Wiedervereinigung Deutschlands: Unterschied zwischen den Versionen

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=== 2. Wochenende nach Maueröffnung (18. & 19. Nov. 1989) ===
=== 2. Wochenende nach Maueröffnung (18. & 19. Nov. 1989) ===
[[Datei:Information für Besucher aus der DDR 1989.pdf|mini|rechts|Allgemeine Informationen für DDR-Bürger in Nürnberg und Fürth]]
Auch an dem zweiten Wochenende nach der Öffnung der Mauer wurden wieder viele Besucher aus der DDR erwartet, dieses Mal wollte sich aber die Stadtverwaltung auf den Ansturm vorbereiten. Allerdings kam es zunächst zu einer Auseinandersetzung zwischen den Stadtverwaltungen Nürnbergs und Fürths. Nürnberg hatte die Stadt Fürth wissen lassen, dass sie Hilfe aus Fürth nicht bräuchten, da sie den Ansturm der DDR-Besucher alleine bewerkstelligen können. Bürgermeister [[Horst Weidemann|Weidemann]] entgegnete seinen Nürnberger Kollegen, dass er dies für unmöglich halte, zumal der 1. FC Nürnberg in Gera für ein Spiel in Nürnberg am bevorstehenden Wochenende 10.000 (!) Freikarten verteilt hatte.<ref>Anmerkung: Der Club spielte am 17. November 1989 vor heimischem Publikum gegen den 1. FC Kaiserslautern 0 : 0, womit nicht nur die 10.000 DDR-Besucher eher unzufrieden waren, also auch die 20.000 zahlenden Nürnberger Gäste.</ref> ''Die Nürnberger konnten schon am vergangenen Wochenende den Ansturm nicht bewältigen und baten uns um Hilfe ... wie wollen sie nun alleine mit zusätzlichen 10.000 Personen fertig werden? Derartige Überheblichkeiten fand der Bürgermeister einfach "großkotzig" – er wisse zwar, dass die Nürnberger keinen Wert darauf legen, dass wir etwas für sie tun, aber er fühle sich zur Nachbarschaftshilfe verpflichtet'', so die damalige Berichterstattung in den [[Fürther Nachrichten]].<ref>hei: Am Sonntag wird wieder ausbezahlt – Post, Sparkasse und das Sozialamt öffnen. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47</ref>  
Auch an dem zweiten Wochenende nach der Öffnung der Mauer wurden wieder viele Besucher aus der DDR erwartet, dieses Mal wollte sich aber die Stadtverwaltung auf den Ansturm vorbereiten. Allerdings kam es zunächst zu einer Auseinandersetzung zwischen den Stadtverwaltungen Nürnbergs und Fürths. Nürnberg hatte die Stadt Fürth wissen lassen, dass sie Hilfe aus Fürth nicht bräuchten, da sie den Ansturm der DDR-Besucher alleine bewerkstelligen können. Bürgermeister [[Horst Weidemann|Weidemann]] entgegnete seinen Nürnberger Kollegen, dass er dies für unmöglich halte, zumal der 1. FC Nürnberg in Gera für ein Spiel in Nürnberg am bevorstehenden Wochenende 10.000 (!) Freikarten verteilt hatte.<ref>Anmerkung: Der Club spielte am 17. November 1989 vor heimischem Publikum gegen den 1. FC Kaiserslautern 0 : 0, womit nicht nur die 10.000 DDR-Besucher eher unzufrieden waren, also auch die 20.000 zahlenden Nürnberger Gäste.</ref> ''Die Nürnberger konnten schon am vergangenen Wochenende den Ansturm nicht bewältigen und baten uns um Hilfe ... wie wollen sie nun alleine mit zusätzlichen 10.000 Personen fertig werden? Derartige Überheblichkeiten fand der Bürgermeister einfach "großkotzig" – er wisse zwar, dass die Nürnberger keinen Wert darauf legen, dass wir etwas für sie tun, aber er fühle sich zur Nachbarschaftshilfe verpflichtet'', so die damalige Berichterstattung in den [[Fürther Nachrichten]].<ref>hei: Am Sonntag wird wieder ausbezahlt – Post, Sparkasse und das Sozialamt öffnen. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47</ref>  
[[Datei:Wiedervereinigung Fürth 3.jpg|miniatur|rechts|Besuch aus Leipzig, Nov. 1989]]
[[Datei:Wiedervereinigung Fürth 3.jpg|miniatur|rechts|Besuch aus Leipzig, Nov. 1989]]
