Bella Rosenkranz: Unterschied zwischen den Versionen

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Bella Rosenkranz wurde am [[28. Oktober]] [[1938]] zunächst mit ihren Freundinnen und den 50 weiteren jüdischen Polen zur Polizeizentrale gebracht. Gegen Mittag kam der Befehl: "''Alle Mann raus''" - ohne Angabe von Gründen. Die bis dahin inhaftierten Fürtherinnen und Fürther wurden im Ungewissen gehalten, stattdessen kamen sie auf einen offenen Lkw mit Bretterbänken auf der Ladefläche, während vorne und hinten je einer von der Gestapo mit dem Gewehr stand. So wurden sie in verschiedenen Gruppen nach Nürnberg zum Bahnhof gebracht. Dort begegneten sie den Nürnberger polnischen Juden, die bereits in der Bahnhofshalle in Sechserreihen aufgestellt dort warteten. Die Fürther Juden mussten dann zum letzten Gleis am Bahnhof, wo auf sie bereits ein Sonderzug wartete. Der Zug fuhr - mit einem Zwischenstopp in Leipzig - zum Grenzbahnhof Zbaszyn (ehem. Bentschen), wo bereits deportierte Juden aus dem gesamten Gebiet des Deutschen Reiches angekommen waren. In diesem Niemandsland zwischen Polen und Deutschland verharrten viele Menschen für einige Monate in Baracken und Ställen, denn die polnischen Behörden verweigerten den meisten Juden den Zutritt zum Land. Unter den vertriebenen polnischen Juden in Zbaszyn war auch der damals junge Marcel Reich-Ranicki, der sich später nach Warschau ins jüdische Ghetto durchschlagen konnte.<ref name="Jungkunz">Alexander Jungkunz: ''23 Jahre Odyssee''. In: Nürnberger Nachrichten vom 25. Oktober 2008 - [http://www.nordbayern.de/ressorts/23-jahre-odyssee-1.481905 online]</ref>
Bella Rosenkranz wurde am [[28. Oktober]] [[1938]] zunächst mit ihren Freundinnen und den 50 weiteren jüdischen Polen zur Polizeizentrale gebracht. Gegen Mittag kam der Befehl: "''Alle Mann raus''" - ohne Angabe von Gründen. Die bis dahin inhaftierten Fürtherinnen und Fürther wurden im Ungewissen gehalten, stattdessen kamen sie auf einen offenen Lkw mit Bretterbänken auf der Ladefläche, während vorne und hinten je einer von der Gestapo mit dem Gewehr stand. So wurden sie in verschiedenen Gruppen nach Nürnberg zum Bahnhof gebracht. Dort begegneten sie den Nürnberger polnischen Juden, die bereits in der Bahnhofshalle in Sechserreihen aufgestellt dort warteten. Die Fürther Juden mussten dann zum letzten Gleis am Bahnhof, wo auf sie bereits ein Sonderzug wartete. Der Zug fuhr - mit einem Zwischenstopp in Leipzig - zum Grenzbahnhof Zbaszyn (ehem. Bentschen), wo bereits deportierte Juden aus dem gesamten Gebiet des Deutschen Reiches angekommen waren. In diesem Niemandsland zwischen Polen und Deutschland verharrten viele Menschen für einige Monate in Baracken und Ställen, denn die polnischen Behörden verweigerten den meisten Juden den Zutritt zum Land. Unter den vertriebenen polnischen Juden in Zbaszyn war auch der damals junge Marcel Reich-Ranicki, der sich später nach Warschau ins jüdische Ghetto durchschlagen konnte.<ref name="Jungkunz">Alexander Jungkunz: ''23 Jahre Odyssee''. In: Nürnberger Nachrichten vom 25. Oktober 2008 - [http://www.nordbayern.de/ressorts/23-jahre-odyssee-1.481905 online]</ref>


Rosenkranz gelang die Einreise mit dem Zug von Bentschen nach Posen bzw. Lodz, wo sich zunächst ein Onkel um sie kümmerte. Von dort aus ging es weiter zu einem Landgut an der russischen Grenze, in dem sich zionistische Gruppen auf ein künftiges Leben in Palästina vorbereiteten. Nach dem Überall auf Polen durch das deutsche Militär im September [[1939]] musste Rosenkranz erneut flüchten, eine Ausreise nach Palästina rückte in weite Ferne. Rosenkranz flieht nach Wilna und landet schließlich in der Kleinstadt Krasnaja Sloboda (im heutigen Aserbaidschan). Zunächst arbeitet sie in einem Krankenhaus, ehe sie dann in ein Kinderspital