Patrizier Bräu: Unterschied zwischen den Versionen

K
Textersetzung - „online abrufbar]“ durch „online]“
Keine Bearbeitungszusammenfassung
K (Textersetzung - „online abrufbar]“ durch „online]“)
 
(55 dazwischenliegende Versionen von 8 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
Die '''Patrizier AG''' war ein fränkischer Brauriese, der [[1972]] durch die Zusammenlegung der Brauereien in der [[Schickedanz]]-Gruppe und derer der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank entstand.
[[Bild:Logo Patrizier 1975.jpg|mini|right|Logo der Brauerei Patrizier AG]]Die '''Patrizier AG''' wurde am [[23. Februar]] [[1972]] gegründet und entwickelte sich durch die Zusammenlegung verschiedener bestehender Brauereien in ganz Nordbayern zu einem fränkischen Brauereiriesen. Den Zusammenschluss unternahm die [[Schickedanz]]-Gruppe gemeinsam mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Nach nur 22 Jahren ([[1994]]) wurde die Marke wieder vom Markt genommen. Inzwischen wird die Marke Patrizier durch die [[Tucher Bräu|Brauerei Tucher]] wieder geführt, allerdings eher als Bier für den Export (neue Bundesländer) statt für den heimischen Markt.
 
== Namensgebung ==
 
Der Name der neugeschaffenen Brauerei geht auf eine Biermarke der in ihr aufgegangen Brauerei ''Lederer, Nürnberg'' zurück.


== Fürther Brauereien in der Patrizier ==
== Fürther Brauereien in der Patrizier ==
[[Datei:Werbung Patrizier Weizen leicht 1975.jpg|mini|right|Werbung der Patrizier Bräu]]
In der Patrizier Bräu gingen ab Gründung die [[Brauerei Humbser-Geismann]] und die [[Brauerei Grüner]] auf, in letztere war die [[Schickedanz]]-Gruppe erst [[1969]] mit 25 % eingestiegen.<ref name="FG">Felix Geismann: Brauwesen in Fürth - Die Geschichte der Brauerei Geismann, 2008</ref> Bis 1974 produzierte die Patrizier Bräu AG weiterhin Biere unter den aufgekauften Namen, ab [[1974]] wurden die ersten Produkte unter den Namen "Patrizier" auf den Markt gebracht. So gab es ab [[1974]] die Marken: Patrizier Pils, Patrizier Edelweizen, Patrizier Bock und Patrizier [[Poculator]].
[[1975]] erlangte die Patrizier Bräu AG die Mehrheitsbeteiligung an der nächsten Fürther Traditionsbrauerei: der [[Bergbräu]]. Die Bergbräu behielt noch ihren Braustandort bis [[1979]]. Am [[30. September]] [[1979]] wurde der letzte Sud gekocht. Anschließend wurde die Brauerei geschlossen und die Marke vom Markt genommen.
Diese Vorgänge waren der Grund, warum die Gründung der Patrizier Bräu von vielen Fürthern als "Apokalypse des hiesigen Brauwesens" eingestuft wurde.<ref>[[Fürther Bier (Buch)]], S. 144.</ref>


In der Patrizier Bräu gingen ab Gründung die [[Brauerei Humbser-Geismann]] und die [[Brauerei Grüner]] auf, in letztere war die Schickedanz-Gruppe erst [[1969]] mit 25 % eingestiegen<ref name="FG">Felix Geismann:Brauwesen in Fürth - Die Geschichte der Brauerei Geismann, 2008</ref>. [[1974]] wurde mit der [[Bergbräu]] die letzte selbstständige Fürther Brauerei geschluckt.
Ab [[1989]] werden von der Patrizier Bräu AG alle kleinen Standorte geschlossen, lediglich die ehem. [[Humbser]] Brauerei in der Südstadt und die Brauerei in Zirndorf werden weiterhin als Braustätte genutzt. Der Ausstoß beträgt zu dieser Zeit etwa 800.000 Hektoliter Bier.