Deshalb wurden auf Weisung der Stadtverwaltung erneut das [[Sozialrathaus]] in der [[Hirschenstraße 27]] zur Auszahlung des Begrüßungsgeldes am Samstag und Sonntag geöffnet. Zusätzlich öffnete die [[Stadtsparkasse]]nfiliale im ehem. [[City-Center]] und die Hauptpost am [[Bahnhofplatz]]. DDR-Besucher, die bereits zum zweiten Mal nach Westdeutschland kamen, erhielten erneut ein Begrüßungsgeld in Höhe von 40 DM (vom Freistaat) und 20 DM (von der Kommune). Um einem Verkehrschaos entgegenwirken zu können, wurden im Verkehrsgroßraum Nürnberg-Fürth-Erlangen rund 1.000 Familienkarten kostenlos ausgegeben. Ebenfalls zur Diskussion stand die Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte in der Fürther Innenstadt. Begonnen hatten die Diskussion zur Öffnung der Geschäfte am Sonntag die Händler der Nürnberger Innenstadt. Auch der Fürther Einzelhandelsverband begrüßte die Öffnung der Geschäfte, allerdings sagte der damalige Sprecher des Einzelhandelsverbands Hans-Jürgen Haken, dass nicht alle öffnen werden, da die Nachfrage fast ausschließlich nach Südfrüchten, Textilien und technischen Geräten bestünde.<ref>hei: Am Sonntag wird wieder ausgezahlt. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47</ref>
Deshalb wurden auf Weisung der Stadtverwaltung erneut das [[Sozialrathaus]] in der [[Hirschenstraße 27]] zur Auszahlung des Begrüßungsgeldes am Samstag und Sonntag geöffnet. Zusätzlich öffnete die [[Stadtsparkasse]]nfiliale im ehem. [[City-Center]] und die Hauptpost am [[Bahnhofplatz]]. DDR-Besucher, die bereits zum zweiten Mal nach Westdeutschland kamen, erhielten erneut ein Begrüßungsgeld in Höhe von 40 DM (vom Freistaat) und 20 DM (von der Kommune). Um einem Verkehrschaos entgegenwirken zu können, wurden im Verkehrsgroßraum Nürnberg-Fürth-Erlangen rund 1.000 Familienkarten kostenlos ausgegeben. Ebenfalls zur Diskussion stand die Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte in der Fürther Innenstadt. Begonnen hatten die Diskussion zur Öffnung der Geschäfte am Sonntag die Händler der Nürnberger Innenstadt. Auch der Fürther Einzelhandelsverband begrüßte die Öffnung der Geschäfte, allerdings sagte der damalige Sprecher des Einzelhandelsverbands Hans-Jürgen Haken, dass nicht alle öffnen werden, da die Nachfrage fast ausschließlich nach Südfrüchten, Textilien und technischen Geräten bestünde.<ref>hei: Am Sonntag wird wieder ausgezahlt. In: Fürther Nachrichten vom 16. November 1989, S. 47</ref>


An dem zweiten Wochenende brach dann doch das erwartete Verkehrschaos in den süddeutschen Städten aus, wenn auch nicht in Fürth. Das Bonner Innenressort gab für Freitag, den [[17. November]] [[1989]] in Zahlen an, dass bis zur Abendstunde ca. 1 Mio. DDR-Besucher sich im Westen befanden. In den Grenzstädten ging am Freitagvormittag bereits nichts mehr – es herrschte heilloses Chaos, die Parkflächen waren überfüllt und an der Grenze standen noch die Menschen in einem 70 km langen Korso – dabei waren die Innenstädte schon übersät mit Warteschlangen der DDR-Bürger vor den Geschäften und Behörden. Ein Sprecher in Bayreuth meinte: ''Das ist echt Wahnsinn, dabei steht am Samstag und Sonntag noch ganz anderes bevor.''<ref>FN: Der Ansturm bricht alle Rekorde. Schon vormittags waren die nordbayerischen Grenzstädte total dicht – Mindestens 20.000 Besucher in Nürnberg. In: Fürther Nachrichten vom 18./19. November 1989, S. 1</ref> In Nürnberg und Fürth kamen bereits am Freitag mit Sonderzügen mehrere 1.000 DDR-Besucher in die Region. Zuvor wurde in der örtlichen Presse berichtet, dass die grenznahen Städte wie Hof, Bayreuth oder Weiden bereits "leergekauft" waren, so dass nun viele DDR-Besucher weiter Richtung Westen und Süden fuhren – also auch in Richtung Nürnberg und Fürth. Das Bay. Rote Kreuz rief die Bevölkerung auf, Notquartiere zur Verfügung zu stellen, da die 100 Notbetten in der [[Jahnturnhalle]] bei weitem nicht ausreichen würden.<ref>fn: Quartiere gesucht – Sonderdienst für Besucher aus der DDR. In: Fürther Nachrichten vom 17. November 1989, S. 37</ref> Gleichzeitig brachte das BRK Fürth täglich mehrere Laster Lebensmittel und Obst in die nordbayerischen Städte zur Unterstützung der dortigen Behörden in der Versorgung der Übersiedler und Besucher.<ref>Zeitzeugengespräch mit K. Salimi und einem ehem. Mitarbeiter des BRK, geführt am 9. Juli 2018</ref> Auch das BRK Nürnberg rief die Bevölkerung um Mithilfe, allerdings war bereits ab 6:30 Uhr früh das gesamte Haustelefonnetz zusammengebrochen und konnte erst wieder am späten Nachmittag in Betrieb genommen werden.  
