Seite:Pennalen Jg 3 Nr 2 1955.pdf/1

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.

die pennalen Oberrealschule

Gemeinsame Schülerzeitung der Fürther höheren Schulen Stadt. Mädchenrealgymnasium Hum. Gymnasium Stadt. Handelsschule Fürth

Jahrg. 3 / Nr. 2

Abonnementpreis 30 Dpi. Einzelpreis 40 Dpi.

November 1955

Rußlandheimkehrer danken! Mädchenrealgymnasium betreute seit fast einem Jahr Kriegsgefangene in Rußland mit Paketen

Vier Rußlandheimkehrer statteten kürzlich dem Fürther Mädchenrmlgymnasium einen Besuch ab, um sich persönlich für die liebe­ voll zusiiminengestellten Pakete zu bedanken, die ihnen die Schü­ lerinnen seit Weihnachten vergangenen Jahres geschickt hatten. Zusammen mit Frau Stadträtin Anni Gruber wurden die vier Heimkehrer Siegfried Andrsch, Emil Lang, Adolf Gottwald und Leopold A. Schnelzer von den Vertreterinnen der Klassen empfan­ gen. Die vier Heimkehrer bedankten sich für die insgesamt 30 Pa­ kete, die ihnen und 13 weiteren Kameraden seit fast einem Jahr die spendenfreudigen Mädchen in die Arbeitslager Rußlands ge­ schickt hatten. Das war eine Freude für die Mädchen des Realgymnasiums, als. ihnen Frau Stadträtin Anni Gruber die vier Heimkehrer vorstellen konnte. Am liebsten hätten wohl alle Mäd­ chen der Schule dieser Stunde beigewohnt, in der „ihre“ Heimkehrer von den Erleb­ nissen als Zwangsarbeiter in Rußland erzähl­ ten. Aber das wäre doch zu anstrengend für die vier Heimkehrer gewesen, und so schar­ ten sich nur die Klassensprecherinnen der Anstalt um sie und bestürmten sie mit ihren Fragen. Russen sammeln Konservendosen Die Mädchen wollten natürlich zuerst wis­ sen, wie denn die Pakete angekommen seien, und erfuhren, daß alle Sendungen genau un­ tersucht worden sind, daß die Russen jedes Stückchen Papier und jedes Bändchen sorg­ fältig nach Notizen, die vielleicht geheime Mitteilungen enthalten könnten, durchforscht] haben — und daß die Russen wie verrückt hinter den Konservendosen mit ihren bun­ ten Aufdrucken her waren. So hoch stehen dort Dinge im Kurs, die wir achtlos in den Mülleimer werfen! Da die Kriegsgefangenen auf dem Bau arbei­ teten, — sie erhielten dafür den selben Lohn wie die russischen Bauarbeiter und konnten

Tauziehen um Schuljahrsbeginn Deutsch-Amerikanischer Diskussionsabend O alte Burschenherrlichkeit SMV-Tagung in Nürnberg Wandertag im Regen

Gespannt lauschen die Mädchen den beinahe phantastisch klingenden

Erzählungen^der Heimkehrer

sich darum auch zusätzlich etwas zu essen kaufen — kamen sie auch mit der russi­ schen Zivilbevölkerung in Berührung, die ihnen freundlich gesinnt war. Auf die Frage, ob sie im Lager die Möglichkeit gehabt hät­ ten, einen Gottesdienst zu besuchen, antwor­ teten die Fürther Heimkehrer, daß anfangs jeden Sonntag im Speiseraum der großen Holzbaracke Gottesdienste für Protestanten und Katholiken zusammen gehalten worden sind. Da die Russen aber geheime Verschwö­ rungen befürchteten, seien diese Gottesdien­ ste bald untersagt worden.

Mongolen als Wachmannschaften

Natürlich interessierte die Mädchen auch die Unterbringung und Bewachung der Kriegs­ gefangenen. Das Lager eines der Heimkeh­ rer beherbergte 180 Gefangene, die in einer größeren Holzbaracke untergebracht waren. Bewacht wurden sie von mongolischen und russischen Einheiten. Unter den deutschen Lagerinsassen herrschte im allgemeinen gu­ tes Einvernehmen, aber sic mußten sich trotzdem bei ihrer Unterhaltung in Acht nehmen, da einige Mitgefangene die Gesprä­ che der russischen Lagerleitung hinterbrach­ ten. Ebenso waren sie bei der Abfassung der Postkarten, die sie einmal im Monat an die Angehörigen schicken konnten, sehr vor­ sichtig, denn diese durften erst nach strenger Zensur durch die Russen ihren Weg in die Heimat antreten. Ostzone verspricht Arbeit

Nach der Heimkehr und dem Empfang in beiden Teilen Deutschlands gefragt, berich­ teten die Heimkehrer, der Empfang in der Ostzone habe darin bestanden, daß an den Bahnhöfen Lautsprecher verkündet hätten, im Zug befänden sich deutsche Heimkehrer.

Denen, die in der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wollten, sei Arbeit und ein gutes Leben versprochen worden. Wie wenig das die Rußlandheimkehrer beeindruckt ha­ be, zeige die Tatsache, daß von den 600 Ge­ fangenen eines Transportes ein einziger in der Ostzone ausgestiegen sei.

Triumphaler Empfang in Westdeutschland Angesichts des wenig herzlichen Empfanges in der DDR hätten sie, so meinten die Heim­ kehrer, wenig Hoffnung auf eine größere Anteilnahme des Westens gelegt. Sie hätten zwar auf eine freundliche Aufnahme gehofft, aber das, was sie dann erwartet habe, sei einfach „triumphal“ gewesen. Bei dem Emp­ fang im Lager Friedland hätten sie sehr be­ dauert, Bundeskanzler Dr. Adenauer, der wegen seiner Krankheit nicht erscheinen konnte, persönlich zu danken. Es sei anfangs nicht leicht gewesen, sich in der so sehr veränderten Heimat zurecht­ zufinden, aber bereits jetzt, nach einer Wo­ che, hätten sie sich in die veränderte Situa­ tion gefunden und sich hier gut eingelebt.

Mädchen schicken weiter Pakete Wenn auch die deutschen Kriegsgefangenen heimgekehrt sind, so gibt es doch noch ge­ nug Elend jenseits des eisernen Vorhanges. Die Mädchen des Realgymnasiums haben da­ her Patenschaften in der Ostzone übernom­ men, um auch dort den notleidenden Men­ schen durch Pakete Hilfe und eine kleine Freude zu bringen. Die Schülermitverwal­ tung der Anstalt dankt auf diesem Wege allen Schülerinnen, die zum Gelingen der Paketaktion beitrugen und bittet sie, die Aktion auch weiterhin mit Spenden zu un­ terstützen, damit die Paketsendungen jetzt in die Ostzone fortgesetzt werden können. chiri / ajw