== Namensgebung ==
== Übernahme, Verkauf und neuer Betrieb ==
[[Datei:Versammlung 1991 im Fürst wg Patrizier fw.jpg|miniatur|rechts|Aussprache zum Verkauf der Patrizier Immobilien, 1991]]
Ab [[1991]] beginnt der "Ausverkauf" der Patrizier Bräu AG. Die ersten Brauereien, über 50 Fürther Gaststätten, Immobilien und Grundstücke wurden über Nacht an die Duisburger Firmengruppe Dieter Conle verkauft, mit der Konsequenz, dass die Pachtkosten sofort massiv anstiegen.<ref>Harald Ehm: Die Lichter im "Volksgarten" gehen aus. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 4. August 2013 [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/die-lichter-im-volksgarten-gehen-aus-1.3055955 - online]</ref> Der Verkauf schien so hektisch verlaufen zu sein, dass viele Mieter der Immobilien vom Verkauf überrascht wurden. Bei einigen Mietern gab es z.B. ab dem 1. Januar 1992 plötzlich keine Telefonanschlüsse mehr, da beim Verkauf vergessen wurde die Telekom zu informieren, so dass die Kosten nicht mehr abgebucht werden konnten.<ref>Matthias Boll: Wasserhausmusik mit kritischen Zwischentönen - Fürth vor 25 Jahren. In: Fürther Nachrichten vom 6. Januar 2017, S. 34</ref> Bedingt durch den Verkauf der Immobilien wurde von vielen Gaststätten- und Kneipenpächtern eilends eine Sondersitzung des Hotel- und Gaststättenverbandes im [[Café Fürst]] einberufen. Der Hotel- und Gaststättenverband versuchte den betroffenen Wirten mehr Informationen zu geben.
 
[[1994]] erwarb der Münchner Brauerei-Unternehmer Dr. Hans Inselkammer die Aktienmehrheit, fusionierte mit der Nürnberger [[Tucher Bräu|Tucher Bräu AG]]. Dr. Inselkammer gliederte die [[Tucher Bräu]] AG und Augsburger Hasen Bräu aus. Die Marke ''Patrizier'' wurde aufgegeben.
 
[[1999]] eröffnete die Inselkammergruppe im Fürther Gewerbepark Süd ein neues Logistikzentrum, ab [[2003]] wurde die neue Abfüllanlage in Betrieb genommen. Das Bier wurde in der ehem. Humbser hergestellt, die Abfüllanlage stand aber im Gewerbepark. Beide Orte wurden mittels einer "Pipeline" verbunden.
 
[[2003]] verkauft Dr. Inselkammer die [[Tucher Bräu]] AG an die Dortmunder Brau und Brunnen AG - die später nach dem Verkauf an den Oetker-Konzern in der Radeberger Gruppe mit aufging - behielt jedoch zahlreiche Immobilien.


Der Name der neugeschaffenen Brauerei geht auf eine Biermarke der in ihr aufgegangen Brauerei ''Lederer, Nürnberg'' zurück.  
[[2008]] wurden die Braustätte [[Brauerei Humbser-Geismann|Humbser-Geismann]] sowie der Standort an der [[Schwabacher Straße]] insgesamt aufgegeben und die Produktion vollständig in den Gewerbepark Süd verlegt. Hierzu nahm man [[2008]] das sog. "Zwei-Städte-Sudhaus" in Betrieb. Das Sudhaus steht unmittelbar auf der Stadtgrenze der beiden Städte Fürth und [[Nürnberg]]. Am [[29. September]] [[2011]] wurde eine alte Fürther Bier-Marke wieder eingeführt: das [[Brauerei Grüner|Grüner Bier]]. Inspiriert von der erfolgreichen Wiedereinführung folgte [[2018]] eine Biersorte unter dem Namen ''Humbser''.


== Akzeptanz und Kritik ==
== Akzeptanz und Kritik ==


Nicht nur wegen der Schließungen der Grüner und Bergbräu [[1977]], sondern auch wegen der Tilgung aller traditionsreichen Fürther Biermarken genoss der Einheits-Braugigant in Fürth einen schlechten Ruf; galt als Symbol für die Konzentrationssucht im Braugewerbe und die zunehmende Identifikationslosigkeit der Unternehmen. Die Umsätze nahmen stetig ab.  
[[Bild:Nieder mit patrizier.jpg|mini|right|"Nieder mit Patrizier" - Erlanger Protestaufkleber.]]
[[Bild:Brauereifreie stadt.jpg|mini|right|"Fürth - Brauereifreie Stadt". Schuld daran war in den Augen vieler der Schritt zum Einheitsgiganten Patrizier. Postkarte von [[Peter Stutzmann]] [[2011]].]]
Nicht nur wegen der Schließungen der [[Brauerei Grüner|Grüner]] und [[Bergbräu]] [[1979]], sondern auch wegen der Tilgung aller traditionsreichen Fürther Biermarken genoss der Einheits-Braugigant in Fürth einen schlechten Ruf; galt als Symbol für die Konzentrationsbestrebungen im Braugewerbe und die zunehmende Identifikationslosigkeit der Unternehmen. In der Folge nahmen die Umsätze und die Absatzmengen stetig ab, bis zum Verkauf der Marke an die [[Tucher Bräu]] AG.
 
