Gustav Schickedanz: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild::Bild:Portrait Gustav Schickedanz.jpg|thumb|right|Portrait Gustav Schickedanz]]
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'''[[Vorname::Gustav]] [[Vorname::Abraham]] [[Nachname::Schickedanz]]''' (geb. [[Geburtstag::1. Januar]] [[Geburtsjahr::1895]] in [[Geburtsort::Fürth]], [[Geburtsstraße::Theresienstraße| Theresienstraße 23]]; gest. [[Todestag::27. März]] [[Todesjahr::1977]] in [[Todesort::Fürth]], war ein [[Beruf::Fabrikant]], [[Beruf::Unternehmer]] und [[Beruf::Stifter]]. Bekannt wurde er als Gründer des Versandhauses "[[Gründer::Quelle]]".
'''[[Vorname::Gustav]] [[Vorname::Abraham]] [[Nachname::Schickedanz]]''' (geb. [[Geburtstag::1. Januar]] [[Geburtsjahr::1895]] in [[Geburtsort::Fürth]], [[Geburtsstraße::Theresienstraße| Theresienstraße 23]]; gest. [[Todestag::27. März]] [[Todesjahr::1977]] in [[Todesort::Fürth]]) war ein [[Beruf::Fabrikant]], [[Beruf::Unternehmer]] und [[Beruf::Stifter]]. Bekannt wurde er als Gründer des Versandhauses "[[Gründer::Quelle]]".


== Leben ==
== Leben ==
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Am [[11. November]] [[1927]] ging aus dieser Kurzwarenhandlung das Versandhaus [[Quelle]] hervor und orientierte sich dabei an der amerikanischen Idee des Versandhandels. Dieses modifizierte er den deutschen Verhältnissen entsprechend um und perfektionierte es, um den deutschen Verbrauchergewohnheiten Rechnung zu tragen. Dabei setzte er von Anfang an auf die Maxime “Qualität zu einem angemessenen Preis”. Sitz war zunächst die [[Königswarterstraße]] 10.
Am [[11. November]] [[1927]] ging aus dieser Kurzwarenhandlung das Versandhaus [[Quelle]] hervor und orientierte sich dabei an der amerikanischen Idee des Versandhandels. Dieses modifizierte er den deutschen Verhältnissen entsprechend um und perfektionierte es, um den deutschen Verbrauchergewohnheiten Rechnung zu tragen. Dabei setzte er von Anfang an auf die Maxime “Qualität zu einem angemessenen Preis”. Sitz war zunächst die [[Königswarterstraße]] 10.
Das von den Nazis geächtete Versandhausgeschäft machte es notwendig, sich Standbeine im produzierenden Gewerbe zu verschaffen: [[1935]] erwarb Schickedanz die Rechte an der Marke Tempo und die Vereinigten Papierwerke in Nürnberg. Auch die Mehrheit an der [[Brauerei Geismann]] erlangte er Ende der 1930er Jahre. Und so erreichte der Quelle-Konzern [[1939]] einen Umsatz von 40 Millionen Mark. Mit seiner zweiten Ehefrau [[Grete Schickedanz]], die seit [[1922]] seine Angestellte gewesen war, brachte er das Unternehmen nach Ende des 2. Weltkriegs, in dem bei einem Luftangriff am [[16. März]] [[Stadtrat bis::1945]]die Lager in Fürth zerstört wurden, wieder auf Erfolgskurs.
Das von den Nazis geächtete Versandhausgeschäft machte es notwendig, sich Standbeine im produzierenden Gewerbe zu verschaffen: [[1935]] erwarb Schickedanz die Rechte an der Marke Tempo und die Vereinigten Papierwerke in Nürnberg. Auch die Mehrheit an der [[Brauerei Geismann]] erlangte er Ende der 1930er Jahre. Und so erreichte der Quelle-Konzern [[1939]] einen Umsatz von 40 Millionen Mark. Mit seiner zweiten Ehefrau [[Grete Schickedanz]], die seit [[1922]] seine Angestellte gewesen war, brachte er das Unternehmen nach Ende des 2. Weltkriegs, in dem bei einem Luftangriff am [[16. März]] [[Stadtrat bis::1945]] die Lager in Fürth zerstört wurden, wieder auf Erfolgskurs.


Nach zahlreichen Eingliederungen weiterer Unternehmen in den Konzern, u.a. der Brauerei [[Brauerei_Humbser|Humbser]], die man mit der bereits im Konzern befindlichen [[Brauerei Geismann|Geismann]] zur "[[Brauerei Humbser-Geismann AG]]" verschmolz, betrug der Umsatz [[1972]] bereits 5 Milliarden Mark.
Nach zahlreichen Eingliederungen weiterer Unternehmen in den Konzern, u. a. der Brauerei [[Brauerei_Humbser|Humbser]], die man mit der bereits im Konzern befindlichen [[Brauerei Geismann|Geismann]] zur "[[Brauerei Humbser-Geismann AG]]" verschmolz, betrug der Umsatz [[1972]] bereits 5 Milliarden Mark.
Als Gustav Schickedanz am 27. März 1977 starb, übernahm seine Witwe Grete die Firmenleitung des Versandhauses "Quelle", den Vorstandsvorsitz Schwiegersohn Hans Dedi<ref>[http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wollen-waegen-wagen;1058340 Wollen! Wägen! Wagen!], Handelsblatt vom 31.03.2006</ref>.
Als Gustav Schickedanz am 27. März 1977 starb, übernahm seine Witwe Grete die Firmenleitung des Versandhauses "Quelle", den Vorstandsvorsitz sein Schwiegersohn Hans Dedi.<ref>[http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wollen-waegen-wagen;1058340 Wollen! Wägen! Wagen!], Handelsblatt vom 31.03.2006</ref>