in Wizebsk (Weißrussland) versetzt wird. Dort erlebt sie den Überfall Hitlerdeutschlands auf Russland am [[22. Juni]] [[1941]] - das sog. "[[Wikipedia:Unternehmen Barbarossa|Unternehmen Barbarossa]]". Nach Kriegsbeginn im Juni [[1941]] war Rosenkranz als ehem. deutsche Jüdin von einer Minute zur anderen ein Feind des Sowjetrussischen Reiches. "''Ganz plötzlich war ich zum Feind geworden, ... weil sie Deutsche ist in der Sowjetunion... Die Milizionäre sagten zu mir, ich solle Wäsche und einen Mantel mitnehmen. Das hätten sie gar nicht gedurft, sie taten es aber aus Mitleid. Es war Hochsommer und ich fand es absurd, Winterkleidung einzupacken. Außerdem dachte ich, dass ich spätestens abends wieder zurück sein würde''". Rosenkranz verglich die Lage mit der nahezu gleichen Situation vor knapp drei Jahren in Fürth, bei der Deportation durch die Gestapo. Nach der erneuten Verhaftung landete sie in einem Gefangenlager: "''Ich wurde wie eine Schwerverbrecherin behandelt ... politischen Häftlingen geht es weit schlechter als "normalen" Verbrechern, das muss sie immer wieder erfahren in den folgenden Jahren ... Wer hier einmal eingesperrt war, hatte mit der Außenwelt keinen Kontakt mehr.''"<ref name="Jungkunz"/> Von Wizebsk geht es mit dem Zug weiter nach Gorki, der Hauptstadt des Urals. Es folgt ein lagerähnliches Gefängnis, in dem sie nach drei Monaten erstmals einem Untersuchungsrichter vorgeführt wird. Der Untersuchungsrichter verkündet fünf Jahre Arbeitslager, dass Bella Rosenkranz allerdings erst knapp zwei Jahre später im Jahr [[1943]] erreicht.  
Rosenkranz gelang die Einreise mit dem Zug von Bentschen nach Posen bzw. Lodz, wo sich zunächst ein Onkel um sie kümmerte. Von dort aus ging es weiter zu einem Landgut an der russischen Grenze, in dem sich zionistische Gruppen auf ein künftiges Leben in Palästina vorbereiteten. Nach dem Überall auf Polen durch das deutsche Militär im September [[1939]] musste Rosenkranz erneut flüchten, eine Ausreise nach Palästina rückte in weite Ferne. Rosenkranz floh nach Wilna und landete schließlich in der Kleinstadt Krasnaja Sloboda (im heutigen Aserbaidschan). Zunächst arbeitete sie in einem Krankenhaus, ehe sie dann in ein Kinderspital in Wizebsk (Weißrussland) versetzt wurde. Dort erlebte sie den Überfall Hitlerdeutschlands auf Russland am [[22. Juni]] [[1941]] - das sog. "[[Wikipedia:Unternehmen Barbarossa|Unternehmen Barbarossa]]". Nach Kriegsbeginn im Juni [[1941]] war Rosenkranz als ehem. deutsche Jüdin von einer Minute zur anderen ein Feind des Sowjetrussischen Reiches. "''Ganz plötzlich war ich zum Feind geworden, ... weil sie Deutsche ist in der Sowjetunion... Die Milizionäre sagten zu mir, ich solle Wäsche und einen Mantel mitnehmen. Das hätten sie gar nicht gedurft, sie taten es aber aus Mitleid. Es war Hochsommer und ich fand es absurd, Winterkleidung einzupacken. Außerdem dachte ich, dass ich spätestens abends wieder zurück sein würde''". Rosenkranz verglich die Lage mit der nahezu gleichen Situation vor knapp drei Jahren in Fürth, bei der Deportation durch die Gestapo. Nach der erneuten Verhaftung landete sie in einem Gefangenlager: "''Ich wurde wie eine Schwerverbrecherin behandelt ... politischen Häftlingen geht es weit schlechter als "normalen" Verbrechern, das muss sie immer wieder erfahren in den folgenden Jahren ... Wer hier einmal eingesperrt war, hatte mit der Außenwelt keinen Kontakt mehr.''"<ref name="Jungkunz"/> Von Wizebsk ging es mit dem Zug weiter nach Gorki, der Hauptstadt des Urals. Es folgte ein lagerähnliches Gefängnis, in dem sie nach drei Monaten erstmals einem Untersuchungsrichter vorgeführt wurde. Der Untersuchungsrichter verkündete fünf Jahre Arbeitslager, das Bella Rosenkranz allerdings erst knapp zwei Jahre später im Jahr [[1943]] erreichte.  