Da die meisten Bier-Abnahmeverträge der Wirtschaften von den alten Brauereien an Patrizier übergegangen waren, und die Brauerei-Bindung häufig mittels Grunddienstbarkeit im Grundbuch verankert wurde, gerieten viele Wirtschaften in eine große Abhängigkeit, der aufgrund des lokalen "Quasi-Monopols" kein Angebots-Wettstreit auf Brauereiseiten mehr gegenüberstand, im Gegenteil: Anfang der 1990er Jahre kommunizierte das Patrizier-Management offen, dass das Konzept Bier-Wirtschaft überholt sei und verkaufte zur kurzfristigen Rendite-Steigerung im großen Stil Immobilien, die einst Produktion und Absatzmarkt zu sichern vermochten. Wellen des Wirtschaftssterben fallen in die Patrizier-Ära. Zahlreiche Objekte wurden später abgebrochen oder Nutzungsänderungen zugeführt, neue Gaststätten-Objekte entstanden überwiegend aus branchenfremden Gewerbe-Einheiten und häufig mit Unterstützung und Bierbezug bei kleineren fränkischen Land-Brauereien - damit außerhalb des Patrizier-Verbundes.
 
== Chronik der Brauerei ==
* [[1972]]: Gründung der Patrizier Bräu AG am [[23. Februar]] [[1972]] unter Einbeziehung der Fürther [[Brauerei Humbser-Geismann|Brauereien Humbser-Geismann]] und [[Grüner Bräu]] AG. Die Brauereien behalten ihre Firmennamen, Braustätten und Biermarken bei. Die Mitarbeiter werden von der neuen Gesellschaft übernommen und der Rohstoffeinkauf zentral geregelt. Die Aktienmehrheit trägt der [[Quelle|Schickedanz-Konzern]].
* [[1973]]: Der Bierausstoß der Patrizier Gruppe beläuft sich auf 1,43 Millionen Hektoliter.
* [[1974]]: Erste Produkte unter dem neuen Gruppennamen Patrizier kommen auf den Markt: „Patrizier Pils“, „Patrizier Edelweizen“, „Patrizier Bock“ und „Patrizier Poculator“. Schließung des Brauhauses Neumarkt, das schon seit [[1946]] zur [[Brauerei Humbser|Humbser Brauerei]] gehörte.
* [[1975]]: Mehrheitsbeteiligung der Patrizier an der [[Bergbräu|Berg Bräu]] Fürth zum [[1. Januar]] [[1975]]. Patrizier schließt die Betriebsstätten Erichbräu und Henninger-Reifbräu in Erlangen. Die Marken werden fortan in Fürth gebraut. Der Bierausstoß der Gruppe beträgt 1,46 Millionen Hektoliter.
* [[1977]]: Schließung der Braustätten Kießling KG Georgensgmünd, Bamberger Hofbräu, Kummert in Schlicht und [[Brauerei Grüner|Grüner]] in Fürth. Die Marken werden in der [[Brauerei Humbser|Humbser Brauerei]] weitergebraut.
* [[1979]]: Letzter Sud der [[Bergbräu|Berg Bräu]] Fürth am [[30. September]] [[1979]], die Braustätte wird geschlossen, die Marke komplett vom Markt genommen.
* [[1980]]/[[1981]]: Gebraut wird noch in der [[Brauerei Humbser|Humbser Brauerei]] in Fürth, bei Lederer in Nürnberg, der Bürgerbräu in Würzburg sowie in der Abteilung Zirndorf. Einstellung der meisten Marken und Übergang zu einer Abfüllbezeichnung, zum Beispiel Patrizier Bräu, Braustätte Würzburg.
* [[1982]]: Der [[Geismannsaal]] wird abgebrochen, die fast 90 jährige Tradition der dortigen [[Poculator]]-Feste verschwindet trotz anfänglicher Versuche mit anderen Fest-Orten.
* [[1985]]: Der Ausstoß sinkt erstmalig unter eine Million Hektoliter.
* [[1987]]: Wiedereinführung der Marke Lederer und Aufwertung der Marke Zirndorfer.
* [[1989]]: Stilllegung der Braustätten in Nürnberg und Würzburg. Gebraut wird nur noch in der [[Brauerei Humbser|Humbser Brauerei]] und in Zirndorf (807.304 Hektoliter).
* [[1991]]: Verkauf der brauereieigenen Gaststätten an die Conle Immobilienverwaltung. Nur 20 Objekte werden gehalten.
* [[1994]]: Dr. Hans Inselkammer kauft die 97%ige Beteiligung der Schickedanz-Gruppe an der Patrizier Bräu AG sowie, ein halbes Jahr später, die [[Tucher Bräu]] in Nürnberg.
* [[1996]]: Zusammenlegung der beiden Brauereien unter dem Namen [[Tucher Bräu|Tucher Bräu Nürnberg/Fürth Brauereibetriebsgesellschaft]]. Braustätten bestehen in Fürth, Zirndorf und am Schillerplatz in Nürnberg.
 
