David Spiro: Unterschied zwischen den Versionen

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|Geschlecht=männlich
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|Geburtsdatum=1901
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|Geburtsort=[[wikipedia:Książ Wielki|Ksionz-Wielki]], Galizien, Österreich-Ungarn
|Todesdatum=1970/10/17
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'''David Spiro''' (eigentlich David Kahana-Spiro - דוד כהנא-שפירא, geb. [[1901]] in [[wikipedia:Książ Wielki|Książ Wielki]], Kreis (Powiat) Miechowski, Polen; gest. [[17. Oktober]] [[1970]] in [[wikipedia:Jerusalem|Jerusalem]]) war Rabbiner im Rabbinat Warschau und von 1945 bis 1970 der erste Rabbiner der [[Fiorda|jüdischen Gemeinde Fürth]] nach der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nazi-Diktatur]]. Spiro war verheiratet mit Freida, geb. Gutschechter. Aus der Ehe stammten vier Kinder.<ref>Biografische Angaben nach [https://www.geni.com/people/David-Kahana-Spiro/6000000018777440027?through=6000000188540044821 Rabbi David Kahana-Spiro] Geni</ref> Sowohl die Ehefrau, also auch die vier Kinder, überlebten den Naziterror nicht.  
'''David Spiro''' (eigentlich David Kahana-Spiro - דוד כהנא-שפירא, geb. [[1901]] in [[wikipedia:Książ Wielki|Ksionz-Wielki]], [[wikipedia:Galizien|Galizien]], Österreich-Ungarn; gest. [[17. Oktober]] [[1970]] in [[wikipedia:Jerusalem|Jerusalem]]) war Rabbiner im Rabbinat Warschau und von 1945 bis 1970 der erste Rabbiner der [[Fiorda|jüdischen Gemeinde Fürth]] nach der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nazi-Diktatur]]. Spiro war verheiratet mit Freida, geb. Gutschechter. Aus der Ehe stammten vier Kinder.<ref>Biografische Angaben nach [https://www.geni.com/people/David-Kahana-Spiro/6000000018777440027?through=6000000188540044821 Rabbi David Kahana-Spiro] Geni</ref> Sowohl die Ehefrau, also auch die vier Kinder, überlebten den Naziterror nicht.  


==Leben und Wirken<ref>zitiert nach [https://www.talmud-thora.de/rabbiner-david-spiro-1901-1970-eine-fromme-und-hochgebildete-autoritaet/ "Rabbiner David Spiro 1901–1970] - Eine fromme und hochgebildete Autorität" in: ''Talmud-Thora Schulen in Deutschland''</ref>==
==Leben und Wirken<ref>zitiert nach [https://www.talmud-thora.de/rabbiner-david-spiro-1901-1970-eine-fromme-und-hochgebildete-autoritaet/ "Rabbiner David Spiro 1901–1970] - Eine fromme und hochgebildete Autorität" in: ''Talmud-Thora Schulen in Deutschland''</ref>==
Spiro kam als Sohn einer orthodox jüdischen Familie im polnischen Książ Wielki zur Welt. Seine Kindheit war geprägt von der [[wikipedia:Chassidismus|chassidischen]] Ausprägung des jüdischen Glaubens, die ein Teil des sogenannten ultraorthodoxen Judentums darstellt. Besonders sein Großvater Mosche Nathan Spiro als auch sein Onkel Samuel Bronstein - beides ebenfalls Rabbiner - schienen David Spiro in seiner religiösen Ausrichtung als Kind und Jugendlicher geprägt zu haben. Nach Abschluss seiner Ausbildung und Studium von Talmud und Thora heiratete Spiro die Tochter Freida des Warschauer Rabbiners Chaim Jehoschua Gutschechter. Im Jahr 1936 erhielt er als jüngstes Mitglied den Ruf zur Mitgliedschaft im Warschauer Rabbinat.  
Spiro kam als Sohn einer orthodox jüdischen Familie 1901 in Ksionz-Wielki (Książ Wielki), Galizien, Österreich-Ungarn, zur Welt. Seine Kindheit war geprägt von der [[wikipedia:Chassidismus|chassidischen]] Ausprägung des jüdischen Glaubens, die ein Teil des sogenannten ultraorthodoxen Judentums darstellt. Besonders sein Großvater Mosche Nathan Spiro als auch sein Onkel Samuel Bronstein - beides ebenfalls Rabbiner - schienen David Spiro in seiner religiösen Ausrichtung als Kind und Jugendlicher geprägt zu haben. Nach Abschluss seiner Ausbildung und Studium von Talmud und Thora heiratete Spiro die Tochter Freida des Warschauer Rabbiners Chaim Jehoschua Gutschechter. Im Jahr 1936 erhielt er als jüngstes Mitglied den Ruf zur Mitgliedschaft im Warschauer Rabbinat.  


