprachlich zog Enzensberger hier schon alle Register und schafft eine "desil­ lusionierende Gebrauchslyrik". 1968 war er Mitherausgeber des "Kurs­ buch", einer Zeitschrift, die “Diskusslonsforum revolutionärer Theorienbildung“ sein sollte. Sein Engagement in Mittelamerika desillusionierte Ihn dann politisch, bremste aber keineswegs seinen literarischen Schwung. Bis heute publizierte er zahlreiche Gedich­ te, Essays und Geschichten und erhielt mehrere bedeutende Preise, unter ande­ rem den Kulturpreis der Stadt Nürnberg.

Werke (Auszug): Verteidigung der Wölfe (G) 1957; Landes- ■ spräche (G) 1960; Die Entstehung eines Gedichtes 1962; Einzelheiten (Ess) 1962; Blindenschrift (G) 1964; Deutschland, Deutschland unter anderem (Ess) 1967; Das Verhör von Habana (Dr) 1970; Der kur­ ze Sommer der Anarchie (R) 1972; Der Un­ tergang der Titanic. Epische Gedichte 1978; Die Furie des Verschwindens (G) 1980; Politische Brosamen 1982; Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen 1987

Das Aufsehen einer breiteren Öffentlich­ keit erregte Enzensberger durch sein kürz­ lich im Spiegel 6/91 abgedruckten Essay “Hitlers Wiedergänger" bei dem er Paralle­ len zwischen Adolf H. (Name der Redak­ tion bekannt d.T.) und Saddam Hussein aufzeigte. Hier spaltete sich die Linke. Die einen überzeugte die Ausführung, die an­ deren, die Radikaleren nannten Ihn einen "ideologischen Wegbereiter des amerika­ nischen Bombenterrors (Zentralleitung des marxistisch-leninistischen Bundes Intellek­

tueller (MLBI)) oder ließen ihn, wie der möchtegern WIENER "PLÄRRER” die Wahl dumm, bösartig oder Träger einer "speziel­ len Brille" zu sein. Sie werden den im April erschienen Ge­ dichtband Enzensbergers "Zunkunftsmuslk" als erneuten Verrat sehen. Aber der "schöngeistige Judas" hat trotz oder gera­ de wegen fehlender Radikalität früherer Werke besondere Intensität erreicht. Traditionsgemäß steht das Titelgedicht als letztes, der knapp 60 Gedichte dieses Ban­ des.