==Sonstiges==
* Obwohl die Patrizier Bräu bereits [[1994]] in der [[Tucher Bräu]] AG aufging und als Marke auf dem Markt verschwand, war sie noch von [[1994]] bis [[1996]] Trikotsponsor der [[SpVgg Fürth]] - der letzte vor dem Beitritt der Fußballabteilung des TSV Vestenbergsgreuth.


Da die meisten Bier-Abnahmeverträge der Wirtschaften von den alten Brauereien an Patrizier übergegangen waren, gerieten viele Wirtschaften in eine große Abhängigkeit - Wellen des Wirtschaftssterben fallen in die Patrizier-Ära.
* Ein bekannter Werbespruch der Brauerei lautete: ''"Patrizier Bräu - das tanken wir Franken"''


== Übernahme ==
==Literatur==


[[1994]] erwarb der Münchner Brauerei-Unternehmer Dr. Hans Inselkammer die Aktienmehrheit, fusionierte mit der Nürnberger [[Tucher Bräu|Tucher Bräu AG]] und schloss damit die vollständige Zusammenlegung aller Nürnberger und Fürther Traditionsbrauereien endgültig ab<ref name="FG"/>.
* Koch/Täubrich: [[Bier in Nürnberg-Fürth (Buch)|Bier in Nürnberg-Fürth]], Hugendubel, [[1987]]
* Stefan Städtler-Ley: [[Fürther Bier (Buch)|Fürther Bier]], G&S, 2021, 208 S.


== Trivia ==
==Siehe auch==


Obwohl die Patrizier Bräu bereits 1994 in der Tucher Bräu AG aufging, war sie noch von 1994 bis 1996 Trikotsponsor der [[SpVgg Fürth]] - der letzte vor dem Beitritt der Fußballabteilung des TSV Vestenbergsgreuth.
* [[Brauereien]]
* [[Brauerei Grüner]]
* [[Brauerei Humbser]]
* [[Schickedanz]]


== Quellen ==
==Weblinks==
 
* Lederer in der Patrizier Bräu AG - [http://de.wikipedia.org/wiki/Lederer_Bräu#Lederer_in_der_Patrizier_Bräu_AG Wikipedia]
 
* Tucher Bräu - Inselkammer verkauft an Brau und Brunnen - [http://www.ihk-nuernberg.de/de/IHK-Magazin-WiM/WiM-Archiv/WIM-Daten/2003-08/Unternehmen-und-Personen/Inselkammer-verkauft-an-Brau-und-Brunnen.jsp IHK online]
 
==Einzelnachweise==
<references/>
<references/>


[[Kategorie:Wirtschaft]]
==Bilder==
{{Bilder dieses Unternehmens}}
 
[[Kategorie:Brauereien]]
[[Kategorie:Brauereien]]
[[Kategorie:Wirtschaftsgeschichte]]
[[Kategorie:Unternehmen (ehemals)]]
[[Kategorie:Südstadt]]
[[Kategorie:Südstadt]]
119.009

Bearbeitungen