====Warschauer Ghetto====
====Warschauer Ghetto====
In Warschau erlebte er im September 1939 den Überfall auf Polen und den Einmarsch in die polnische Stadt durch die Deutsche Wehrmacht. Während der Zeit der Besetzung wurde Spiro in den sogenannten Judenrat im Warschauer Ghetto berufen, dem er bis zur Liquidierung des Ghettos im April 1943 angehörte. Mit Menachem Ziemba und Simson Stockhammmer gehörte er zu den letzten drei Rabbinern Warschaus und war der einzige, der den Nazi-Terror überstand.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 239</ref>
In Warschau erlebte er im September 1939 den Überfall auf Polen und den Einmarsch in die polnische Hauptstadt durch die Deutsche Wehrmacht. Während der Zeit der deutschen Besatzung wurde Spiro in den sogenannten Judenrat im Warschauer Ghetto berufen, dem er bis zur Liquidierung des Ghettos im April 1943 angehörte. Mit Menachem Ziemba und Simson Stockhammmer gehörte er zu den letzten drei Rabbinern Warschaus und war der einzige, der den Nazi-Terror überstand.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 239</ref>


====Die Zeit im KZ====
====Die Zeit im KZ====
Es folgte ein langer Leidensweg zur Zeit des Naziterrors in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter u. a. die KZs Budzyn, Flossenbürg, Hersbruck und Dachau. Im Frühjahr 1945 erkrankte Spiro im KZ Dachau schwer und überlebte die Befreiung nur knapp. Sein Bruder Abraham Spiro, der einzig Überlebende seiner weitläufigen Familie, fand nach eigenen Angaben seinen Bruder mehr tot als lebendig im KZ Dachau. Abraham Spiro konnte frühzeitig emigrieren und durchlief in den 1930er Jahren in einem Stipendium am Jewish Theological Seminary in New York die Rabbinerausbildung. Mit Eintritt der USA in den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] meldete sich Abraham Spiro als Freiwilliger zur [[U.S. Army]] und versah seinen Dienst als Seelsorger in der U.S. Army (Chaplain) und war Teil der Landung der US-Truppen 1944 in der Normandie.
Es folgte ein langer Leidensweg zur Zeit des Naziterrors in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter u. a. die KZs Budzyn, Flossenbürg, Hersbruck und Dachau. Im Frühjahr 1945 erkrankte Spiro im KZ Dachau schwer und überlebte die Befreiung nur knapp. Sein Bruder Abraham Spiro, der einzig Überlebende seiner weitläufigen Familie, fand nach eigenen Angaben seinen Bruder mehr tot als lebendig im KZ Dachau.<ref name="TKZ">Jim G. Tobias: ''Trainingskibbuz Zettlitz: Jüdischer Neubeginn in Oberfranken''. In: Nachrichtenmagazin haGalil.com, München, vom 13. März 2006, aufgerufen am 4. August 2024 - [https://www.hagalil.com/archiv/2006/03/oberfranken.htm online]</ref> Abraham Spiro konnte frühzeitig emigrieren und durchlief in den 1930er Jahren in einem Stipendium am Jewish Theological Seminary in New York die Rabbinerausbildung. Mit Eintritt der USA in den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] meldete sich Abraham Spiro als Freiwilliger zur [[U.S. Army]] und versah seinen Dienst als Seelsorger in der U.S. Army (Chaplain) und war Teil der Landung der US-Truppen 1944 in der Normandie. Nach dem Krieg nahm Abraham Spiro seinen Dienst in der US-Distriktverwaltung in Bamberg auf. Neben seiner seelsorgerischen Arbeit engagierte sich der „Chaplain“ für die in Franken gestrandeten Juden. Auf seine Initiative hin konnten nur wenige Monate nach Niederschlagung des Nationalsozialismus etwa 30 ehemalige jüdische KZ-Häftlinge und Partisanen ihr vorübergehendes Zuhause in [[wikipedia:Zettlitz (Bindlach)|Zettlitz]] bei Bayreuth beziehen. Die Gründung des Kibbuz Geulim (hebräisch: Erlösung) sorgte für Schlagzeilen; neben ausführlichen Reportagen in der jüdischen Presse berichtete auch die US-Soldatenzeitung „Stars and Stripes“ darüber.<ref name="TKZ" />