Gustav Schickedanz ist auf dem Fürther [[Hauptfriedhof]] an der [[Erlanger Straße]] beigesetzt, den Grabspruch - ein Zitat Johann Wolfgang Goethes - hatte er noch selbst bestimmt: „Des Todes rührendes Bild steht nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem Frommen.“
Gustav Schickedanz ist auf dem Fürther [[Hauptfriedhof]] an der [[Erlanger Straße]] beigesetzt; den Grabspruch - ein Zitat Johann Wolfgang Goethes - hatte er noch selbst bestimmt: „Des Todes rührendes Bild steht nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem Frommen.“


== Schickedanz' Rolle während des NS-Regimes ==
== Schickedanz' Rolle während des NS-Regimes ==


Schickedanz war seit [[1932]] Mitglied der [[Partei::NSDAP]] und wurde [[Stadtrat von::1935]] vom NS-Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] als Fürther [[Beruf::Stadtrat]] eingesetzt. Die anlässlich von Korrupition rund um die sogenannten Arisierungen eingesetzte sog. ''Göringkommission'' bezeichnet Schickedanz in ihren Berichten als "Günstling der Gauleitung". Die Vereinigten Papierwerke, die [[Brauerei Geismann]], weitere Firmen und attraktive Grundstücke konnte Schickedanz wahrscheinlich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit während des NS-Regimes und der guten Kontakte zur Gauleitung, weit unter dem tatsächlichen Wert von den ehemals überwiegend jüdischen Besitzern im Zuge der Arisierung erwerben.
Schickedanz war seit [[1932]] Mitglied der [[Partei::NSDAP]] und wurde [[Stadtrat von::1935]] vom NS-Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] als Fürther [[Beruf::Stadtrat]] eingesetzt. Die anlässlich von Korruption rund um die sogenannten Arisierungen eingesetzte sog. ''Göringkommission'' bezeichnet Schickedanz in ihren Berichten als "Günstling der Gauleitung". Die Vereinigten Papierwerke, die [[Brauerei Geismann]], weitere Firmen und attraktive Grundstücke konnte Schickedanz, wahrscheinlich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit während des NS-Regimes und der guten Kontakte zur Gauleitung, weit unter dem tatsächlichen Wert von den ehemals überwiegend jüdischen Besitzern im Zuge der Arisierung erwerben.


Nach dem Krieg bestand zunächst gesteigertes Interesse an der Beleuchtung Schickedanz' Rolle während des Dritten Reiches. Ihm war bis 1949 Berufsverbot auferlegt worden, sein Vermögen war größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, seine Unternehmen zu leiten und zu betreten<ref name="SP">[http://www.gustav-schickedanz-stiftung.de/stifter.htm Portrait Gustav Schickedanz] auf den Internetseiten der Gustav-Schickedanz-Stiftung.</ref>. Im Laufe der Zeit verloren vorallem die USA wegen des heraufziehenden Kalten Krieges ihr Interesse an den Verfahren und die westdeutsche Politik bemühte sich um die Wirtschaftsgrößen, die als für den Wiederaufbau notwendig empfunden wurden. In Schickedanz Fall war es so z. B. der damalige Bayerische Wirtschaftsminister [[Ludwig Erhard|Dr. Ludwig Erhard]], der ihm ein Zeugnis als harmloser "Mitläufer" ausstellte. So wurde das Verfahren gegen ihn unter großem Druck von außen mit einem Freispruch zu Ende geführt. Erst im April [[1949]] konnte Gustav Schickedanz, dessen Berufsverbot aufgehoben wurde, rehabilitiert in die Firma zurückkehren<ref name="SP"/>, deren treuhänderische Verwaltung, nicht zum Nachteil von Schickedanz, in den Händen ehemaliger Angestellter war.
Nach dem Krieg bestand zunächst gesteigertes Interesse an der Beleuchtung Schickedanz' Rolle während des Dritten Reiches. Ihm war bis 1949 Berufsverbot auferlegt worden, sein Vermögen war größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, seine Unternehmen zu leiten und zu betreten.<ref name="SP">[http://www.gustav-schickedanz-stiftung.de/stifter.htm Portrait Gustav Schickedanz] auf den Internetseiten der Gustav-Schickedanz-Stiftung.</ref> Im Laufe der Zeit verloren vor allem die USA wegen des heraufziehenden Kalten Krieges ihr Interesse an den Verfahren und die westdeutsche Politik bemühte sich um die Wirtschaftsgrößen, die für den Wiederaufbau als notwendig empfunden wurden. In Schickedanz' Fall war es so z. B. der damalige Bayerische Wirtschaftsminister [[Ludwig Erhard|Dr. Ludwig Erhard]], der ihm ein Zeugnis als harmloser "Mitläufer" ausstellte. So wurde das Verfahren gegen ihn unter großem Druck von außen mit einem Freispruch zu Ende geführt. Erst im April [[1949]] konnte Gustav Schickedanz, dessen Berufsverbot aufgehoben wurde, rehabilitiert in die Firma zurückkehren<ref name="SP"/>, deren treuhänderische Verwaltung, nicht zum Nachteil von Schickedanz, in den Händen ehemaliger Angestellter lag.