Nach dem Abarbeiten ihrer fünf Jahre Arbeitslager hofft Rosenkranz vergeblich auf die Freilassung aus dem Lager. Jedoch legt eine neue Verordnung Stalins fest, "''dass sich bei allen deutschen politischen Gefangenen die Entlassungsfrist auf unbestimmte Zeit verlängere''." Es folgt die Verbannung nach Sibirien, bei der ihr unterwegs die Flucht gelingt. Unter falschem Namen gelingt es Bella Rosenkranz - inzwischen unter der falschen Identität ''Bella Goldberg'' - sich russische Papiere als Staatsbürgerin zu besorgen und eine kleine Existenz aufzubauen. In den Städten Nachodka und Wladiwostok in Sibirien heuert sie von [[1953]] bis [[1961]] auf diversen Schiffen an. Die Fracht- und Fischereischiffe fahren überwiegend im Pazifik, während Bella Rosenkranz als "übel schikanierte Putzhilfe" zunächst auf den Schiffen arbeitet, ehe ihr der Aufstieg als Buchhälterin gelingt.
Nach dem Abarbeiten ihrer fünf Jahre Arbeitslager hoffte Rosenkranz vergeblich auf die Freilassung aus dem Lager. Jedoch legte eine neue Verordnung Stalins fest, "''dass sich bei allen deutschen politischen Gefangenen die Entlassungsfrist auf unbestimmte Zeit verlängere''." Es folgte die Verbannung nach Sibirien, bei der ihr unterwegs die Flucht gelang. Unter falschem Namen gelang es Bella Rosenkranz - inzwischen unter der falschen Identität ''Bella Goldberg'' - sich russische Papiere als Staatsbürgerin zu besorgen und eine kleine Existenz aufzubauen. In den Städten Nachodka und Wladiwostok in Sibirien heuerte sie von [[1953]] bis [[1961]] auf diversen Schiffen an. Die Fracht- und Fischereischiffe fuhren überwiegend im Pazifik, während Bella Rosenkranz als "übel schikanierte Putzhilfe" zunächst auf den Schiffen arbeitete, ehe ihr der Aufstieg als Buchhälterin gelang.


[[1961]] bekam Rosenkranz vom Suchdienst des Roten Kreuzes Post. Das Rote Kreuz forderte die sowjetische Regierung auf, Rosenkranz aus dem Land ausreisen zu lassen. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, da sie inzwischen unter falschem Namen mit gefälschten Papieren in Russland lebte. Die Ausreise gelang mit etlichen Zwischenstationen noch im gleichen Jahr, so dass sie schließlich wieder nach Fürth zurückkam und dort als Buchhalterin eine Anstellung fand. Sie stellte fest, dass von ihren früheren Bekannten kaum noch jemand am Leben war - nach eigenem Bekunden erfuhr sie erst jetzt vom Holocaust und dessen Ausmaß.
[[1961]] bekam Rosenkranz vom Suchdienst des Roten Kreuzes Post. Das Rote Kreuz forderte die sowjetische Regierung auf, Rosenkranz aus dem Land ausreisen zu lassen. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, da sie inzwischen unter falschem Namen mit gefälschten Papieren in Russland lebte. Die Ausreise gelang mit etlichen Zwischenstationen noch im gleichen Jahr, so dass sie schließlich wieder nach Fürth zurückkam und dort als Buchhalterin eine Anstellung fand. Sie stellte fest, dass von ihren früheren Bekannten kaum noch jemand am Leben war - nach eigenem Bekunden erfuhr sie erst jetzt vom Holocaust und dessen Ausmaß.
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