====Neubeginn in Fürth====
====Neubeginn in Fürth====
Da sein Bruder Abraham in der US-Zone in Bayern (Region Nürnberg) stationiert war, beschloss David Spiro seinem Bruder zu folgen. Er hatte während des Naziterrors seine ganze Familie verloren - Frau, Kinder, Eltern und Geschwister - und wollte so zumindest in der Nähe seines Bruders sein. So fand er den Weg nach Fürth, wo er sich ab Anfang Juli in der [[Königswarterstraße]] gemeinsam mit einer anderen jüdischen Familie ein kleines Zimmer teilte.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 233 und 365</ref> Als bekannt wurde, dass der letzte Rabbi Warschaus noch lebte, kamen immer mehr Überlebende nach Fürth und mit dem damals großen Lager der sogenannten Displaced Persons (DP) - dem [[Camp Finkenschlag]] - wuchs die wieder eröffnete ''Kehillah'' von Fürth auf 2000 Menschen.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 234</ref> Schnell avancierte der charismatische Spiro zum spirituellen Führer. Er prägte die Gemeinde wie kein Zweiter. Gemeinsam mit [[Jean Mandel]] wiederbelebte er die jüdische Gemeinde in Fürth unmittelbar nach Kriegsende. Er reaktivierte ein jüdisches Ritualbad in einem Gebäudekeller, das er zuvor entdeckt hatte - führte die koschere Küche im DP-Lager ein und hielt regelmäßig Gottesdienste und Lehrstunden im ehem. jüdischen Waisenhaus ab. Mit Spiro wurde die jüdische Gemeinde in Fürth ein neues Zentrum für Orthodoxie im Nachkriegsdeutschland und seine Beratung in allen Lebenslagen, insbesondere in der Fragestellung bei Scheidungen und Eheschließungen, war weit über die Stadtgrenze Fürths geschätzt. Insbesondere der fehlende Nachweis eines verstorbenen Ehepartners durch den Nazi-Terror erschwerte die erneute Heirat des Überlebenden im jüdischen Glauben. Spiro galt als umfassender Experte im [[wikipedia:Halacha|halachischen Wissen]], der sogenannten rechtlichen Überlieferung des Judentums, mit dessen Hilfe schwierige Eheentscheidungen nach dem orthodoxen jüdischen Ritus erneut möglich wurden. Dieses Wissen führte im Sommer 1946 sogar dazu, dass die Rabbinerkonferenz - als Teil des späteren Zentralrates der Juden in Deutschland - Spiro ganz offiziell mit dieser schwierigen Aufgabe betraute.  
Da sein Bruder Abraham in der US-Zone in Bayern (Region Nürnberg) stationiert war, beschloss David Spiro seinem Bruder zu folgen. Er hatte während des Naziterrors seine ganze Familie verloren - Frau, Kinder, Eltern und Geschwister - und wollte so zumindest in der Nähe seines Bruders sein. So fand er den Weg nach Fürth, wo er sich ab Anfang Juli in der [[Königswarterstraße]] gemeinsam mit einer anderen jüdischen Familie ein kleines Zimmer teilte.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 233 und 365</ref> Als bekannt wurde, dass der letzte Rabbi Warschaus noch lebte, kamen immer mehr Überlebende nach Fürth und mit dem damals großen Lager der sogenannten Displaced Persons (DP) - dem [[Camp Finkenschlag]] - wuchs die wieder eröffnete ''Kehillah'' von Fürth auf 2000 Menschen.<ref>Mose N. Rosenfeld: ''The Rav of Fürth'', 2021, S. 234</ref> Schnell avancierte der charismatische Spiro zum spirituellen Führer. Er prägte die Gemeinde wie kein Zweiter. Gemeinsam mit [[Jean Mandel]] wiederbelebte er die jüdische Gemeinde in Fürth unmittelbar nach Kriegsende. Er reaktivierte ein jüdisches Ritualbad in einem Gebäudekeller, das er zuvor entdeckt hatte - führte die koschere Küche im DP-Lager ein und hielt regelmäßig Gottesdienste und Lehrstunden im ehemaligen [[Israelitische Waisenanstalt|Jüdischen Waisenhaus]] ab. Mit Spiro wurde die jüdische Gemeinde in Fürth ein neues Zentrum für Orthodoxie im Nachkriegsdeutschland und seine Beratung in allen Lebenslagen, insbesondere in der Fragestellung bei Scheidungen und Eheschließungen, war weit über die Stadtgrenze Fürths geschätzt. Insbesondere der fehlende Nachweis eines verstorbenen Ehepartners durch den Nazi-Terror erschwerte die erneute Heirat des Überlebenden im jüdischen Glauben. Spiro galt als umfassender Experte im [[wikipedia:Halacha|halachischen Wissen]], der sogenannten rechtlichen Überlieferung des Judentums, mit dessen Hilfe schwierige Eheentscheidungen nach dem orthodoxen jüdischen Ritus erneut möglich wurden. Dieses Wissen führte im Sommer 1946 sogar dazu, dass die Rabbinerkonferenz - als Teil des späteren Zentralrates der Juden in Deutschland - Spiro ganz offiziell mit dieser schwierigen Aufgabe betraute.  


Auf Initiative Spiros wurden ab [[1947]] zwei Talmud-Thora-Schulen gegründet - in der ehemaligen städtischen Religionsschule war zunächst Platz für 12 und im Camp-[[wikipedia:Cheder|Cheder]]<ref>Jiddisch "Chejder" sonst Cheder</ref> für 15 Jungen.<ref>siehe auch [https://www.talmud-thora.de/einrichtungen/camp-fuerth-finkenschlag/ Talmud-Thora Schulen in Deutschland]</ref>
Auf Initiative Spiros wurden ab [[1947]] zwei Talmud-Thora-Schulen gegründet - in der ehemaligen städtischen Religionsschule war zunächst Platz für 12 und im Camp-[[wikipedia:Cheder|Cheder]]<ref>Jiddisch "Chejder" sonst Cheder</ref> für 15 Jungen.<ref>siehe auch [https://www.talmud-thora.de/einrichtungen/camp-fuerth-finkenschlag/ Talmud-Thora Schulen in Deutschland]</ref>
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