Bis heute ist die Rolle von Gustav Schickedanz im Dritten Reich und sein Verhalten bei der Arisierung jüdischen Eigentums in Fürth und Nürnberg höchst umstritten. Während sich die offizielle Firmengeschichtsschreibung dem Thema lange vollständig verschloss und das Kapitel aussparte, so etwa Theo Reubel-Ciani<ref name="Reubel-Ciani">Theo Reubel-Ciani: "Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag des Quelle–Gründers." </ref>, ging man später wieder zur Argumentationslinie aus dem Entnazifizierungsverfahren über Schickedanz' Rolle auf die eines Mitläufers zu beschränken, so z. B. der von der Familie Schickedanz mit der Biographie beauftragte Erlanger Historiker Gregor Schöllgen<ref name="Schöllgen">vgl. Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs, Berlin Verlag, Berlin 2010</ref>. Claus W. Schäfer, seinerseits Inhaber eines Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen sieht die Schuld in einem Vortrag beim [[Geschichtsverein Fürth|Fürther Geschichtsverein]] weniger bei Schickedanz' als der Dresdner Bank, Schickedanz NSDAP-Mitgliedschaft und Ratstätigkeit erwähnt er mit keinem Wort.
Bis heute ist die Rolle von Gustav Schickedanz im Dritten Reich und sein Verhalten bei der Arisierung jüdischen Eigentums in Fürth und Nürnberg höchst umstritten. Während sich die offizielle Firmengeschichtsschreibung dem Thema lange vollständig verschloss und das Kapitel aussparte, so etwa Theo Reubel-Ciani<ref name="Reubel-Ciani">Theo Reubel-Ciani: "Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag des Quelle–Gründers." </ref>, ging man später wieder zur Argumentationslinie aus dem Entnazifizierungsverfahren über, Schickedanz' Rolle auf die eines Mitläufers zu beschränken, so z. B. der von der Familie Schickedanz mit der Biographie beauftragte Erlanger Historiker Gregor Schöllgen.<ref name="Schöllgen">vgl. Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs, Berlin Verlag, Berlin 2010</ref> Claus W. Schäfer, seinerseits Inhaber eines Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen sieht die Schuld in einem Vortrag beim [[Geschichtsverein Fürth|Fürther Geschichtsverein]] weniger bei Schickedanz' als der Dresdner Bank, Schickedanz NSDAP-Mitgliedschaft und Ratstätigkeit erwähnt er mit keinem Wort.


Wesentlich kritischer äußern sich z. B. die Historiker Peter Zinke vom ''Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts'' und Dr. Eckart Dietzfelbinger vom ''Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände'' zur Rolle Gustav Schickedanz und bemängeln die bis heute unvollständige Aufarbeitung des Themenkomplexes. Zinke sieht die Erwerbungen vormals jüdischen Eigentums in engstem Zusammenhang mit Schickedanz guten Kontakten zur Gauleitung <ref name="Zinke">Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts</ref> und Dr. Dietzfelbinger sieht im Fall Schickedanz ein Musterbeispiel des Profiteurs der einträglichen Arisierung, und der Harmlosigkeit der Mitläuferfabriken nach Kriegsende, die beide auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhten und für "haarsträubende personelle und mentale Kontinuitäten sorgten." <ref>Dr. Eckart Dietzfelbinger: "Warum braune Flecken kein Makel blieben: Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz" in transit nürnberg 2/08</ref>
Wesentlich kritischer äußern sich z. B. die Historiker Peter Zinke vom ''Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts'' und Dr. Eckart Dietzfelbinger vom ''Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände'' zur Rolle Gustav Schickedanz und bemängeln die bis heute unvollständige Aufarbeitung des Themenkomplexes. Zinke sieht die Erwerbungen vormals jüdischen Eigentums in engstem Zusammenhang mit Schickedanz guten Kontakten zur Gauleitung <ref name="Zinke">Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts</ref> und Dr. Dietzfelbinger sieht im Fall Schickedanz ein Musterbeispiel des Profiteurs der einträglichen Arisierung, und der Harmlosigkeit der Mitläuferfabriken nach Kriegsende, die beide auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhten und für "haarsträubende personelle und mentale Kontinuitäten sorgten." <ref>Dr. Eckart Dietzfelbinger: "Warum braune Flecken kein Makel blieben: Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz" in transit nürnberg 2/08</ref>
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