An dem zweiten Wochenende brach dann doch das erwartete Verkehrschaos in den süddeutschen Städten aus, wenn auch nicht in Fürth. Das Bonner Innenressort gab für Freitag, den [[17. November]] [[1989]] in Zahlen an, dass bis zur Abendstunde ca. 1 Mio. DDR-Besucher sich im Westen befanden. In den Grenzstädten ging am Freitagvormittag bereits nichts mehr – es herrschte heilloses Chaos, die Parkflächen waren überfüllt und an der Grenze standen noch die Menschen in einem 70 km langen Korso – dabei waren die Innenstädte schon übersät mit Warteschlangen der DDR-Bürger vor den Geschäften und Behörden. Ein Sprecher in Bayreuth meinte: ''Das ist echt Wahnsinn, dabei steht am Samstag und Sonntag noch ganz anderes bevor.''<ref>FN: Der Ansturm bricht alle Rekorde. Schon vormittags waren die nordbayerischen Grenzstädte total dicht – Mindestens 20.000 Besucher in Nürnberg. In: Fürther Nachrichten vom 18./19. November 1989, S. 1</ref> In Nürnberg und Fürth kamen bereits am Freitag mit Sonderzügen mehrere 1.000 DDR-Besucher in die Region. Zuvor wurde in der örtlichen Presse berichtet, dass die grenznahen Städte wie Hof, Bayreuth oder Weiden bereits "leergekauft" waren, sodass nun viele DDR-Besucher weiter Richtung Westen und Süden fuhren – also auch in Richtung Nürnberg und Fürth. Das Bay. Rote Kreuz rief die Bevölkerung auf, Notquartiere zur Verfügung zu stellen, da die 100 Notbetten in der [[Jahnturnhalle]] bei weitem nicht ausreichen würden.<ref>fn: Quartiere gesucht – Sonderdienst für Besucher aus der DDR. In: Fürther Nachrichten vom 17. November 1989, S. 37</ref> Gleichzeitig brachte das BRK Fürth täglich mehrere Laster Lebensmittel und Obst in die nordbayerischen Städte zur Unterstützung der dortigen Behörden in der Versorgung der Übersiedler und Besucher.<ref>Zeitzeugengespräch mit K. Salimi und einem ehem. Mitarbeiter des BRK, geführt am 9. Juli 2018</ref> Auch das BRK Nürnberg rief die Bevölkerung um Mithilfe, allerdings war bereits ab 6:30 Uhr früh das gesamte Haustelefonnetz zusammengebrochen und konnte erst wieder am späten Nachmittag in Betrieb genommen werden.  


Die Befürchtungen [[Horst Weidemann|Weidemanns]] bestätigten sich ebenfalls – die Stadtverwaltung Nürnbergs konnte dem Ansturm nicht ansatzweise gerecht werden. Die [[Fürther Nachrichten]] schrieben bereits am Samstag, den [[18. November]] [[1989]] über die chaotischen Verhältnisse in Nürnberg: ''Peinliches Warten – Stadt lässt Besucher aus der DDR in Stich. ... Die Verwaltung hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Eine Woche lang hieß es, nächste Woche werde sie Nägel mit Köpfen machen. Während dieser Woche haben die Verantwortlichen kaum mehr auf die Beine gebracht, als ein unzulängliches Faltblatt und Freifahrscheine für einen Tag, die noch dazu nur der bekommt, der sich sein Begrüßungsgeld abholt... OB Peter Schönlein hat erklärt, er wolle die DDR-Bürger nicht gängeln. Das erwartete auch niemand. Deshalb aber gleich auf jegliche Hilfe zu verzichten, ist genauso falsch.''<ref>Roland Englisch: Der Kommentar – Peinliches Warten. In: Fürther Nachrichten vom 18./19. November 1989, S. 14</ref>  
Die Befürchtungen [[Horst Weidemann|Weidemanns]] bestätigten sich ebenfalls – die Stadtverwaltung Nürnbergs konnte dem Ansturm nicht ansatzweise gerecht werden. Die [[Fürther Nachrichten]] schrieben bereits am Samstag, den [[18. November]] [[1989]] über die chaotischen Verhältnisse in Nürnberg: ''Peinliches Warten – Stadt lässt Besucher aus der DDR in Stich. ... Die Verwaltung hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Eine Woche lang hieß es, nächste Woche werde sie Nägel mit Köpfen machen. Während dieser Woche haben die Verantwortlichen kaum mehr auf die Beine gebracht, als ein unzulängliches Faltblatt und Freifahrscheine für einen Tag, die noch dazu nur der bekommt, der sich sein Begrüßungsgeld abholt... OB Peter Schönlein hat erklärt, er wolle die DDR-Bürger nicht gängeln. Das erwartete auch niemand. Deshalb aber gleich auf jegliche Hilfe zu verzichten, ist genauso falsch.''<ref>Roland Englisch: Der Kommentar – Peinliches Warten. In: Fürther Nachrichten vom 18./19. November 1989, S. 14</ref>  
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